Folk & More war auf Roepaen angesagt.
Die aus New York stammende Sharon Van Etten begleitete die kanadischen Senkrechtstarter Great Lake Swimmers ( GLS) als Support auf ihrer Europatournee.
Wie bereits bekannt, verfügt das Roepaen über mehrere Möglichkeiten, Konzerte zu präsentieren. Nicht nur wegen der sehr großen Karten-Nachfrage fand der Gig in der Kapelle statt.
Genau das richtige Ambiente für die Musik der alleine auftretenden Van Etten und der fünfköpfigen Band aus Toronto.
Die Veranstaltung begann ein klein wenig später, weil die Musiker auf dem Weg von Schorndorf nach Ottersum im Stau standen. Bei einer zusätzlichen Wartezeit von nur zehn Minuten gab es auch keine Unmutsäußerungen in Form von Pfiffen.
Sharon Van Etten kam auf die Bühne, schulterte ihre halbakustische Gitarre und säuselte ein zurückhaltendes »Hello« ins Mikrofon.
Ganze 35 Minuten hatte sie die Gelegenheit, das fachkundige Publikum von ihren folkloristischen Singer/Songwriter-Künsten zu überzeugen.
Größtenteils zupfte sie die Saiten ihres Arbeitsgerätes und schnell wurde klar, dass es die Zuschauer mit einer äußerst zurückhaltenden, ja fast schüchternen Protagonistin zu tun hatten. Kompostionen, die auf ihrer MySpace-Seite mit Begleitung einen anderen Eindruck hinterließen, machten den ersten Teil des Abends zu einer Beichte in Moll.
Mein Gott, kann die Van Etten über ihren Gesang Gefühle äußern.
Unbestritten punktete sie mit ihrer sehr gute Stimme, die sie in ungeahnte Höhen treiben konnte. Die Gitarren-Spielereien waren etwas einförmig. Diese junge Frau, alleine auf einer recht großen Bühne wirkte dort zeitweise wie verloren.
Das Publikum belohnte die Songs mit freundlichem, aber nicht fordendem Beifall.
Van Etten las sozusagen die Andacht für das noch folgende Hochamt.
Solo ergehen sich die von den Texten her intensiven Kompositionen in einer gewissen Einförmigkeit. Erst nachdem sie, in ihrer Gesäßtasche fingernd, ein Plektrum hervorholte und auf ihrer feuerroten Gitarre Rhythmus spielte, kam ein wenig mehr Bewegung in die Songs. Das hätte sie vielleicht eher machen sollen.
Wie dem auch sei, Sharon Van Etten beendete ihren Auftritt mit einem Instrumentenwechsel. Für die letzte Nummer wechselte sie zum Flügel und hier war die Begleitung für ihre tolle Stimme eher dezent.
Sharon Van Ettens Performance war schon etwas sehr Spezielles, Apartes, Zerbrechliches.
Bereits in der Ankündigung wurde darauf hingewiesen, dass es zwischen den beiden Auftritten eine halbe Stunde Pause geben würde. Die verging wie im Flug und es gab auch keine Umbauarbeiten auf der Bühne.
Für die Aufnahmen zu ihrem aktuellen Album "Lost Channels" begaben sich die Great Lake Swimmers auf die Reise zu den Thousand Islands und verewigten die Songs unter anderem in einer Burg als auch Kirche.
Da passte es selbstredend vortrefflich, nicht nur die neuen Nummern in der Kapelle auf Roepaen zu spielen.
Zunächst eröffneten Julie Fader, ihres Zeichens Sängerin, Pianistin sowie Querflötistin und Tony Dekker den Gig.
Fast jeder Song war ein Statement gegenüber einer ungerechten Welt.
Nach dem Duo-Beginn, Faders Stimme passte so herrlich zu Dekkers nasalem Tenor, gesellten sich die weiteren Herren Musiker dazu.
Von Kontrabass, Banjo beziehungweise E-Gitarre als auch Drums begleitet, brachte man Songs aus den bisherigen Alben zu Gehör. Der Drummer Greg Millson benutze Paukenschlägel, Jazzbesen und eher selten die Drumsticks. Erstaunlich war die Tatsache, dass er die Trommelfelle teilweise mit Handtüchern bedeckte, was seinem Spiel eine gewissen Sanftheit verlieh.
Dekker war unzweifelhaft der Hohepriester des Abends. Er hatte die unsichtbaren Regiefäden der Veranstaltung in der Hand.
Die Great Lake Swimmers sind hervorragende Musiker und jedes Lied war nicht nur Balsam für die Seele der Künstler. Es waren Liebeserklärungen, die in unserer hektischen Welt fast keinen Platz mehr finden. Man kreierte tonale Landschaften in Pastelltönen.
GLS schwammen mit den ergreifenden Texten eines Tony Dekkers gegen den gesellschaftlichen Mainstream.
Der Band-Vorsteher bekundete bei der Ankündigung eines Songs, dass Liebe auch Krieg sein kann. Um Himmels willen, diese Äußerung ging mir verdammt quer runter. Mit einer solchen Parallelisiererei hatte ich nichts am Hut. Das Liedgut dazu war vortrefflich.
Tony Dekker ist ein hervorragender Songwriter. Alle Stücke wurden von ihm geschrieben.
Nur eine Kleinigkeit am Rande, allerdings erwähnenswert.
Dekker gab sich den Touch eines Egoisten.
Wie oft er von »my first record…, my second record…« oder »my last record…« sprach, verursacht in mir ein gellend lautes innerliches Pfeikonzert. Dekker, auch wenn du die Fäden in der Hand gehalten hast… das hatten die anderen Musiker nicht verdient. Alles klasse Leute und schließlich waren die Anwesenden bei einem Great Lake Swimmers- und nicht Tony Dekker &…-Konzert.
Die Band bot hervorragende Kost und der Weihrauch des Abends waren unter anderem "Where In The World Are You Now", "Everything Is Moving So Fast" und "Pulling On A Line".
Wie sehr Herr Dekker auch das Publikum in der Hand hatte, verdeutlichte seine Anweisung an selbiges, bei einem Song doch mitzuklatschen. OK, wurde gemacht und auch nur für diesen Track.
Die Band verdeutlichte, dass es immer noch tolle Vertreter aus dem Genre Folk gibt. Sehr hörenswerte Musik der ruhigeren Art.
Protest und Poesie gaben sich die Klinke in die Hand, die Great Lake Swimmers legten ein tolles Konzert hin und wenn Dekker von »a couple of songs« sprach, meinte er immer ein Paar.
So war es zum Ende des Gigs nach einer guten Stunde um 22:50 Uhr und bei den beiden Zugaben ebenfalls.
Man spielte geradezu befreit auf. Die E-Gitarre war etwas lauter und man zupfte eines der wenigen Soli.
Groß war die Freude der Anwesenden, als Neil Youngs "Harvest" intoniert wurde. Für die erste Zugabe sang Sharon Van Etten mit.
Die Zweite war, vielleicht bezeichnend, einzig und alleine Dekkers Ding.
Die Great Lake Swimmers sorgten für einen der schönen Momente der Woche. Das Konzert war klasse!
Wir bedanken uns bei Chris Tangelder vom Cultureel Podium Roepaen für die problemlose Akkreditierung.
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