Thea Gilmore / Harpo's Ghost
Harpo's Ghost Spielzeit: 49:30
Medium: CD
Label: Sanctuary Records, 2006
Stil: Singer/Songwriter


Review vom 06.09.2006


Joachim 'Joe' Brookes
Bedingt durch eine Achterbahnfahrt in ihrem Privatleben (enge Verwandte kämpften mit schweren Krankheiten, Trennung vom langjährigen Partner und eigene Probleme) setzt Thea Gilmore mit "Harpo's Ghost" nun endlich ihren steil nach oben zeigenden Karriereweg fort.
Im Jahr 2001 traf sie mit Rules For Jokers die Neuronen vieler Kritiker und durch zwei Single-Auskopplungen vom Album "Avalanche" konnte sie in den Hitparaden punkten. Mit der aktuellen CD ist es auch um mich geschehen.
In aussagekräftigen Texten, definiert durch Themen des ganz normalen Lebens, umreißt die aus Oxford stammende Künstlerin kämpferisch, einfühlsam und z.T. messerscharf Gefühle, Beobachtungen und Reaktionen ihrer Umwelt.
Bereits bei "Everybody's Numb", eine politisch geladene Nummer, packt sie einen, die Neugierde darauf, was noch folgen mag.
Der Track ist einer der aggressivsten auf dem Album und mit der Aussage:
"And all the noise you're making sounds just like the rest
Salute the the founders of the united states of emptiness…
Cos every Ceasar needs a tranquiliser gun
Then everybody's numb
Yeah every Ghandi needs his Napoleon…"

zersetzt sie mit der Wirkung einer hochprozentigen Säure das Diktat der Konzerne und die Kultur der Huldigung von berühmten Persönlichkeiten.
Eingeleitet wird "Everybody's Numb" durch geschickt übereinander gelegte elektrische Gitarren. Dazu gesellen sich groovendes Schlagzeug und ein pumpender Bass. Feine Rhythmuswechsel im Mittelteil sorgen für Durchatmen, bevor das Song-Thema wieder aufgenommen wird.
Mit dem folgenden "Red White And Black", das Gilmore nach einer Amerika-Tour mit Joan Baez schrieb, wird es nicht minder nachdenklich, denn es macht Kritik an Krieg und Patriotismus zum Gegenstand der Botschaft. Eine intensive Ballade, die von dezentem Schlagzeug unterstützt wird. Das i-Tüpfelchen bildet die Percussion-Begleitung von John Tonks.
Treffender kann ein Song-Titel nicht gewählt werden, wenn es um Globalisierung und Konsum geht: Mit "We Built A Monster" wirft Thea Gilmore eine ganze Bürohausfront aus Glas ein.
Hat die Gilmore einen Ausdruck in ihrer Stimme!!! Ohne Zweifel, die Frau kann nicht nur klasse mit der akustischen Gitarre umgehen, sondern auch wunderbar singen.
"We Built A Monster" hält spielend den Qualitätsstandard von "Everybody's Numb" an. Nicht nur ein gepfefferter Text, sondern hier auch eine schneidende elektrische Gitarre.
Eric Ambel spielt neben Thea Gilmore eine herausragende Rolle auf dem Album.
Perfekt arrangiert ist "The List" mit seinem vorzüglichen Chorgesang und einer stellenweise mit Bottleneck gespielt, wehmütigen Dobro.
Sparsam instrumentiert, mit den Wurzeln im Blues, erweist sich diese Nummer als eine der intensivsten auf "Harpo's Ghost".
Fingerspitzengefühl zeigt Thea Gilmore, wenn sie uns häufiger durch ruhige, relaxte Einleitungen in die Songs quasi umgarnt und die Tracks plötzlich explodieren und kräftig Fahrt aufnehmen, die dann auch immer wieder durch schöne Rhythmuswechsel aufgepeppt werden.
Man kann beim Durchhören des Albums echt ins Schwärmen kommen. Sie landet einen Treffer nach dem anderen.
Vor mir liegt eine Promotion-CD und es ist zu hoffen, dass sich im Booklet des offiziellen Albums die Texte befinden, denn es ist allemal lohnenswert, sich mit den Lyrics zu beschäftigen.
Dass "Call Me Your Darling" ein wenig an Springsteen erinnert, darf man durchaus als Kompliment auffassen und "Contessa" besticht durch einen Rhythmus, bei dem der Fuß unbewusst fast 5 Minuten mitwippt.
Hat man nach den letzten Tönen der Ballade "Slow Journey II" alles gehört und Lust auf mehr, nicht die Wiederholungstaste drücken!
1 ½ Minuten Wartezeit sind (fast) nichts und man erhält noch eine Zugabe in Form des Hidden Track "Play Until The Bottle's Gone". Weitere 4 Minuten zum Genießen.
Alle zwölf Tracks sind perfekt eingespielt worden und machen somit "Harpo's Ghost" zu einem in sich geschlossenen Album, das einfach Spaß bereitet. Immer und immer wieder. Denn glaubt nicht, dass es mit ein oder zwei Hördurchgängen getan ist. Es gibt viel zu entdecken!!!
Nur eine Frage bleibt unbeantwortet: Wer ist Harpo?
Line-up:
Thea Gilmore (acoustic guitar/vocals/backing vocals/human whistle)
Eric Ambel (electric guitar/harmonium)
Paul Beavis (drums)
Dave Hull Denholm (acoustic guitar/backing vocals/harmony vocals)
Steve R. Evans (electric guitar/Wurlitzer)
James Hallawell (Hammond)
Nigel Stonier (organ/acoustic guitar/dulcimler/harmonica/electric guitar/harmonium/Hammond/Ukulele/bass pedals/Wurlitzer/backing vocals)
Ian Thomson (bass)
John Tonks (percussion)
Joe Wadeson (bass)
Kathryn Williams (backing vocals)
Tracklist
01:The Gambler (4:28)
02:Everybody's Numb (3:46)
03:Red White And Black (4:12)
04:Call Me Your Darling (3:14)
05:We Built A Monster (3:21)
06:The List (4:09)
07:Going Down (3:10)
08:Whistle And Steam (4:07)
09:Cheap Tricks (3:39)
10:Contessa (4:57)
11:Slow Journey II (4:01)
Hidden Track:Play Until The Bottle's Gone (4:00)
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