"In einem Land vor unserer Zeit" – und wie war das gleich noch mit "Denkst du an den Dinosaurier?" Dinos – eher ein Thema kleiner Jungs, oder? In die Rockgeschichte hielten sie eher selten Einzug. Zwar tragen einige wenige Bands wie beispielsweise Dinosaur Jr. oder die Dinosaur Truckers sie im Namen und auch ein ungekrönter König des Glam Rock benannte seine Band nach dem furchterregendsten Vertreter dieser Spezies (während damals in Deutschland allenfalls ein agiler Elektrolurch
über die Bühne wuselte), doch am ehesten begegnen dem Musikfreund heute diese Tierchen noch in Form der Rock-Dinosaurier als der Art, die auch im etwas fortgeschritteneren Alter noch relativ große Hallen füllen.
"In A World Of Dinosaurs" entführt Ax Genrich mit seiner Band den geneigten Zuhörer. Zum musikalischen Können, das gut und gerne die Ausmaße eines Brontosaurus innehat, gesellt sich auf diesem Silberling auch ein Schalk im Nacken, der mindestens so gewitzt ist wie ein flinker, räuberischer Velociraptor. Los geht das schon bei der Covergestaltung von Ulrich Mönig: vorn eine ziemlich lebensechte 'Dinoszene', die schon durch die Farbgestaltung einen Vorgeschmack auf die psychedelischen Welten bietet, durch die diese Wesen sich bewegen. Klappt man das Booklet auf, so sieht man Fotos aus dem Cloud 29-Studio, die mehr sagen, als Worte es könnten. Die Gestalter dieser Welten sind neben Ax Genrich und seinen bewährten Bandkollegen Steff Bollack an den Drums und Mario Fadani am Bass auch Gastsänger Matz Kraus sowie die beiden 'Gurus' Roland Schaeffer und Mani Neumeier.
Der Titelsong und Opener "In A World Of Dinosaurs" kratzt knapp an der Zehn-Minuten-Marke. Und katapultiert mich in dieser Zeit ein paar Milliönchen Jahre zurück in eine Welt vor unserer Zeit. Eine, in der Bass und Drums so tief gehen wie die Fußspuren des tonnenschweren Diplodocus. Töne, so bizarr wie ein Pentaceratops mit seinen Nackenschilden und Hörnern durch den Raum fegen, mich packen und mitziehen in die Tiefen, nur um mich gleich drauf wie die Flügel eines Pterodactylus in höchste Höhen zu tragen. Von hoch oben sehe ich die unterschiedlichen Charaktere und Verhaltensweisen dieser Tiere, die Ax in seinem Sprechgesang beschreibt. Bass und Drums lassen immer neue Herden und Einzelgänger durch den imaginären Urwald trampeln und trappeln, während die Gitarre mit all ihren Effekten die Landschaft erzeugt und darüberhinaus im Verbund mit den Becken immer neue kleine wendige und geflügelte Exemplare an mir vorbeihuschen lässt.
Was im (fast) rein instrumentalen "Elektro Bordell" vor sich geht, das sei eurer Fantasie überlassen... genauso wie die Überlegung, wohin ihr euch vom "Sound Of No Return" treiben lasst. Mich trägt diese Nummer wieder zurück ins Dinoland, nur um dann mit ziemlich rockigem Affenzahn wieder in die (annähernde) Jetztzeit gejagt zu werden. "The Nomad", der mich hier erwartet, lässt auf seiner gut viertelstündigen Reise die späten 60er-Jahre durchschimmern, immer wieder fallen mir hier die Doors ein – kein konkreter Song, sondern eher das Gesamtfeeling. Zurück von der Nomadentour bereichert Matz Kraus mit sehr markanter Stimme als Gastsänger "Livin' In Germany" mit ein paar Passagen. Am Thema Gesang werden sich wahrscheinlich auf dem ganzen Album die Geister scheiden. Sowohl Ax als auch Matz singen hier nicht im herkömmlichen Sinn. Sie geben allenfalls kurze, einfach gehaltene Regieanweisungen an das Kopfkino, der allergrößte Part gehört den Instrumenten, die die Reise bestimmen. Als letzte Tour steht "Zaragoza / On Route To Spain" auf dem Plan, bei dem Mani Neumeier die Drums übernimmt.
Soweit die eher vordergründige Betrachtung. Doch es gibt für mich bei Ax, sowohl solo als auch mit Band, noch eine weitere Ebene. Wie oben schon erkennbar, ist er mit seiner Musik auch Geschichtenerzähler. Mich berühren die Geschichten, die seine Songs erzählen, noch auf einer sehr viel tieferen, archaischen Ebene. Nicht, dass ich sie mit Worten oder Bildern auch nur ansatzweise wiedergeben könnte. Eher wie ein Trancezustand, der noch sehr viel mehr ans Eingemachte geht als gute Musik im Allgemeinen und gute Psychedelic im Besonderen. Wahrscheinlich ist dieses Empfinden sehr subjektiv; möglicherweise auch für Manchen nicht nachvollziehbar, doch für mich ist die Musik von Ax Genrich etwas ganz Besonderes. Etwas, das ich denjenigen ans Herz legen möchte, die sich wirklich auf solche Klänge einlassen können, und ein bisschen Sinn für den immer wieder aufblitzenden Humor mitbringen. Was für Liebhaber und Leute, die sich Zeit für gute Musik nehmen.
Line-up:
Ax Genrich (guitars, banjo, vocals)
Mario Fadani (bass, upright bass, tuba)
Steff Bollack (drums)
Mani Neumeier (drums - #6)
Roland Schaffer (nadaswaram - #4, sopran sax - #6)
Matz Kraus (vocals - #5)
Tracklist |
01:In A World Of Dinosaurs
02:Elektro Bordell
03:The Sound Of No Return
04:The Nomad
05:Livin' In Germany
06:Zaragoza/On The Route To Spain
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