Ginger / Seahorse
Seahorse Spielzeit: 49:21
Medium: CD
Label: Eigenproduktion/Talysien Productions, 2011
Stil: Psychedelic-/Jam-/Blues-Rock

Review vom 16.01.2012


Jochen v. Arnim
Eine neue Scheibe von Ginger ist gelandet und hat die Parkposition in meinem CD-Player eingenommen - und da wird sie auch vorerst mal ein wenig bleiben. Das schweizerische Quartett ist ja mittlerweile keine Unbekannte mehr im Reigen derjenigen Bands, die sich mit Jam'n'Blues oder Psychedelic Blues Rock auf dem Parkett bewegen und zudem haben auch die letzte (und erste) Studio-Veröffentlichung und alle bisherigen Live-Alben die Redaktionskollegen Ulli und Joe in Verzückung versetzt. Umso mehr freue ich mich, diesen neuen Silberling hier nun vorstellen zu dürfen.
Vorgewarnt war ich ja zur Genüge und so kamen beim ersten Antesten zumindest genremäßig keine Überraschungen ans Tageslicht. Was mich allerdings wirklich aufhorchen ließ, war bzw. ist die Umsetzung dessen, was sich die Band musikalisch auf die Fahne geschrieben hat. Da sind tolle Arrangements, klasse Gitarrenarbeit und prima Melodien. Viele Stücke könnten noch bis ins Unendliche gezogen werden und man kann sich da ganz bildhaft eine coole Band vorstellen, die auf der Bühne steht und ihren Spaß hat.
Die Scheibe beginnt mit "Yeager", und das ist direkt schon der erste Rocker. Dominiert wird dieser Opener von mächtigen Riffs, die immer wieder durch geschickt eingeflochtene Gitarren-Soli aufgelockert werden. Die Rhythmusfraktion treibt dazu unablässig voran und gerade die Älteren unter uns müssten sich sofort in eine Zeit zurückversetzt fühlen, die gute 40 Jahre her ist. Psychedelisch, blues-rockig gejammt, ganz im Stile der Helden aus grauer Vorzeit. Und genau in gleichem Stil, etwas weniger riff-lastig, kommt auch "The Wheel" daher und das ist schon einer dieser Songs, die man bis ins Unendliche ziehen könnte. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass mit der Gitarrenarbeit, bei der dieses Mal die Soloeinlagen eher das beherrschende Element sind, ein unglaubliches Spektrum an Variationen für Live-Auftritte gegeben ist.
Kommt die Frage nach den möglichen Referenzbands, so drängen sich auch bei diesem Erzeugnis subjektiv zuerst Pink Floyd, Hendrix, Grateful Dead und die Doors auf. Keine Frage, da steckt noch viel mehr drin, aber wir wollen es mal dabei bewenden lassen und mit dem dritten Track "Painful Hours" einige Gänge zurückschalten. 'Nomen est omen' sagt man doch so schön und genauso wirkt der größte Teil dieser langsamen Nummer, aber nur fast. Zwischendurch, kurz bevor die sprichwörtliche Schmerzgrenze erreicht wird, werden wir dann kurzzeitig mit einem kleinen Turbolader aus der Melancholie geweckt und auch gegen Ende kommen dann wieder die Gitarren zum Einsatz und reißen das Ruder herum. Sehr gut umgesetzte Dramaturgie, vom Cello zu Beginn bis hin zu den Sechsaitigen am Schluss.
"200 Horses" macht mit uns einen kleinen Ausflug in die gute alte Pink Floyd-Ära, ist eher eine langsame Ballade mit Hammond-Feeling. "Father" mag einen anfangs ganz extrem an die 'Mud Voice' des Robert Zimmerman erinnern, Michael Bütikofer hat hier auch erstmals einen Einsatz als Trompeter. "I Don't Know" kommt in etwa so daher, als hätte man ein wenig auf einem arabisch-orientalischen Markt gewildert. "No More" nimmt wieder Tempo raus und bringt uns erneut Stephanie Kobza am Cello, gibt dem Ganzen eine nachdenkliche Note. "Wild Bill" erzählt uns die Geschichte eines Mannes, der den Waffenladen seines Vaters geerbt hat und an diesen gebunden ist, bis er aus diesem Leben ausbricht. Bütikofers Gitarrenarbeit ist dabei wieder ganz klasse. Der Titelsong "Seahorse" fließt anfangs zäh und schwer aus den Boxen, bekommt auf einer Spielzeit von über acht Minuten dann aber noch mehr Drive und offenbart sich als tolle Nummer. Der Rausschmeißer "Inside I'm Free" ist als instrumentaler Song etwas anstrengend für Ohren, die sich nicht mit Trompeteneinsätzen aus dem Free-Jazz anfreunden können, hat aber eine coole Grundmelodie aus der Rhythmusabteilung.
Dass die Schweiz nicht nur in monetären Belangen etwas auf dem Kasten hat, ist ja schon lange kein Geheimnis mehr, und die Eidgenossen von Ginger setzen mit diesem musikalischen Produkt ein weiteres eindrückliches Signal. Bleibt nur noch zu hoffen, dass sie ganz bald wieder in unsere Gefilde kommen, damit ich mir die Vier endlich einmal live reinziehen kann - und nicht nur auf die Jamstage beim Burg Herzberg-Festival!
Line-up:
Marc Walser (vocals, guitars, Hammond, percussion)
Michael Bütikofer (guitars, vocals, trumpet)
Ariane Bertogg (bass, Hammond)
Dominik Jucker (drums)
George Vaine (vocals - #5)
Benj Hartwig (Hammond - #4)
Stephanie Kobza (cello - #3, 7)
Tracklist
01:Yeager
02:The Wheel
03:Painful Hours
04:200 Horses
05:Father
06:I Don't Know
07:No More
08:Wild Bill
09:Seahorse
10:Inside I'm Free
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