Corey Harris ist der Beweis dafür, dass der Voodoo Kult bis heute äußerst wirksam ist. In seinem Körper haben sich die Geister von Bob Marley und Peter Tosh eingenistet und machen jetzt fröhlich gemeinsam Musik durch ihn.
Und die Besprechungen seines neues Albums sind der unwiderlegbare Beleg dafür, dass manche PR-'Spezialisten' und viele unserer (ab)schreibenden Kollegen absolute Idioten sind. Wer "Zion Crossroad" ein Blues-Album nennt, hat entweder 0 Ahnung oder nicht mal einen Ton davon gehört.
Die mittlerweile achte CD des Manns aus Denver, der nach abgeschlossenem Anthropologie-Studium als Sprachlehrer in Louisiana und Musiker in New Orleans arbeitet, ist astreiner, top-aktueller und intensivster Reggae, der von den afrikanischen Wurzeln bis zum Dub alles aufweist, was dieser Groove-Musik weltweit glühende Anhänger verschafft hat.
Auch seine früheren Produktionen orientierten sich an den archaischen Formen des Blues, deren Roots er schon nach dem Collegeabschluss bei Reisen nach Kamerun kennenlernte. Das wurde dann von Martin Scorsese für dessen eigenen Film "Feel Like Going Home" in der "Presents … The Blues"-Reihe aufbereitet, in dem ihn Harris bis nach Mali begleitete und dort unter anderem den allseits hochverehrten Ali Farka Touré traf.
Ob ihn dann der Offbeat auf dem heimischen Voodoo Square oder bei einer weiteren Studienreise in der Karibik erwischt hat, geht aus seiner Bio nicht hervor. Jedenfalls hat mich seit den frühen Wailers-Alben "Burnin'" und "Live" kein Reggae-Alben auch nur annähernd so gepackt, wie "Zion Crossroads".
Zur Abrundung der bemerkenswerten Geschichte dieses Musikers noch zwei aktuelle Ehrungen, die er 2007 erhalten hat: Das Bates College in Lewinston, Maine, an dem er studiert hatte, verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. Und erst kürzlich wurde er von der renommierten The John D. and Catherine T. MacArthur Foundation zum 'MacArthur Fellow' ernannt, was mit einem Stipendium von 500.000 US-Dollar für fünf Jahre verbunden ist. Das verantwortliche Komitee gewährt dies besonders kreativen Köpfen in den USA. In der Laudatio wird Harris bescheinigt, ein »Blues musician leading a revival of Mississippi Delta Blues by infusing traditional styles with influences from jazz, reggae gospel, and African and Caribbean folk styles« zu sein.
Aber nun wieder zur Musik von "Zion Crossroads". Auf dem Album präsentiert sich Harris mit seinen komplett selbstgeschriebenen Songs als kämpferischer, politischer und spiritueller Rastafari, der dies auch äußerlich durch seine Dreadlocks zeigt. In den Texten geht es um Diskriminierung, Ausbeutung und Depression ("No Peace For The Wicked, "Sweatshop"), aber auch um die religiösen Aspekte der Glaubensrichtung ("Ark Of The Coventant", "Heaten Rage"). Stilistisch bewegt er sich zunächst vorwiegend zwischen Ska, Rocksteady und Roots-Reggae, aber auch afrikanische Klänge ("Walter Rodney Intro") kommen zum Einsatz. Gegen Ende wird das Album dann moderner, rockiger (das trügerisch fröhlich klingende "Plantation Town") und auch der Dub hält Einzug. Die Begleitmannschaft und diverse Gäste machen es zu einer abwechslungsreichen und bestens (von Michael Goldwasser) durchproduzierten Geschichte, die auch klangmäßig absolut rund klingt.
Harris singt die Songs auf Englisch, oft mit dem typischen Patois-Slang vermischt. Bei "Afrique (Chez Moi)" zeigt er, dass der Reggae auch mit kolonial-französischem Text bestens harmoniert. "You Never Know" hat sogar leichte Ambient-Atmosphäre mit einem entspannten Sax-Solo. Der Schlusssong kehrt dann wieder zum munteren Rocksteady zurück und verbreitet nochmal 'positive vibrations' mit dem Aufruf, die eigene Identität zu bewahren. All das, was wir am Reggae lieben, ist auf dem Album reichlich vorhanden. Die aufregenden Bluebeats natürlich, die Melodie-Bassläufe, die abgehackten Gitarrensounds, verführerische Backgroundsängerinnen, satte Bläsergrooves, einige neuere Zutaten wie Geige oder Melodica und als Highlight der charismatische Singsang, mit dem die beiden verstorbenen Reggae-Ikonen durch Harris wieder auferstehen.
"Zion Crossroads" ist das definitive Reggae-Album des Jahres. Die volle Punktzahl. Mindestens.
Tracklist |
01:Ark Of The Convenant
02:No Peace For The Wicked
03:Heathen Rage
04:Sweatshop
05:In The Morning
06:Fire Go Come
07:Walter Rodney (Intro)
08:Walter Rodney
09:Afrique (Chez Moi)
10:Cleanliness
11:Plantation Town
12:You Never Know
13:Keep Your Culture
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