Genesis / Foxtrot
Foxtrot Spielzeit: 51:19
Medium: CD
Label: Virgin Records, 1972
Stil: Classic Prog


Review vom 15.12.2007


Ralf 'Jogi' Ruhenstroth
Schön, dass uns der diesjährige Weihnachtsmonat die Gelegenheit gibt, den alten und unvergessenen musikalischen Perlen zu frönen, die zwar nicht vergessen sind, sondern ganz einfach auf Grund von modernem Arbeitsanfall leider in den Hintergrund rücken müssen. Ich habe mir für diesen Zweck das 1972 erschienene progressive Werk "Foxtrot" von Genesis vorgenommen. Und ich spreche ganz bewusst von einem Werk, nicht von einer losen Aneinanderreihung einzelner Kompositionen und auch nicht von einem inhaltlich miteinander verbundenen Konzeptalbum. Dafür gibt es mehrere Gründe:
Diese Scheibe hat die musikalische Welt nachhaltig verändert. Nicht, dass wir hier von einer Art 'Shooting Stars' sprechen, wie es einst Chuck Berry, Elvis Presley oder die Beatles waren, die eine Euphoriewelle unter den Fans verursachten. Nein, hier sind es ganz andere Aspekte, die in Hinblick auf Anspruch und nachhaltige Beeinflussung späterer Bands im Rampenlicht stehen.
Hört man sich den Eröffnungssong "Watcher Of The Skies" an, dann fallen von Beginn die damals noch ausgefallenen und heute in der progressiven Musik tief verankerten Mellotron-Töne auf. Dazu einen wuchtigen und taktmäßig schwer zu fixierenden Bass-Akzent, so dass schon aus diesem Grunde hier etwas ganz Besonderes vorliegt. Dass sich der Songtitel an den englischen Science Fiction-Autor Arthur C. Clarke (eine seiner Verfilmungen ist das Werk "Odyssee im Weltraum") anlehnt, ist und bleibt für mich nichts anderes als eine Internetrecherche und dass der Mann seit dem Jahr 1988 an Kinderlähmung erkrankt ist und im Rollstuhl sitzt, kann keinen Einfluss auf das Stück gehabt haben. Des Weiteren erleben wir Peter Gabriel in einer für mich ganz starken Verfassung, der auf "Foxtrott" von einfühlsam bis gewaltig so ziemlich alle möglichen gesanglichen Facetten zeigt, die der geneigte Prog-Fan hören möchte. Fast schon hymnenartig werden die Sounds präsentiert, von den Tasten dominiert, ein Wechselspielchen zwischen laut und leise, zwischen Vulkan und einer ruhigen, dennoch Unheil bringenden See. So kommt diese Nummer bei mir an.
Oftmals unterschätzt wird der Folgetrack "Time Table", welcher mit sanften Tönen dahin gleitet, einen Chorgesang bietet, der diese Gruppe als wahre Einheit vermuten lässt. Die Melodien greifen, machen einen süchtig und bilden noch heute die Grundlage für ausufernde und tolle Kompositionen. Spätestens jetzt müsste klar sein, warum "Foxtrot" ein Muss ist, ja das Einmaleins für Freunde dieser Musik darstellt. Ohne diese Scheibe im Schrank geht nichts, so weit lehne ich mich gerne aus dem Fenster hinaus.
In "Get'em Out By Friday" geht es inhaltlich um einen typisch englischen und sarkastischen Ausflug in ein endendes Mietverhältnis. Der Song hat an sich viel Power, zeigt einen glänzend aufspielenden Steve Hackett und einen voller Groove steckenden Phil Collins am Schlagzeug. Nun ja, Genesis machen für mich hier den ersten wirklich gelungenen Ausflug in einen sogenannten Longtrack, wobei dies auf "Foxtrot", wie sich später heraus stellt, noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Aber so viel sei gesagt: Es ist noch heute richtungsweisend, wie viele Ideen hier gekonnt in einem einzigen Stück untergebracht sind, wie hervorragend man einzelne Stimmungswechsel integrieren kann, die natürlich u.a. auch durch die dezenten Flöten von Gabriel eine ganz besondere Note erhalten.
Ein klarer Favorit lautet "Can Utility And The Coastliners", fast schon folkig im Bereich der akustischen Gitarren, unwiderstehliche Tasten von Tony Banks und rasante Bassläufe, und so bleibt im Ergebnis ein Song, der sich zwar erst nach mehrmaligem Hören so richtig entwickelt, dafür aber in der heutigen Zeit als Maßstab für progressive Epen herhalten muss. Und aus dieser Sicht erscheint es mir unheimlich schwierig, ein solches Niveau nochmals zu erreichen. Großes Kino, wie die Gruppe später ja auch auf der Bühne äußerst theatralisch darbot.
Den Höhepunkt dieses Klassikers bildet schließlich das fast 23-minütige "Supper's Ready", eine Nummer der Superlative für sich, bestehend aus sieben einzelnen Parts, eigentlich wahllos aneinander gereiht, wobei sich Genesis meines Erachtens nicht die Mühe gemacht hatten, diese gekonnt miteinander zu verbinden. Viel beeindruckender ist der Gesang von Peter Gabriel, der sich hier sowohl gefühlvoll, steigernd, schmachtend als auch aggressiv ins Zeug legt. Dazwischen wunderschöne, klare Gitarren, Geheimnis umwitterte Backing-Vocals, E-Piano-Läufe, die aus dem Soul stammen könnten, erneute Flöten und Bass-Pedals. Das alles zusammen erscheint mir als die Referenz für progressive Musik, nein, eigentlich für den Rock schlechthin. Das ist die Überschrift über allem, hervorgerufen durch die Musik einer Scheibe, die nach ca. 35 Jahren wenig bis gar keinen Reiz verloren hat und so wirklich in jeden Plattenschrank gehört. Dazu war diese Platte als Wegweiser für Genesis gedacht, deren Zukunft sich leider personell als auch musikalisch anders als erwartet entwickeln sollte. "Foxtrot" ist der Aufhänger, warum man Genesis mit den Großen des Prog, z.B. ELP, King Crimson oder auch Yes in einem Atemzug nennen muss. Es ist symphonisch und setzt da an, wo die Band mit "Nursery Cryme" aus dem Jahr 1971 aufgehört hatte, aber noch nicht so detailliert auf den Punkt kam. Nein, es gibt auf "Foxtrot" keinen Aussetzer und auf Grund der äußerst langen Haltbarkeit volle Punktzahl. Davon gibt es nicht viele Alben, aber dieser Silberling ist wirklich einer für die Ewigkeit!
Line-up:
Peter Gabriel (lead vocals, flutes, tambourines, oboe)
Phil Collins (drums, percussions)
Steve Hackett (guitars)
Tony Banks (organs, mellotrons, pianos, vocals)
Michael Rutherford (bass, bass pedals, guitars, cellos, vocals)
Tracklist
01:Watcher Of The Skies (7:26)
02:Time Table (4:49)
03:Get'em Out By Friday (8:39)
04:Can-Utility And The Coastliners (5:47)
05:Horizons (1:43)
06:Supper's Ready (22:54)
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