Kaum einen europäischen Staat hat die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise dermaßen hart erwischt wie Island. Vor den schicksalsträchtigen Jahren 2008 und 2009 brodelten unter der weltweit größten Vulkaninsel höchstens die Geysire, seither aber ist auch die regionale Ökonomie heftigsten Eruptionen ausgesetzt gewesen.
Unbequeme Zeiten also, die die Bevölkerung gerade durchmachen muss, und naturgemäß sind auch viele Musiker direkt betroffen: Leute, die international oftmals nicht halb so bekannt sind wie die Aushängeschilder Björk und Sigur Rós. Bands wie Gavin Portland also, deren vielversprechend gestartete Karriere im Postcore-Sektor durch das ausgehebelte, kollabierende Wirtschaftssystem vorerst ausgebremst worden war.
Als Anfang 2008 ihr Debütwerk "III: Views Of Distant Towns" erscheint und von der Fachpresse in den höchsten Tönen gelobt wird, ahnt das Quartett nicht, dass es beim Nachfolger "IV: Hand In Hand With Traitors, Back To Back With Whores" weitaus größere Anstrengungen aufbringen muss. Denn die Umstände haben aktuell nicht gerade für die Band gesprochen: Studio und Produzent wollten bezahlt werden, das Label 12 Tonár konnte nicht weiter existieren... Doch echte Hardcore-Recken lassen sich von solchen Widrigkeiten bekanntlich nicht kleinkriegen, sondern nutzen die Situation und machen das Beste draus.
Im Falle von Gavin Portland wurde das vorliegende Silberscheibchen daher kurzerhand selbst und in Eigenregie eingetrümmert - das ist jetzt gut anderthalb Jahre her. In der Zwischenzeit haben die Burschen im deutschen Label We Deliver The Guts / Cargo Records eine neue, vertrauensvolle Heimat gefunden und damit kompetente Partner an der Hand. Es hat sich somit alles zum Guten gewendet für Gavin Portland.
Frei nach dem Motto 'Was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker' fackelt der Island-Vierer auf seinem Zweitling ein aggressives Hardcore-Feuerwerk ab und kanalisiert all die Emotionen, die die Musiker in den vergangenen Monaten durchleben mussten. Das eine oder andere softe Indie Rock-Element, welches auf dem Vorgänger noch zu vernehmen gewesen war, musste gnadenlos über Bord gehen, und auch in lyrischer Hinsicht geht man heuer deutlich direkter vor, anstatt sich in poetischen Versen zu verheddern. Gavin Portland haben der Wirtschaftskrise also offenbar eine reinigende Wirkung abverlangen können und sind aus den Trümmern ihrer Existenz gestärkt hervorgegangen - Befreiungsschlag aus der Krise nennt man sowas dann wohl.
"IV: Hand In Hand With Traitors, Back To Back With Whores" enthält lupenreine, ambitioniert-intelligente Postcore-Kunst in bester Refused-Tradition und wird somit all diejenigen begeistern, die den Schweden um Dennis Lyxzén noch immer eine Träne nachweinen. Ähnlich wie Refused hauen uns auch Gavin Portland chaotische Kompositionen um die Ohren, die durch puren Minimalismus und dynamische Kontraste begeistern. Die typischen, stellenweise progressiven Songstrukturen, die bei Postcore-Bands essenziell sind, findet man auch bei den Isländern zuhauf.
Wer also auf der Suche nach einem frischen, ehrlichen Album ist, der sollte sich schleunigst mit Gavin Portland anfreunden. Krachend-brachiale Wutbrocken à la "Lungs Of Brass And Leather", "February", "Dead Ends", "Droughtbringer" oder das ausladende "Tempest" sprechen eine deutliche Sprache und sollten die Augen von Neurosis- oder Converge-Anhägern zum Glänzen bringen. Gavin Portland versprühen intensive Authentizität über die gesamte Spielzeit hinweg. Eine Underground-Scheibe, wie sie im Buche steht!
Line-up:
Þórir (guitar and vocals)
Kolli (vocals)
Addi (bass)
Birkir (drums)
Tracklist |
01:Pig Iron (1:50)
02:Lungs Of Brass And Leather (1:50)
03:February (2:26)
04:Dead Ends (3:47)
05:Seven Coils (4:34)
06:Holy Terror, Hidden Hand (1:55)
07:Sea Wolves (2:16)
08:Droughtbringer (2:56)
09:Tempest (6:25)
10:Of Millstones (2:12)
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