Soll das ein Witz sein? Nein, gar nicht. Christopher Gould schmückt das Artwork seines Albums mit einer glitzernd drapierten Schaufensterpuppe, die aus einiger Entfernung täuschend echt wirkt - wie ein lebendiges, böse überschminktes weibliches Etwas. Schein und Sein, der erste und der zweite Blick - das zieht sich tatsächlich auch als Dauerthema durch Chris Goulds Musik. Denn auch der Albumtitel "Till Party Do Us Deaf" bedeutet nicht, dass mit stumpfsinniger Tanzmusik zu rechnen wäre. Nein, nein - Chris Gould, der heute in Frankreich lebt, aber über seine eigene Nationalität oder Herkunft im Netz keine Angaben macht, produziert Musik mit Tiefgang. Tiefgang, der erst einmal erforscht werden will!
Der musikalische Ausgangspunkt für diese Forschungsreise ist... nun ja, Rockmusik. Viel feinkörniger lässt sich das Gehörte kaum beschreiben. Einfach melodischer, atmosphärischer Rock. Sehr zugänglicher, oft 'poppiger' Rock, wie beispielsweise bei "Some Things" oder "One Day". Die beiden Refrains gehen extrem gut ins Ohr; das sind wohl portionierte, butterweich eingängige und gleichzeitig optimistisch rockende Sahne-Melodien zum Mitsingen und Mitfühlen. Die vor Kraft strotzenden Chorusse trotzen mit voller Absicht den nachdenklichen Strophen. Die drehen sich um vernachlässigte Lebensträume ("One Day") und medial vorgegaukeltes Glücklichsein wie in "Some Things":
»I see the world the way it looks on screen
It can be gruesome and mean,
But it's not in my backyard.
I'm moved to tears by things too far away
For me to help anyway,
But caring makes me feel smart.«
Dazu passt "Be King" als eine Aufforderung, etwas zu wagen im Leben und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen - auch Pop-rockig, ein bisschen 'Indie' - straight und simpel, aber nie stupide. "Talk Too Much", eine Abreibung mit Angebern und Besserwissern, legt noch eine kantige Schippe klassischen Hard Rocks mit Orgelunterstützung drauf. Das etwas introvertiertere, atmosphärische "The Power Of Will" klingt nach britischem Neo Prog, wie überhaupt fast in jedem Song irgendetwas 'britisch' klingt - nicht nur die prägnante Aussprache in Chris Goulds Gesang, was sehr gut zu seiner Stimme passt. Die klingt sehr markant, präsent und präzise. Von dem Mann würde man sich auch Märchen vorlesen lassen.
Irgendwie kommt dieser Chris Gould wie ein experimentierfreudiger, rockender Singer/Songwriter rüber. Und er liefert für mein Dafürhalten auf einem durchweg guten Album zwei Highlights ab. Eines davon ist "Doesn't Really Matter" mit seinem orgelig-funkigen Weltmusikgroove. Diese offenbar irgendwo in Afrika geklauten »Yup-yup-eeh-eoh-eoh ...«-Backings zu coolem Sprechgesang - das ist einfach cool! Und dann ist da noch der Opener "Cosy Black Hole In My Soul". Wie zu jedem seiner Songs hinterlässt Chris Gould auch zu diesem einen kurzen Kommentar im Booklet:
»Some people (a.k.a. autists) live in a parallel universe, but may be quite happy there. So let's cherish the moments when they stop by in our world...« Wow, was für eine Widmung! Und welch ein Refrain, in dem die Stimmung auf diesem schmalen Grat zwischen gut gelaunt und melancholisch wandelt...
Ein richtiger Ausreißer ist dagegen "At Your Service (In Zis Restaurant)", ein... naja: 'Restaurant-Reggae' mit französischem Akzent. Purer Klamauk. Dass Christopher Gould ausgerechnet zu diesem Stück ein (zugegebenermaßen schreiend komisches) Video auf seine Website gestellt hat, könnte für Ersthörer einen ganz schön verzerrten Eindruck von seiner Musik entstehen lassen, zeugt allerdings auch von seinem ausgeprägten Sinn für Humor. "At Your Service (In Zis Restaurant)" hat eher den Charakter eines Hidden Tracks, steht aber mittendrin im Album. 'Nur' ein Witz, schreibt der Meister übrigens selbst dazu ...
Der Rest des Albums ist ernster, irgendwie... Ernst, aber sehr unterhaltsam, ein bisschen zynisch, etwas selbstironisch - und manchmal erst ernst beim zweiten Hören, wenn in den auf den ersten Eindruck unspektakulären, aber einfach richtig guten Songs die Messages durchkommen. Sie haben mit den Dingen zu tun, die uns im Leben antreiben, bremsen, verzweifeln oder über uns hinaus wachsen lassen. Tiefgang auf den zweiten Blick - aber das macht die Sache ja schließlich nur interessanter - wie auch beim Titel des Albums:
»About the album's title: it reflects my conviction that too much partying is not only bad for your liver, but also tends to cause boredom at some stage. Pursuing a goal and celebration once you've reached it is far more rewarding. Or so I think (amen).«
Line-up:
Christopher Gould (vocals, guitars, keyboards, backing vocals, bass guitar, loops)
Jean Philippe Komac (drums)
Herwig Scheck (bass guitar)
Tom Lodewijckx (guitars)
Chris Peeters (guitars, ukulele)
Bert Embrechts (bass guitar)
Karen Melis (backing vocals)
Chantal Kashala (backing vocals - #5)
Steve Kashala (backing vocals - #5)
Jeroen Ravesloot (Hammond, keyboards - #4,10)
Peter Schreurs (Hammond - #8)
Tracklist |
01:Cosy Black Hole In My Soul (4:17)
02:Tomorrow (4:42)
03:Some Things (4:36)
04:Fly To The Moon (3:54)
05:Doesn't Really Matter (4:05)
06:One Day (3:57)
07:The Power Of Will (3:56)
08:At Your Service (In Zis Restaurant) [3:14]
09:Be King (3:11)
10:Talk Too Much (4:02)
11:The Road That Lies Ahead (3:31)
|
|
Externe Links:
|