Dave Gleason's Wasted Days / Just Fall To Pieces
Just Fall To Pieces Spielzeit: 50:44
Medium: CD
Label: Well Worn Records, 2007
Stil: Country (-Rock)


Review vom 30.09.2008


Markus Kerren
'Mannomann, also irgendwas stimmt mit diesem Foto nicht', kam mir umgehend in den Sinn, als ich das Cover von "Just Fall To Pieces" zum ersten Mal betrachtete. Da steht ein Dave Gleason im Bild-Vordergrund, gekleidet in einer irgendwie zu groß wirkenden Jacke, die auf der einen Seite seltsam großspurig bestickt ist, mich auf der anderen aber auch an irgendetwas sehr Positives erinnert. Unter dem Cowboyhut scheinen sich wahre Büschel von blonden (gefärbten?) Haaren ihren Weg ans Tageslicht erkämpfen zu wollen, während die lang gezogenen Kotletten einen eher brünetten (und echten?) Farbton ihr Eigen nennen. Im Hintergrund des Titelbildes drücken sich drei weitere, ebenso in eher unpassenden Anzügen steckende Gestalten in einem Eingangsweg herum, der zu einer großen Halle, bzw. Gebäude zu führen scheint. Die CD an sich legte ich dann erstmal mit ziemlich skeptischen Gefühlen in den Player.
Aber, ich will es gleich verraten, selten habe ich so daneben gelegen, wie bei Dave Gleason's Wasted Days. Diese Truppe hat einen ganz eigenen Stilmix auf Lager, der einen einfach nur verzaubern, mitreißen und mitleiden lassen kann, wenn man auch nur ein kleines bisschen was für den Country (-Rock) der alten Schule übrig hat. Die Band ist tief verwurzelt im Bakersfield-Sound der sechziger Jahre und streift auch noch die frühen Siebziger mit einigen eingestreuten psychedelischen Parts. Und rocken können sie schließlich auch noch, was diese Angelegenheit hier, in dreizehn Teile aufgesplittet und "Just Fall To Pieces" benannt, grandios abrundet und zu einem wahren Volltreffer macht.
Dave Gleason's Wasted Days wurden im Jahr 2000 gegründet und legen mit "Just Fall To Pieces" ihr mittlerweile drittes Album vor. Und dafür hat sich das Quartett geradezu eine kleine Armada an größtenteils hochkarätigen Gästen, allen voran den Meisterpicker Albert Lee, eingeladen.
Ein Exot des guten Dutzend Songs ist "Right Back To Her Heart", der mit seiner angedeutet psychedelischen Grundstimmung an Gram Parsons' und Chris Hillman's Flying Burrito Brothers (FBB) oder auch Buffalo Springfield Ende der Sechziger denken lässt. Die Gitarren fuzzen und twangen herrlich und auch der Gesang ist von dieser Zeit und ihren Protagonisten inspiriert. Wo wir gerade bei der Vergangenheit sind: "Rusty Ol' Halo" ist der einzige nicht eigen komponierte Track des Albums und ein Traditional, das sich mit seinem pumpenden Rhythmus, sehr starkem Background-Gesang und traditionellen Country-Melodien direkt einen Weg ins Langzeit-Gedächtnis ebnet, bevor eine anscheinend vom Wind verwehte Harmonika die Atmosphäre noch dichter macht. Flott und druckvoll, ohne auf elektrische Instrumente zurückgreifen zu müssen.
Auch die (Country-) Rocker wie zum Beispiel der Opener "Look At The Way You've Become" (mit einem Albert Lee in Hochform an der lead guitar) kommen überzeugend und kraftvoll, melodiös und grandios eingespielt. Man kommt einfach nicht um die Tatsache herum, die schiere Kraft dieser Songs, die die Tracks aus der überzeugenden und 'echten' Darbietung ziehen, zu erkennen. Hier sind keine kompromissbereiten Marionetten einer Plattenfirma, sondern vielmehr Überzeugungstäter am Werk. Midtempo-Stücke wie "Train Of Blue" (erinnert ein bisschen an Steve Earle), "Take Your Memory With You" oder "Couldn't Give You Anything" zaubern Country Rock-Freunden automatisch ein Lächeln ins Gesicht. Dies führt mich dann zu der (zugegebenermaßen pathetischen) Frage, ob sich Gram Parsons heute so angehört hätte, wäre er immer noch unter uns.
Und dann fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Diese komischen Jacken und Anzüge, die die Truppe trägt, sind genau die Nudie-suits (Mister Nudie war jahrzehntelang der Hausschneider der bekanntesten frühen Country-Stars), die auch Parsons und die FBB Ende der Sechziger wieder in Erinnerung zu bringen versuchten. Der Kreis schließt sich somit immer mehr. Was nur ein weiteres Mal eindrucksvoll mit dem starken Titelsong des Albums, dessen wunderschöner Pedal-Steel und einem Albert Lee in bester Laune unter Beweis gestellt wird.
Die krönende Ergänzung zu den bisher genannten Songs stellen dann die BalIaden, oder soll ich sie Schmachtfetzen nennen, dar, die von einem weniger starken Sänger und einer schlechteren Band das Fett nur so triefen und die Lichter ausgehen lassen würden. Dave Gleason bringt hier aber soviel echtes Gefühl und sogar (im übertragenen Sinn) Soul mit ein, wie es sonst bisher nur einem Gram Parsons oder Gene Clark geglückt war. Stücke wie "Since You Went Away", "(Wine) Take Away My Mind" oder "Wildfire (In Your Eyes)" zaubern selbst den hartgesottensten Musik-Veteranen die eine oder andere Gänsehaut auf die jeweils bevorzugte Körperstelle. Mit "Campin' With A Cat" gibt es auch noch ein Instrumental, dessen Melodie mich ein bisschen an den alten Klopper "…my baby does the Hanky Panky…" erinnert.
Ich gebe offen und ehrlich zu, dass dieses Album mein Herz erobert hat. Aber auch wenn man ganz objektiv an die Sache herangeht, kann man die Augen vor den starken Songs, den hochqualitativen Musikern, einem sehr beseelten und emotionalen Sänger sowie der Authentizität dieser Scheibe nicht verschließen. Während also überall sonst ein Mann wie Dwight Yoakam (der ganz sicher seine Qualitäten hat) abgefeiert wird, ist für mich Dave Gleason mit seinen Wasted Days der Mann der Stunde, wenn es um Cosmic American Music geht. Und genau aus all diesen Gründen komme ich um 9 von 10 RockTimes-Uhren erst gar nicht herum. Tut euch selbst einen Gefallen und checkt dieses Album zumindest einmal an. Es lohnt sich garantiert!
Line-up:
Dave Gleason (lead vocals, acoustic & electric guitars, banjo, percussion)
John Kent (drums)
Pat Johnson (bass, vocals, harmonica)
Mike Therieau (acoustic guitar, vocals)

Mit:
Albert Lee (lead guitar - #1, 7)
Thom Moore (background vocals - #13)
Richard Chon (fiddle - #6, 11)
Dan Eisenberg (organ, piano - #7, 9, 13)
Jim Campilongo (lead guitar - #3, 12)
Joe Goldmark (pedal steel)
Michael Montalto (12-string guitar - #2, accordion - #8, 10, piano - #5, organ - #12)
Tracklist
01:Look At The Way You've Become
02:Right Back To Her Heart
03:Train Of Blue
04:Rusty Ol' Halo
05:The Good's Been Gone
06:Take Your Memory With You
07:Just Fall To Pieces
08:Neon Rose
09:Since You Went Away
10:(Wine) Take Away My Mind
11:Couldn't Give You Anything
12:Campin' With A Cat
13:Wildfire (In Your Eyes)
Externe Links: