Kevin Godley:
Wir hatten damals nicht die völlige Kontrolle
über die aus uns heraussprudelnde Musik
Rocktimes Interview Kevin Godley, eine Hälfte des aus der Erfolgsband 10cc hervorgegangenen Duos Godley & Creme, machte sich nicht nur einen Namen als Komponist und Drummer, sondern auch als Regisseur von Video-Clips.
RockTimes konnte dem Musiker Fragen zur Vergangenheit und weiteren Zukunft stellen und erhielt aussagekräftige Antworten.



Artikel vom 12.02.2007


Joachim 'Joe' Brookes
RockTimes: Es gibt ein ganzes Bündel von 10cc Best Of-Alben. Gab es einen besonderen Grund ein weiteres mit dem Titel "Greatest Hits & More" zu veröffentlichen?
Kevin: Wie bei fast allen Best Of-Alben war es eine Idee des Labels. Sie meinten, dass es ein angemessener Zeitpunkt für eine neue Ausgabe ist, weil einige aktuelle Bands 10cc als Einfluss angaben.
Geschieht wohl alle paar Jahre, meistens von Bands, die es nicht mehr gibt. Das Album spiegelt ein wenig unseren Stammbaum, wodurch es über der Norm liegt.
RockTimes: Allerdings enthält es brandneue Songs, die von Graham Gouldman und dir geschrieben wurden. Nachdem du mit Lol Creme gearbeitet hast, wie kam es zu einer erneuten Zusammenarbeit mit Graham?
Kevin: In aller Kürze: unvollendete Sachen. In letzter Zeit wuchs in mir das Bedürfnis, wieder Musik zu machen. Die Godley & Creme-Partnerschaft war vor Jahren ausgebrannt und ich wollte keine Zeit damit verschwenden, neue Kollaborateue zu finden. Graham und ich haben während der 10cc-Zeit vielleicht 3 Songs geschrieben.
Also dachten wir, es wäre interessant herauszufinden, was wir nach so langer Zeit zustande bringen. Bis jetzt war es echt produktiv. Langsam, aber produktiv. Die Stimmungen sind finsterer, die Themen mehr erwachsen. Aber so sind wir jetzt und so ist die Welt.
RockTimes: Ist der Song "Son Of Man" eine Art retrospektiver Track mit Blick auf 10cc?
Kevin: Ja, aber er geht noch weiter zurück. Er handelt mehr von der Übergangszeit zwischen Hotlegs und 10cc, als wir jung waren, Session-Musiker, die sich und die anderen Bandmitglieder entdeckten und ausloteten, zu was wir als Team fähig waren.
"Son Of Man" ist ein primitiver Nachfolger von "Neanderthal Man" und verkörpert, wie sich eine Band in eine andere entwickelt.
RockTimes: "Hooligan Crane" ist nicht auf dem Album und hat einen sehr ernsten Hintergrund. Ist das richtig?
Kevin: Ja genau, es ist ein Revanche-Song über Mobbing. Er ist fiktional, nimmt aber in Anspruch, Aspekte meiner eigenen Erfahrungen während meiner Schulzeit zu beinhalten. Ich wollte diese Hilflosigkeit und den Schrecken in einen Song hineinbringen und sicherstellen, dass Mobbing, in voller Kenntnis seiner Ordnungswidrigkeit, tot ist. Es war verdammt befreiend, den Song zu singen
RockTimes: Welches Album war aus deiner Sicht der kreative Höhepunkt von 10cc? Ist dieses Album auch dein persönlicher Favorit?
Kevin: Mein Favorit ist "Sheet Music". Wir hatten damals nicht die völlige Kontrolle über die aus uns heraussprudelnde Musik. Sie strömte einfach nur heraus und wir versuchten erst gar nicht, sie zu verstehen oder quantitativ zu bestimmen. Wir haben sie einfach aufgenommen… schnell. Es gab wegen ihrer Ungezwungenheit eine Euphorie und einen Nervenkitzel bei der Sammlung von Songs. Wir waren total offen. Wir waren uns keiner Regeln bewusst, also gab es auch keine, gegen die wir verstoßen konnten. Diese Arglosigkeit baute sich schrittweise ab und wandelte sich, als wir dann gelernt hatten, die Kontrolle über das zu haben, was wir machten, in ein Bewusstsein von Kultiviertheit. Die naiven Zeiten, bevor du das 'Was' und 'Warum' kennst, sind immer die kreativsten.
RockTimes: Bei 10cc gab es unterschiedliche Kombinationen von Songschreibern. Wie hat das funktioniert?
Kevin: Das hat nicht immer funktioniert, aber meistens. Wir alle wollten unseren musikalischen Höhepunkt auf allen möglichen Wegen erreichen und experimentierten mit Mischformen. Manchmal war es heikel, manchmal langsam, manchmal irritierend, aber die Arbeit wurde erledigt. Mehr als alles andere war es so, wie aus einer gewissen Sicherheit heraus zu sehen, was weiter geschehen könnte.
RockTimes: Während der Zusammenarbeit mit Lol Creme startete auch deine Video-Karriere mit vielen Musikern und auch durch Werbung für Unternehmen. Würdest du unseren Lesern erzählen, wie es damit anfing?
Kevin: Vor langer Zeit veröffentlichten Godley & Creme eine Single mit dem Titel "An Englishman In New York". Wir hatten einige Ideen für ein Video zur Single und zeigten dem Label verschiedene Ablaufpläne dazu. Sie sagten uns, dass wir den Film machen könnten, allerdings nur mit einem erfahrenen Regisseur am Ruder. Während der Aufnahmen gelangten wir immer mehr in den Prozess der Regiearbeit und übernahmen irgendwann die Dinge.
Die Erfahrungen waren eine Offenbarung und legten den Grundstein für eine Vorliebe für bildliche Umsetzungen von Musik, die für einige Jahre andauerte. Es war auch ähnlich wie Musik machen. Unendliche Möglichkeiten, die uns Hoffnung gaben.
Das waren neue Künste und nach den Kritiken und dem kommerziellen Fehlschlag des Albums "Consequences", gab es neue Fertigkeiten zu erkunden.
Kurz nach der Veröffentlichung von "An Englishman…" wurden wir von einem Freund, Steve Strange von Visage, der beim selben Label wie wir unter Vertrag war, gefragt, einen Clip für ihn zu machen. Wir bekamen eine fürstliche Summe von £ 5.000. Wir schauten nie zurück.
RockTimes: 1975 entwickelten Lol und du das Gizmo, einen Apparat für die elektrische Gitarre, das eine zentrale Stellung beim ersten Godley & Creme-Album "Consequences" (und den folgenden) hatte. Welchen Zweck hat es und wie funktioniert ein Gizmo?
Kevin: Das Gizmo wurde entworfen, um eine musikalische Lücke zu schließen. Tatsächlich wurde es entwickelt, bevor 10cc existierte.
Wenn die Musik damals wie ein Orchester klingen sollte, gab es zwei Möglichkeiten: 1. das Mellotron, 2. echte Streicher.
Im Wesentlichen war das Mellotron ein Keyboard mit orchestralen Bandschleifen und deutlich wenig auflösendem Sound. Streicher waren kostspielig und zeitraubend. Wir wollten Dinge spielen, so wie wir sie uns vorstellten, mit einem einzigartigen Sound.
Unser erster Anlauf war dann ein elektrischer Bohrer, an dessen Ende ein Radiergummi befestigt wurde. Das hielten wir an Lols Strat. Weil es irgendwie funktionierte, arbeiteten wir dann mit der technischen Abteilung der Universität Manchester zusammen, um einen Prototypen zu entwickeln. Der an der Gitarre geschnürte Prototyp wurde auf allen 10cc-Aufnahmen benutzt und anschließend auf "Consequences". Durch eine Reihe von batteriebetriebenen, rotierenden Rädchen, über jeder Saite angebracht, wurden diese durch Zupfen oder Streichen in Schwingungen versetzt. Unglücklicherweise war es sehr instabil. 30% der Zeit klang es wie die süßesten Violinen und Cellos. 70% der Zeit wie eine Kreissäge.
Goodbye Blue Sky RockTimes: In "Goodbye Blue Sky" (1988) wird ein anderes Instrument in den Vordergrund gestellt: Die Harmonika, gespielt von Mark Feltham und Mitt Gamon. Wie kam es zu dieser Idee?
Kevin: Wir wollten Musik in einem einheitlichen Sound machen. Bei Allem, was wir vorher für das Album machten, gingen wir jeden Track unterschiedlich an. Dann dachten wir, dass die Harmonika die Bandbreite und den Raum hatte, um der Musik eine ungewöhnliche und gefühlvolle Stimmung zu geben. Es war hochinteressant herauszufinden, wie weit wir die Musik damit bringen konnten. Ich mag das Album immer noch.
RockTimes: Jetzt hast du neue Songs im Internet veröffentlicht. Steht ein komplett neues Album an?
Kevin: Wir gehen in diese Richtung. Nur noch sieben Songs bis dahin.
Ob wir es auch als Album verfügbar machen oder nur als Downloads, ist offen. Derzeit fügen wir einfach neue Tracks auf der GG/06-Seite hinzu. Für Nichteingeweihte: gg06.co.com. Ich bin echt stolz auf diese Songs. Wir lernen wieder einmal, völlig frei zu sein.
RockTimes: Welche Musik hörst du zu Hause oder im Auto? Gibt es fünf Inselplatten?
Kevin: Tom Waits, Gershwin, Madelaine Peroux, Bowie, Talking Heads, Motown, Danny Kaye. Alles mögliche. Unmöglich 5 Inselplatten zu nennen, aber "God Only Knows" und "Fame" von Bowie und John Lennon sind zwei von ihnen.
RockTimes: Darf ich fragen, ob es eine Reunion von 10cc gibt?
Kevin: Von der Original-Band? Höchst unwahrscheinlich. Wenngleich Graham im Begriff ist, mit der Mark 2-Besetzung von 10cc auf Tour zu gehen.
RockTimes: Vielen Dank für das Beantworten der Fragen.
Kevin: Mit Vergnügen. Danke dafür, dass du sie gestellt hast
Wir danken William James von Glass Onyon PR, die uns das Gespräch mit Kevin ermöglicht hat.
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RockTimes: There is a whole bunch of 10cc best of-albums. Was there a special reason for releasing another one titled "Greatest Hits & More"?
Kevin: Like most best - ofs it's a label idea. They felt, as some current bands were name checking 10cc as an influence, it was an appropriate time to repackage. Seems to happen every few years, mostly for bands that no longer exist. Bit of a family tree vibe about this one though, which kind of lifts it above the norm. That's why we were interested to contribute.
RockTimes: However, there are some brand-new songs on it that you and Graham Gouldman wrote. After having worked together with Lol Crème how did you and Graham get to work together again?
Kevin: In a nutshell, unfinished business. I recently felt the need to make music again. The Godley / Crème partnership burned out years ago and I didn't want to waste time finding new collaborators. Graham and I wrote maybe 3 songs during our tenure in 10cc so we both felt it would be interesting to see what we could do together after so long. So far it's been really productive. Slow but productive. The moods are darker the subject matter more adult but that's who we are now and that's how the world is.
RockTimes: Is the song "Son Of Man" a kind of retrospective track looking at 10cc?
Kevin: Yes, but it goes back further. It's more about the transitional period from Hotlegs to 10cc when we were young, green session players / producers discovering ourselves and each other and what we were capable of as a team.
"Son Of Man" is the primitive offspring of "Neanderthal Man" and represents one band evolving into the next.
RockTimes: Not on the album "Hooligan Crane" has a very serious background. Is that right?
Kevin: Yes, it's a revenge song about bullying. It's fictional but draws on aspects of my own experiences when I was a kid at school. I wanted to bring that helplessness and terror into a song and make sure the bully died fully aware of his misdemeanours. It was pretty cathartic to sing.
RockTimes: What album was the creative peak of 10cc from your point of view? Is that album also your personal favourite?
Kevin: My favourite is "Sheet Music". We weren't totally in control of all the music bubbling up back then. It was just pouring out and we didn't attempt to understand or quantify it. We just got it down on tape...quickly.
There's a euphoria and thrill about that collection of songs because of their freedom. We were totally open. We weren't aware of any rules so there were none to break. That innocence gradually dissipated into a kind of knowing sophistication once we learned to control what we could do. The innocent times before you know the what and the why are always the most creative.
RockTimes: 10cc had different combinations of song writers. How did that work?
Kevin: It didn't always work although mostly it did. We were all after hitting our peak in as many ways as possible and were experimenting with hybrids. Sometimes it was awkward, sometimes slow, sometimes irritating but the work got done. More than anything it was about stepping outside the comfort zone to see what else could happen.
RockTimes: Working with Lol Crème you started your video career with a lot of musicians and also commercials form companies. Could you please tell our readers how that started?
Kevin: Godley and Creme had a single released called "An Englishman In New York" way back. We had some video ideas for it and showed storyboards to the label. They said 'okay you can make the film but only with an experienced director at the helm'. During the making of the video we got more into the process of directing than performing and kind of took over the shoot and edit.
The experience was a revelation and reignited a love for visuals that had lain dormant for a number of years. It was similar to making music, too. Endless possibilities. It also gave us HOPE. Here were new arts and skills to explore after the relative critical and commercial failure of "Consequences".
Shortly after "Englishman" was released we were asked by a friend of ours, Steve Strange of Visage, who had recently signed to the same label, to direct a clip for him. We had the princely sum of £5,000. We never looked back.
RockTimes: Back in 1975 Lol and you invented the Gizmo, a device for electric guitar that was central part of the first Godley & Creme-album "Consequences" (and following albums of course). What was the purpose and how does the Gizmo work?
Kevin: The GIZMO was designed to fill a musical gap. It was, in fact, conceived before 10cc existed. If one wanted the sound of an orchestra, back then, there were 2 possibilities. 1) A Mellotron 2) A real string section.
A mellotron was essentially a keyboard driven selection of orchestral tape loops with a very distinct low-res sound. A string section was costly and time consuming. We wanted to play things as we thought of them with a sound that was unique.
Our first attempt was an electric drill with an eraser taped to one end held against Lol's Strat. It kind of worked so we spent time with the engineering dept of Manchester University to develop a working prototype. This lash up prototype was used on all 10cc recordings and subsequently "Consequences".
It works by plucking / stroking the strings with a series of battery driven rotating wheels mounted above each of the strings. Unfortunately it was very unstable. 30% of the time it sounded like the sweetest violins and cellos. 70% of the time like chainsaws.
RockTimes: "Goodbye Blue Sky" (1988) features another instrument: The harmonica played by Mark Feltham and Mitt Gamon. What was the background to that idea?
Kevin: We wanted to make music with a unified sound. Everything we'd done prior to this album approached each track differently. We thought the harmonica had a breadth and range that could give the music an unusual soulful property. It was exciting to explore how far we could take it. I still really like the album.
RockTimes: Now you've released new songs through the internet are there thoughts of making a complete new album?
Kevin: We're heading in that direction. Only another 7 to go. Whether we'll make it available on CD as well as downloads is open to suggestion. Currently we simply add to the GG/06 site as we complete a track. That's gg06.co.uk for the uninitiated. I'm really proud of these songs. We're learning to be free all over again.
RockTimes: What music do you listen to at home or in the car and what are your 5 all time favourites?
Kevin: Tom Waits, Gershwin, Madelaine Peroux, Bowie, Talking Heads, Motown, Danny Kaye. All kinds of stuff. Impossible to pick 5 favourites but "God Only Knows" and "Fame" by Bowie and John Lennon will be 2 of them.
RockTimes: Is it fair to ask, if there will be a reunion of 10cc?
Kevin: Of the original band? Highly unlikely. Although Graham is about to tour the legacy with members of 10cc mark 2.
RockTimes: Thank you again for taking your time to answer the questions.
Kevin: My pleasure. Thank you for asking them.
Thanks to William James from 'Glass Onyon PR' for arranging this interview.
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