Sascha Gutzeit / Unten Am Depot
Unten am Depot Spielzeit: 56:22
Medium: CD
Label: Meteor, 2005
Stil: Singer/Songwriter

Review vom 07.01.2007


Joachim 'Joe' Brookes
Sollte man doch nicht meinen, dass Eckdaten wie klassischer Klavierunterricht, Opernballettausbildung, Musical- und Schauspiel-Unterricht in Amerika und Schreiben von Kurzgeschichten in eine CD wie "Unten Am Depot" münden.
Was sich in Sascha Gutzeits Biografie so nüchtern, fast wie Daten für eine Bewerbung, liest, ist das eine.
Das andere ist das Fass der Lebenserfahrung, das sich auf Schritt und Tritt mal tropfenweise, mal wie aus dem Duschkopf strömend, füllt.
Kennen wir ja, die alltäglichen, lustigen, traurigen, kleinen oder auch großen Geschehnisse, die man der Ehefrau, dem Lebensabschnittspartner, Eltern, Freunden oder Bekannten erzählt oder zusammen mit Leuten erlebt.
Aus dieser Perspektive sind wir alle ein Sascha Gutzeit.
Der feine aber große Unterschied liegt darin, dass Gutzeit ein verdammt gutes Händchen dafür hat, diese Begebenheiten in superbe Songs mit fantasievollen, kernigen oder auch besinnlichen Texten umzusetzen. Er realisiert seine geschriebenen Zeilen mit einer vielleicht gewöhnungsbedürftigen Stimme und singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Nicht nur durch den einen oder anderen derben Ausdruck an der richtigen Stelle, sondern auch 'dat' und 'wat' passen zu ihm.
Obendrein ist Sascha Gutzeit für die Aufnahmen zur CD nicht 'einfach' in ein Studio gegangen, sondern hat das Straßenbahn-Museum in Wuppertal-Kohlfurth kontaktiert und den größten Teil des Albums im Triebwagen 105, der eben dort steht, aufgenommen.
So hat "Unten Am Depot" eine ganz besondere, sehr intime Atmosphäre.
Der Titeltrack handelt nun nicht unbedingt vom Triebwagen 105 sondern von dem Depot, denn das dient in dem Song als Treffpunkt zum Träumen »...und dann lassen wir einfach los.»
Nicht das irgendjemand meint, die Nummer "Pink Floyd", von ihm während eines Spaziergangs an der Mosel geschrieben, hat musikalisch etwas mit der gleichnamigen Band zu tun. Nein, Gutzeit verbalisiert seine herbstlichen Eindrücke und singt:
»...du bist der beste Teil von mir und wie in dem Song von Pink Floyd wünscht' ich, du wärst hier...«.
Hörbar fließen bluesige Elemente in den Song ein, besonders durch das feinfühlige Gitarrensolo verdeutlicht.
Wie durch ein Weitwinkelobjektiv betrachtet Gutzeit, begleitet von Chancy Gärtner am Saxofon und Hennig Schulte am Schlagzeug, das Gefühl der Tristesse einer Vorgruppe, wenn alle Konzertbesucher eh nur für den Hauptact gekommen sind. "Ich Bin Die Vorgruppe" ist durchaus Musik-Business pur.
"Nicht Allein" ist eine Liebeserklärung an eine Frau, der Sascha noch nicht über den Weg gelaufen ist, denn es ist »das ultimative Lied für Frau G. in spe.«
Also da weiß frau, was sie erwartet…
Vielfach arrangiert Sascha Gutzeit seine Lieder mit Holz- oder Blechgebläse, wenn es um eher traurige Themen geht ("Es wird Dunkel", "Mein Bester Song").
Seine Eindrücke, die er während seines Amerika-Aufenthalts (1988-1989) sammelte, packt er in "Damals In Lakeview" und durch sein Harpspiel verlinkt er Wuppertal mit Bob Dylan.
Alltag pur, im 12-Takter erzählt, ist "Elberfeld" mit einem relaxten Sax-Sound und in "Die Nacht Weiß Bescheid" spielt Ingo Meyer einen tollen Slide auf der Dobro.
Wirklich froh ist man, wenn einem nicht das geschieht, was uns in "Boogie In Zagreb" an die Ohren kommt.
Irgendwie abgedreht, die Geschichte, genauso wie das, was Gutzeit und Gärtner aus ihren Instrumenten holen. Dem Typen mit »...den Augen wie Horst Tappert...» möchte ich selbst nicht im Hellen begegnen.
Sparsam instrumentiert und in Gänze (fast) akustisch eingespielt, möchte ich mich am Ende der Rezension gerne wiederholen und die gesamte CD, wie in der Vergangenheit schon einmal, als 'Soundtrack des Lebens' bezeichnen.
Line-up:
Sascha Gutzeit (Stimme, elektrische & akustische Gitarre,
Mundharmonika, Klavier, E-Piano, Orgel, Dobro, Pauke, Maracas, Bass)
Henning Schulte (Schlagzeug, Chor)
Ingo Meyer (elekrtische Gitarre - #3, 12, Dorbro - #6, 14)
Chancy Gärtner (Saxofon - #4, 11, 13, 15)
Matthias Thonemann (Trompete - #6, Flügelhorn - #10)
Serge Corteyn (Lap steel - #8)
Tracklist
01:Unten Am Depot (4:19)
02:Pink Floyd (4:03)
03:Angelina (3:26)
04:Ich Bin Die Vorgruppe (3:29)
05:Nicht Allein (4:29)
06:Es Wird Dunkel (3:30)
07:Sonntag (2:41)
08:Von Vorne (4:03)
09:Damals In Lakeview (4:11)
10:Mein Bester Song (3:47)
11:Boogie In Zagreb (3:31)
12:Lebwohl, Mein Liebling (3:14)
13:Elberfeld (5:12)
14:Die Nacht Weiß Bescheid (3:08)
15:Der Letzte Song Auf Der Platte (3:11)
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