Ginger / Going Through Arlanda
Going Through Arlanda Spielzeit: 48:21
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2010
Stil: Jam'n'Blues

Review vom 22.09.2010


Joachim 'Joe' Brookes
Rückwärts blicken ist in. Immer häufiger kommen der Redaktion Platten von Bands auf den Schreibtisch, die sich dem Blues Rock mit einer psychedelischen Variante verschreiben. Da könnte man die aus der Schweiz stammende Gruppe bei RockTimes ja fast schon als alte Bekannte bezeichnen. Auf dem Sampler Trip In Time Vol 3 habe ich mich als weiterer Fan in die bestimmt lange Ginger-Liste eingetragen und nun ist es eine wahre Freude, über deren aktuelles Werk "Going Through Arlanda" zu schreiben. Ulli hatte ja schon dreimal das Vergnügen über die Alben
The Misty Glapf Sessions, Live At Shake-A-Gogo sowie Live … zu berichten.
Auf geniale Weise wird der Hörer im Opener "T-10" zu einem längeren Song-Trip eingeladen. Über lockeren Gitarrenklängen werden uns gesprochene Szenen vor einem Raketenstart geliefert. Dann der Countdown und »lift-off«. Nach guten eineinhalb Minuten setzt sich das Ginger-Raumschiff mit einem Bilderbuchstart in Bewegung und die Richtung dürfte jedem Anhänger der psychedelischen Ausgabe des Blues Rocks klar sein. Es geht nach oben, weit nach oben. Die Steuerknüppel bedienen zunächst die Gitarristen Micha Bütikofer sowie Marc Walser. Für den permanenten Schub nach vorne haben Bassistin Arie Bertogg und Drummer Dominic Jucker (neu in der Mannschaft) alle Kontrolllämpchen im Blick. Mit rasanter Gitarrenarbeit geht es runde drei Minuten durch die Erdatmosphäre. Der Eintritt in den Weltraum und die Schwerelosigkeit wird durch wenige, einsame Gitarrenriffs dargestellt. Ein Sechssaiter nimmt sich die Freiheit, ein Thema in feinsten Modifikationen zu servieren. Richtig wohlig wird dem Hörer im Ginger-Space. Die Gitarren spielen melodiös in ihren Orbits, die zeitweise auch eine identische Strecke beinhalten. Obwohl die Aussicht durch die kleinen Kapselfenster beschränkt zu sein scheint, öffnet Michas Trompete den Blick für die grenzenlose Weite der Schwerelosigkeit. Wow, welch ein Arrangement. Dieser Blechbläsereinsatz sorgt für eine ganz andere Atmosphäre. Auf der Erde sorgt der starke Elektromagnet des Blues Rock für Bodenhaftung, doch Walser ist nach jazzigen Gefühlen zumute. Wie die ersten Minuten, wird die letzte wieder durch Gesang verfeinert. Weil wir gerade bei 'verfeinern' sind: Für den abschließenden Teil des elfminütigen "T-10"-Monsters wird die akustische Gitarre geschultert. Oh Mann, welch ein überragender Einstieg!
Wir sind wieder zurück auf dem blauen Planeten. Die Akustische ist das verbindende Instrument zum zweiten Titel namens "Who Are You". Ganz toll der Gesang und nach einer sehr sauerstoffhaltigen Eröffnung macht die E-Gitarre dem Chorgesang einen deutlich lauten Strich durch die Rechnung. Bei dem Lied will ich die Band auf der Bühne sehen. Warum? Weil ich wissen möchte, ob der Gitarrist bei den ersten Riffs die Windmühle eingebaut hat. Zum Titel "Who Are You" passt das ja, wie die Faust aufs Auge. Ja, und der Track hat dann keine Ähnlichkeit mehr mit The Who, außer dass auch Gingers geradliniger Rock-Punch Wirkung zeigt. Wo andere Bands das Ende ihrer Fahnenstange erreicht haben, beginnt bei den Schweizern "Rosie's". Mit Gitarrenzauberwerk wird der Blues Rock mit einer frechen Selbstverständlichkeit gespielt.
"Crosstown Bar Blues": Der 12-Takter als Entdeckung der Langsamkeit. Zumindest, was den Beginn angeht. Eine ganz beseelte Gitarrenfahrt in seichten Gewässern und dann Gesang sowie weiterer Sechssaiter-Genuss schließen sich an. Unterlegt wird das Szenario mit Zeitlupenrhythmik. Bertogg zupft einen wunderschön melodischen Bass und dieser Track darf einfach keine Sekunde kürzer sein. Abermals färbt Bütikofer das Tuch des Blues mit anderen Tönungen, wenn vor dem furiosen Ende seine Trompete erklingt.
Welches Selbstverständnis Ginger vom Rock'n'Roll hat zeigt "Drive Baby" ... zumindest in der ersten Minute. Dann wird es ... genau, abermals schön psychedelisch. Hier, wie auch schon an vielen anderen Stellen der CD passt die Stilbeschreibung Jam'n'Blues perfekt.
Gingers "Going Through Arlanda" (von Eroc gemastert) ist mit dem ersten Hördurchgang zu einem meiner Lieblinge des gejammten Blues Rock geworden. Was fehlt ist ein Live-Erlebnis. Diese Platte hat genau die Ausgewogenheit zwischen erdigem Blues und diesem Stil an der langen Leine, wie ich ihn mir wünsche. Volltreffer und dicke Empfehlung.
Line-up:
Micha Bütikofer (vocals, guitar, trumpet)
Marc Walser (guitar, vocals)
Arie Bertogg (bass)
Dominik Jucker (percussion)
Tracklist
01:T-10 (11:03)
02:Who Are You (4:21)
03:Flesh And Skin (9:31)
04:Raja (5:04)
05:Crosstown Bar Blues (9:01)
06:Rosie's (3:14)
07:Drive Baby (6:07)
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