Zu allererst ein pauschales Lob nach UK: Im Riesenfeld des Neo Prog gehören Galahad zu den Besten der Besonderen - zu den ganz Besonderen unter den richtig Guten. Diesen Ruf, den sie sich für meinen Geschmack spätestens mit dem exzellenten "Empires Never Last" von 2007 erworben haben, den können sie mit "Battle Scars" verteidigen, wenngleich das Niveau des Vorgängers nicht übertroffen wird (wie auch...). Doch wenn ich dieses Album höre, dann weiß ich gleich, mit welcher Band ich es zu tun habe. Die musikalischen Markenzeichen der Gruppe aus Südwest-England werden auf diesem Album exzellent gepflegt und zur Schau gestellt.
Die Musik von Galahad ist erneut äußerst eindringlich und fesselnd - ein Effekt, der zum Teil auch durch die relative Schlichtheit der Arrangements erzielt wird. Natürlich sind Drives und Hooks immer wieder schön verproggt, und im Songaufbau wird gern mal episch ausgeholt. Aber im Kern ihrer Stücke gehen Galahad straight geradeaus - im Opener "Battle Scars" sogar extrem. Die wenigen, immerzu wiederholten Worte im Chorus, »Battle scars, battle scars... Arrogance and egos, arrogance and egos« erschienen mir zunächst sogar etwas plump. Doch ganz schnell hatten sich Muster derart im Kopf festgesetzt, dass ich es auch immer wieder hören wollte. Denn es hypnotisiert.
Und genau damit spielt die Band ihre Stärke aus. Die Atmosphären sind düster... manchmal kontemplativ und psychedelisch - und manchmal einschüchternd, nervös und dramatisch, wenn blitzschnell bedrohliche Klangwände hochgezogen werden. Ganz schön heavy, zuweilen. Orchesterarrangements verstärken die Wirkung und machen das Album zu einem Soundtrack für Kino im Kopf. Die Instrumentalpassagen sind nie zu ausufernd und wirken wie eine Art Nachhall der Emotionen, die in den Refrains geweckt werden. Da passt alles zusammen.
Erstes Highlight ist der Titeltrack samt dem zweiten Stück, "Reach For The Sun", eine Art Epilog zum Opener mit nur wenigen Worten (»Battle scars will heal, the pain we feel is real«...) - klasse Idee. Der nächste Höhepunkt kommt mit "Bitter And Twisted", das mit Tempo, Druck und diesem Synthie-verstärketen, geheimnisvollen Touch beginnt. Der Chorus ist ganz typisch Galahad: Dramatisch, dabei gleichzeitig fast ein wenig wehmütig und klagend. Die tief angelegte Lead-Gitarre unterstreicht den außergewöhnlichen Tonumfang der Gesangsmelodie durch einen beinahe doomigen Unterbau. Das sind Gegensätze, die einander verstärken. Dazu kommt ein akustischer Thriller als B-Part mit Grusel-Atmo und Gesangseffekt.
Ganz groß ist auch der Schlusspunkt des Albums. "Seize The Day" beginnt wie eine Traumsequenz: Ein surreales Wabern, dazu ein paar verschwommene Pianotöne wie von einer Spieluhr, der nachdenkliche Gesang Stuart Nicholsons... Daraus erwächst dann eine Sequenz aus... House, Trance, Techno? Ich weiß nicht, wie man das nennt, aber Galahad sind auch dafür bekannt, das in ihren musikalischen Cocktail zu mixen. Doch das ist nur die Einleitung für ein geniales Gänsehauterlebnis: Nach wenigen Takten kommen harte Gitarren, pumpende Bässe und knallende Drums hinzu, und natürlich die Vocals des vielseitigen Sängers, dieses Mal offensiv und mit Power. Die Elektronik läuft gleichzeitig weiter - ein hypnotisierender Effekt...
Was das Konzept des Albums angeht, so lassen uns Galahad Freiraum für Interpretationen. Das mit intensiv wirkenden Schwarzweiß-Fotos gestaltete Booklet geht mit der dunklen Atmosphäre der Musik einher. Die Lyrics drehen sich immer wieder um eine Art Übergang in eine andere Bewusstseinsebene: eine Art beklemmender Traum, eine Nahtoderfahrung, Tod und Trauer. "Bitter And Twisted" lässt außerdem darauf schließen, dass es um einen Beziehungsstreit geht bzw. um den fatalen Ausgang dessen. Die Worte erzählen Bruchstücke der Geschichte in Form emotionaler Bilder, Empfindungen und Eindrücken.
Und diese Eindrücke wirken. "Battle Scars" ist ein spannendes, mitreißendes und exzellent produziertes Album geworden. "Empires Never Last" bleibt aber - Stand: jetzt - das Summum Opus der Band. Doch schon bald wird dessen Status erneut angegriffen: Die Band hatte Ende 2011 zusammen mit "Battle Scars" das kommende Album gleich mit aufgenommen - "Beyond The Realms Of Euphoria" soll ebenfalls noch 2012 veröffentlicht werden.
Nicht unerwähnt bleiben darf das Schicksal, das Galahad zuletzt ereilt hat. Der Bassist und einer der Hauptschreiber der Band, Neil Pepper ist nach der Aufnahme des Albums an Krebs gestorben. Viele Bilder, die "Battle Scars" zeichnet, erlangen so noch mal eine ganz besondere Bedeutung - nicht zuletzt die energischen Aufforderungen in "Seize The Day":
»To move, to touch, to feel, to taste, to smell, to see
It could all be taken away in an instant, in an instant
Seize the day, relish every moment / Make it something to remember
Seize the day, savour every second / Feel the blood of life coursing through your veins
Don't ever be compacent / Expect the unexpected
Every breath you take is a bonus / Every step is a miracle«
Line-up:
Roy Keyworth (guitars)
Stuart Nicholson (vocals)
Spencer Luckman (drums)
Dean Baker (keyboards)
Neil Pepper (bass guitar, guitars, keyboards)
Tracklist |
01:Battle Scars (7:05)
02:Reach For The Sun (3:55)
03:Singularity (7:30)
04:Bitter And Twisted (6:58)
05:Suspended Animation (4:05)
06:Beyond The Barbed Wire (5:29)
07:Seize The Day (8:33)
08:Sleepers 2012 (Bonus Track) [14:08]
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