The Grand Sheep / Same
Same Spielzeit: 53:58
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2015
Stil: Prog Rock


Review vom 01.09.2015


Boris Theobald
'Stattliche Schafe'? Wer nennt seine Band denn The Grand Sheep? Wenn das der Name eines Tracks auf der CD wäre, dann dürfte man viel Geld darauf setzen, dass es sich um einen Instrumentaltitel handelt. Und wenn es der Name einer Band ist, dann handelt es sich bestimmt nicht um Stromschwimmer, um Nullachtfünfzehnkünstler, um Einfaltsmusikanten. Und tatsächlich: Bei dem 54 Minuten langen musikalischen Trip durch das Debütwerk der vier Jungs aus Aschaffenburg sammelt der Hörer allerhand exklusive Eindrücke, die hängen bleiben. Es sind derlei Eindrücke, die weniger in der Denkzentrale analysiert werden, sondern viel mehr im Gefühlszentrum angeliefert werden und sich dort so richtig nachhaltig breit machen. Das gigantische Plus der 2013 gegründeten The Grand Sheep: Sie lösen nicht sofort Vergleichsreflexe aus. Sie klingen wie sie selbst, ohne die erkennbaren Fesseln des Sein-Wollens-Wie ...
Entsprechend 'entfesselt' sind die Stücke des Albums angelegt. Da entwickeln sich epische Strukturen aus simpel angelegten Riffs. Da münden wehmütig wirkende Laid-Back-Strophen in kraftstrotzend-extrovertierte Refrains. Da fühlen sich fünfeinhalb bis neun Minuten Musikportionen wie natürlich gewachsene Einheiten an, die man - trotz geschickt bis intuitiv wiederkehrender Passagen - keinesfalls in Einzelsegmente untergliedern kann, sondern als Ganzes erleben will. Die Chorusse sind klasse, gehören aber unbedingt in ihre musikalische Landschaft eingebettet. 'Landschaft', 'münden', 'gewachsen' - dieses Natur-Vokabular hat sich hier fast von selbst eingeschlichen, denn die Songs von The Grand Sheep leben, pulsieren, blähen sich wütend auf und atmen dann wieder sanft durch. Sie zeigen Charakter.
Bei geschlossenen Augen wirkt diese Musik wie der Soundtrack einer Landschaft. Mal sind Musik und Landschaft melancholisch-idyllisch, aber prachtvoll und ein bisschen verwunschen wie zu Beginn von "Hovering Through Silence" - ein andermal felsig, roh und zerklüftet, aber überwältigend und faszinierend wie in "Something Different" mit seinen jäh abbrechenden, schweren Riffs. Mit etwas Fantasie zeichnet "From The Roof Into The Drain" mit seinem mysteriös-spannenden Drive und leicht orientalischem Touch das Bild eines Kraft zehrenden Treks durch eine karge morgenländische Wüstenlandschaft - ein kurzer, ächzender Doom-Part inklusive. Und wie gekonnt The Grand Sheep die Spannung immer wieder lösen - nicht nur innerhalb der einzelnen Songs, sondern auch mal mit einer ganzen Komposition wie "Shiny Teeth". Hier wird der Hörer mit einer ultralässigen Trance beschwipst und hypnotisiert.
The Grand Sheep haben eine psychedelische Komponente, ganz ohne die Spannung zu verlieren. Und sie ziehen quasi aus dem Nichts monumentale Klangwände hoch, ohne zu overplayen. Bemerkenswert, wie einfühlsam Rhythmussektion, die unheimlich vielseitig agierenden Gitarren und der Gesang miteinander gekoppelt zu sein scheinen und alle Aufs und Abs von Lautstärke, Aufgeregtheit und Anspannung gemeinsam gehen. Der brillant abgestimmte Einsatz der Keyboards tut sein Übriges zur Unterstützung der bannkräftigen Atmosphären. Diverse Klaviereinsprengesel und fein justierte Streicher sind ein wichtiger, aber fast unterschwellig wahrzunehmender Bestandteil der intuitiven An- und Entspannung, die den Stücken von The Grand Sheep ihre Form geben. Hinzu kommen Besonderheiten wie die markanten Tiefst-Streicher in "Signals" oder die Orgel samt famosem Outro-Solo in "Shiny Teeth".
Ein Phänomen ist die Stimme Florians. Er ist sicherlich kein technisch hervorragender Sänger, singt sogar nicht immer hundert Prozent 'richtig'. Aber genauso wenig wie die Wirkung von The Grand Sheep insgesamt rational zu erklären ist, genauso wenig ist es die Anziehungskraft seiner Vocals, deren besondere Note in Sachen Stimme und Gesangsstil ganz wesentlich zur Einzigartigkeit dieser Gruppe beiträgt. Unheimlich ausdrucksstark und offensiv klingt das, oft klagend und mit einer immensen Intensität, als ob er was rauszuschreien hätte. Man fühlt sich aber nie angeschrien, sondern mitgerissen. Besonders eindringlich ist das bei "Something Different" zu erleben. Augen zu und mitverfolgen - und man fühlt sich regelrecht 'außer Atem', so sehr lebt man die Emotionen mit.
Es ist klasse, wenn Musik einen schlichtweg packt und wenig Ansätze zum Analysieren gibt, quasi 'unerklärlich' bleibt. Ich bleibe dabei, The Grand Sheep nicht mit anderen Bands vergleichen zu wollen. Einflüsse mag man raushören und sie liegen wohl vor allem im anspruchsvollen klassischen Rock der 70er, als die großen Köpfe der Zunft findig und erfinderisch, episch, extravagant und expressiv wurden. Damals mögen Drogen dazu nötig gewesen sein. The Grand Sheep haben eine ähnlich berauschende Wirkung allein mit ihrer Musik. The Grand Sheep sind aber nicht retro, sondern absolut zeitlos, und jeder ihrer Songs ist ein Kunstwerk des Prog Rocks, Alternative Rocks ... was auch immer. Diese Band live zu hören, könnte ein Erlebnis sein. Und das Highlight "Drag Behind The Diamond": welch ein geniales bluesiges Riffing, welch packende Zuspitzungen und verträumt-schön melancholische Breaks - was für ein Erlebnis!
Line-up:
Falk (guitar)
Chris (drums)
Alex (bass)
Florian (keyboards, vocals)
Tracklist
01:Rise My Darkness (6:36)
02:Something Different (5:47)
03:Drag Behind The Diamond (6:13)
04:Shiny Teeth (5:38)
05:Rise To Shine (9:01)
06:Signals (6:51)
07:From The Roof Into The Drain (5:49)
08:Hovering Through Silence (8:03)
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