Was geht denn jetzt ab?
Barry Hay, seines Zeichens Sänger der niederländischen Rock-Institution Golden Earring, auf Solo-Pfaden.
"The Big Band Theory" heißt die Platte und Hay hat bestimmt einen Delphinsalto mit anschließender Schraube vollführt, denn es ist doch nicht die Selbstverständlichkeit in Person, vom Fleck weg bei dem renommierten Jazz-Label Blue Note unterzukommen.
Noch einen oben drauf gibt es mit Patrick Williams, Grammy-/Emmy-Preisträger, für Oscar und Purlitzer-Preis nominiert, der produziert, arrangiert und die Metropole Big Band in den MCO-Studios in Hilversum dirigiert hat.
Wie kommt die Rock-Röhre Hay zu einem solchen Projekt?
Schuld daran ist die Platten-Sammlung seines Vaters Philip A. Hay, der Blue Note-Platten hörte. Diese Musik muss Klein-Barry ja mächtig imponiert haben, wenn er sich jetzt als Sänger vor ein zwanzigköpfiges Orchester stellt und Lieder mit hohem Bekanntheitsgrad aus mehreren Dekaden zitiert.
Blue Note... Big Band... Jazz? Das ist hier die Frage und wenn sich die Nummern in ihrer Interpretation nicht deutlich von den Originalen unterscheiden, hat Hay auf das falsche Pferd gesetzt. Die Fan-Gemeinde wird sich an "The Big Band Theory" die Köpfe heiß diskutieren. Es gibt definitiv Leute, die mit einem solchen Exkurs erst gar nicht beschäftigen werden. Das Cover-Foto gibt ja bereits sachdienliche Hinweise darauf, einen Griff zu wagen oder eben nicht.
Ein Faible für den Jazz und Big Band-Sounds ist erklärter Maßen ein Muss als Eingangsvoraussetzung für die Platte, sonst wird das nichts mit Barry Hay und seinem Solo-Projekt. Fest steht auch, dass er für die dreizehn Kompositionen nicht ein Instrument zur Hand nahm. Hätte er die Querflöte eingesetzt, wäre es kein schlechter Griff gewesen.
Sehr wohl befindet sich in der Band mit Lex Bolderdijk ein Gitarrist und der ansonsten am Piano sitzende Jasper Soffers spielt hier eine Hammond C3. Die Rhythmus-Abteilung wird mit gleich zwei Perkussionisten (Murk Jiskoot, Frank Wardenier) aufgepeppt und das Backing Vocals-Trio (Lo van Gorp, Na'omi Pariama, Jessica Manuputty) ist häufig am Start.
Im Informationsblatt zu vorliegender CD sind zu jedem Song kurze Hay-Kommentare abgedruckt, die einen kleinen Auswahl-Hintergrund geben. Nicht mehr und nicht weniger. Manchmal wirken sie etwas flach und die Funk-Nummer "If You Want My Love" von Paolo Mendoça wurde vom Label ausgesucht.
Das Hemd ist einem näher als die Hose... einen Golden Earring-Track hat Hay dann doch auf die Scheibe geschmuggelt. Zollfrei, weil schließlich von ihm sowie George Kooymans geschrieben, wird das daraus gemacht, was dem Sänger bei diesem Song immer vorschwebte: eine Art New Orleans-Begräbnismarsch.
Aus der Blues-Nummer "Ice Cream Man" machte Van Halen einen Rock'n'Roller und Barry Hay bringt den Track zurück zu seinen Wurzeln. Eine Ausnahme auf dem Album, denn ausschließlich mit Akustischer sowie E-Gitarre, Harp, Bass und Schlagzeug eingespielt, zelebriert man den 12-Takter in hervorragender Manier.
Mehr als die Beatles mochte Hay in den Sechzigerjahren die Rolling Stones. Auch bei "Waiting On A Friend" steht die E-Gitarre im Vordergrund und die gesamte Bläser-Abteilung hält sich im Hintergrund. Bis, ja bis auf zwei herrliche Saxofon-Soli. Die Backing Vocals können nicht oft genug erwähnt werden. Die singen eine ganz starke Partie.
Allerdings setzt der Opener schon sehr deutlich die Joker der Platte auf den Tisch. "Let's Spend The Night Together" als fetziger Opener ebnet den Weg und wer meint, die Hay-/Big Band-Sache hätte etwas mit Sinatra, Paul Anka oder Dean Martin zu tun, ist schief gewickelt.
Mit Todd Rundgrens "Can We Still Be Friends" geht es weiter... Robert Palmer hatte einen Hit damit und Hay gesteht: »Er hatte so viele großartige Songs, dass ich damit ein komplettes Album aufnehmen könnte.« Nachtijall, ick hör dir trapsen. Das gesamte Arrangement ist mit einem schönen Groove unterlegt und die Qualität der Backing Vocals wird gewürdigt, weil man stellenweise Hays Stimme darin einbettet.
Bei "Spinning Wheel" war Blood, Sweat & Tears bereits vor vierzig Jahren da, wo der Golden Earring-Sänger jetzt steht. Was ist also anders? Es gibt mehr Gebläse-Zwischentöne und für das Solo, im Original von der Trompete gespielt, lässt man Soffers an der Hammond so richtig aufspielen. Das macht natürlich den Extrapunkt aus.
Ein wenig mehr Gitarre, die Keyboards im Original weichen den Bläsern und das Solo gehört der Piccolo-Trompete von Jan Hollander. Nicht viel hat man am Phil Lynott-Song herumgebogen.
Und weil wir gerade dabei sind: Paul Wellers The Jam-Nachfolger Style Council war noch nie ohne das gewisse Extra an Jazz-Beilagen. So bringt auch "Walls Come Tumbling Down" schon viele Eingangsvoraussetzungen mit. Mit seiner Ex-Frau Dee C. Lee hatte Weller eine tolle Sängerin an seiner Seite und da ist es nicht verwunderlich, dass jetzt die beiden Backing Vocals-Frauen im Vordergrund stehen. Das Original hatte auch schon Bläser im Line-up und die hat Williams geringfügig umarrangiert.
In den Reigen der Hörtreffer stimmt auch Lovin' Spoonfuls "Summer In The City" ein. Eine originelle Einleitung wurde gewählt und mit der gesamten Phalanx an Holz- sowie Blechbläsern kommt dieser Track richtig fett rüber. Dazu trägt auch die E-Gitarre bei.
Neben Hays Stimme geben bei Huey Lewis' "The Power Of Love" natürlich die Bläser den gewissen Kick.
Tja, auch wenn "The Big Band Theory" aus meiner Sicht eine gelungene und runde Angelegenheit ist, bleibe ich dabei: Fans werden sich abwenden und dafür andere hinzukommen.
Mir gefällt Barry Hay nicht nur im unschuldigen weiß seines Anzugs, sondern auch, weil man die rockigen Elemente einer E-Gitarre als auch eines Keyboards nicht unter den Teppich gekehrt hat und er etwas ganz anderes gemacht hat, als man es sonst von ihm als Golden Earring-Sänger kennt.
Line-up:
Barry Hay (vocals)
Metropole Big Band:
Marc Scholten (alto saxopgone, clarinet)
Paulk van der Feen (alto saxophone)
Leo Janssen (tenor saxophone)
Jos Beeren (tenor saxophone)
Max Boeree (baritone saxophone)
Wim Both (trumpet)
Henk Heijink (trumpet)
Jan van Duikeren (trumpet)
Jan Hollander (trumpet. piccolo trumpet - #6)
Jan Oosting (trombone)
Jan Bastiani (trombone)
Loek Boudesteijn (trombone)
Martin van den Berg (trombone)
Arno van Nieuwenhuize (drums)
Boudewijn Lucas (bass)
Lex Bolderdijk (guitars)
Jasper Soffers (piano, Hammond C3)
Murk Jiskoot (percussion)
Frank Wardenier (percussion)
Ton van Bergeijk (harp - #10)
Lo van Gorp (backing vocals)
Na'omi Pariama (backing vocals)
Jessica Manuputty (backing vocals)
Tracklist |
01:Let's Spend The Night Together (3:28)
02:Can We Still Be Friends? (3:09)
03:Spinning Wheel (3:46)
04:If You Want My Love (3:23)
05:Johnny Make Believe (4:53)
06:Old Town (3:21)
07:Higher And Higher (3:16)
08:The Power Of Love (3:41)
09:Summer In The City (3:18)
10:Ice Cream Man (3:05)
11:Labour Of Love (3:30)
12:Waiting On Friend (4:05)
13:Walls Come Tumbling Down (3:39)
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Externe Links:
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