Don 'Sugar Cane' Harris / Fiddler On The Rock
Fiddler On The Rock Spielzeit: 69:39
Medium: CD
Label: Body Heat, 2006 (Original: MPS 1971)
Stil: Blues/R&B/Jazz-Rock


Review vom 16.10.2008


Manni Hüther
Vor einem Monat hab ich in einer Umräumaktion meine verbliebenen ca. 300 LPs in ein anderes Regal gehievt. Und wie der pure Zufall es will, ziehe ich gerade einen handbreiten Stapel raus und die oberste Platte ist eines der unbestritten größten Meisterwerke des Blues/R&B/Jazz-Rock!
Schon vor Jahren hab ich die mal als CD gesucht, aber unnötig zu betonen, es war vergeblich. Ich starte nun einen neuen Versuch und das Suchergebnis ist so überraschend wie erfreulich... endlich! Endlich ist sie verfügbar. Ich hab selten etwas schneller bestellt, als diese musikalische Großtat, da die Auflage recht klein ist. Auf der amerikanischen amazon.com Seite ist sie nur gebraucht für Mondpreise zu haben, da haben wir es hierzulande doch besser.
1938 geboren, war Don 'Sugar Cane' Harris sicherlich eins der seltenen Genies an der elektrischen Violine. Kaum verwunderlich, hatte er doch als Kind Unterricht an der klassischen Geige genossen. Seit Ende der Sechziger war er als Gastmusiker eine begehrte Größe und ist auf einer Vielzahl von Platten zu hören, u.a. bei Little Richard, John Lee Hooker, Frank Zappa und - wie könnte es anders sein - beim europäischen Blues-Vorreiter John Mayall, mit dem er öfter tourte.
Kurz nachdem Mayall 1970 seine 'Turning Point'-Truppe auflöste, bastelte er an einer neuen Inkarnation seiner 'Bluesbreakers' und konnte Harvey Mandel sowie Larry Taylor von Canned Heat dafür begeistern, die sich nach Al Wilsons Tod von der 'Hitze in Dosen' verabschiedet hatten. Zur neuen Formation gehörte auch Paul Lagos, den Mayall durch 'Sugar Cane' kennenlernte. Dazu kam der 'Teufelsgeiger' selbst - John Mayall war ein großer Fan von ihm und somit war der britische Bluespionier zu ersten Mal mit rein amerikanischen Mitstreitern unterwegs.
Während einer Tournee in Holland rief 'Sugar Cane' beim unvergessenen Joachim Ernst Berendt - dem deutschen Jazzpapst - an, um ihm zu verkünden, mit Mandel, Taylor und Lagos habe er seine perfekte Formation gefunden und er wolle sofort eine Platte einspielen.
Neben seinen vielfältigen journalistischen Tätigkeiten im damaligen Südwestfunk, betrieb Berendt auch das MPS-Label (das u.a. auch das erste Volker Kriegel-Projekt 'Missing Link' veröffentlichte). Die Firma operierte aus dem Schwarzwald heraus und hat der Welt zahlreiche Klassiker des Blues'n'Jazz'n'Rock beschert.
LP und CDIm Februar 1971 war es dann soweit, im Studio Villingen wurden die zauberhaften Töne des Quartetts auf Band gezogen. Innovation, Inspiration, Spielwitz, atemberaubende Sicherheit der instrumentellen Beherrschung und darüber hinaus das perfekte 'Interplay', war das überragende Ergebnis aus den Sessions. Im Booklet steht Berendts Aussage: »Fast alle Stücke der Platte sind 'First Takes', so gut war die Band eingespielt.«
Und genau das hört man mit jedem Takt.
Das berühmte Lennon/McCartney-Epos "Eleanor Rigby" gibt es ja in etlichen Coverversionen, aber diese hier darf man wohl zu den besten zählen, denn sie übertrifft mit ihrer Ausdruckskraft auch glatt noch das Original. Düster, manchmal ins Depressive abgleitend, um dann wieder das Postitive herauszuarbeiten. Ganz groß spielen hier gerade Taylor und Lagos auf, bieten einen rhythmischen Teppich, auf dem man einfach nicht stillsitzen kann.
Eine ähnlich zwingende Intensität vermitteln auch "I'm Gonna Miss You" und "So Alone" - man leidet regelrecht mit. Die anderen Tracks bewegen sich zwischen Blues und R&B mit gekonnt eingesprengten Jazzkürzeln. Und das ohne jegliches jazztypisches Blasinstrument.
Ganz besonders überraschend ist die Vorstellung von Harvey 'The Snake' Mandel: Der kennt und beherrscht alle Tricks auf der elektrischen Gitarre bis hin zum 'two-hand tapping' - also das Wandern auf den Saiten des Fretboards mit den Fingern beider Hände - und stellt seine Kunst hier eindeutig in den Dienst der Songs, agiert geschmackvoll eher im Hintergrund. Das Soloinstrument auf diesem Werk ist nun mal 'Sugar Canes' elektrisch verstärkte Violine.
'Sugar Cane' hatte vorher schon vier Soloplatten eingespielt und gründete nach "Fiddler On The Rock" zusammen mit Mandel eine Formation namens Pure Food And Drug Act. Mit dieser Band wurde 1972 ein Livealbum aufgezeichnet, von dem hier fünf der acht Songs als Bonustracks vorliegen. Insgesamt eine Spur mehr im Rock wandernd, sind diese Songs ein willkommener Mehrwert, wobei "My Soul's On Fire" ganz ohne Violine auskommt. Hier schlägt die Stunde des Harvey Mandel - kein Wunder dass ihn die Stones als Nachfolger von Mick Taylor verpflichten wollten!
Unter der überschaubaren Anzahl von Könnern an der elektrisch verstärkten Violine - hier seien Jean Luc Ponty, 'Papa John Creach' (Jefferson Airplane) und Jerry Goodman (The Flock und Mahavishnu Orchestra) als Beispiele genannt - war 'Sugar Cane' zumindest auf gleicher Stufe, aber im Gegensatz zu den anderen eher der Hendrix des Instruments. Einzig seine jahrzehntelange Drogensucht verweigerte ihm den eigentlich zustehenden Superstar-Status. Er verstarb im Dezember 1999 in Los Angeles.
Der Klang der CD unterscheidet sich kaum von der LP, ohne dass man sagen müsste, der Klangeindruck sei irgendwie historisch. Es wurde nur wohl leider der Aufwand eines Remasterings gescheut, warum auch immer. Beim Booklet sieht es schon anders aus, es gibt viele Informationen, auch neuere, als im Klappcover der LP. Aber das ist alles Makulatur, denn das musikalische Ergebnis entschädigt für alles, was man sich eventuell gewünscht hätte!
Diese Platte ist nicht nur für mich eins der ganz, ganz großen Werke, die unser Dasein bereichern und zur Unterstützung meiner These möchte ich John Mayall zitieren, der es auf den Punkt brachte:

»So nackte Gefühlsausbrüche habe ich noch nie auf einem musikalischen Instrument gehört...«
Tracklist
01:Eleanor Rigby (9:36)
02:I'm Gonna Miss You (4:48)
03:Buzzard's Cousin (6:05)
04:The Pig's Eye (6:27)
05:So Alone (7:05)
06:No Inspiration (4:01)
Bonus Tracks:
07:Till The Day I Die (7:08)
08:My Soul's On Fire (4:13)
09:A Little Soul Food (4:03)
10:What Comes Around Goes Around (4:22)
11:Eleanore Rigby (11:51)
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