Remastering
Lust und Frust des guten Klangs
Vorwort: Wieder ein Thema, das in zahlreichen Publikationen und Büchern abgehandelt wurde und wird. Das Thema ist naturgemäss technisch sehr komplex, so dass es an dieser Stelle nur den Versuch geben kann, dies so zu komprimieren, dass sich der Interessierte einen Überblick verschaffen kann.
Als 1983 die Compact Disc eingeführt wurde, ging's wohl den meisten so: Man war begeistert über den tollen Klang. Nachdem das Angebot an CDs immer mehr anwuchs, machte sich indes aber auch Ernüchterung breit.
Manche der Silberlinge klangen schlechter als die LP! Wie konnte das sein? Ein neues Medium, bei dem auf vielen der Vermerk anbebracht war, dass durch die sehr hohe Auflösung die Limitierungen der Originalbänder zu hören seien. Wenn die so schlecht waren, wieso konnte dann die Vinylplatte besser klingen?
Da hat man den Leuten einen Bären aufgebunden, denn in den wenigsten Fällen waren die Masterbänder am Klangdilemma schuld. Die Ursachen waren vielfältig: Mal wurde gar nicht vom Masterband digitalisiert, mal wurden die Bandgeräte nicht penibel auf die Bänder eingemessen, oder die Bänder befanden sich einfach in bedenklichem Zustand, ohne dass der Versuch unternommen wurde, das technisch Machbare zu erreichen. Goldgräberzeit eben...
Technische Probleme
Es ist eine bekannte Tatsache, dass sich das Bandmaterial im Laufe von Jahrzehnten von der Trägerschicht löst oder "festbackt". Durch unsachgemässe Lagerung haben viele Bänder Kopiereffekte (die als Vorechos zu hören sind).
Erfahrene Ingenieure ergreifen eine Reihe von Massnahmen, wie z.B. das "Backen" der Bänder ca. 8 Stunden bei etwa 40 Grad, um einen reibungslosen Betrieb sicherzustellen und sie dann als Digitalmaster zu sichern.
Bei RCA ging man im Klassikbereich für das hauseigene Living Stereo-Label sogar so weit, die Tonbandmaschinen, auf denen die Aufnahmen gemacht wurden, zu restaurieren.
Leider wurden aber oftmals die Masterbänder so häufig für den Vinylumschnitt benutzt, dass durch das vielfache Handling verdrehte Bandanfänge und verzogenes Material die unweigerliche Folge waren. Diese Probleme sind nur sehr schwer oder gar nicht zu korrigieren.
Ende der 80er kamen dann die ersten CDs heraus, die mit dem verkaufsfördenden "Remastered from the Original Master Tapes"-Sticker versehen waren. Konnte man das nicht von Anfang an erwarten? Der Ärger ist gross, der Kunde fühlt sich verschaukelt. Das geht mir nicht anders. Besonders, wenn, wie im Fall von "Beggars Banquet" der Rolling Stones, die Behauptung eines digitalen Remasters schon auf der CD-Erstausgabe angebracht war und dies nicht stimmte!
Und trotzdem: Hier eine pauschalisierte Aussage zu treffen, ist nicht möglich, und all dies den Plattenfirmen anzulasten, mag in manchen Fällen gerechtfertigt sein, in vielen Fällen aber nicht.
Einerseits muss man einfach einsehen, dass das digitale Remastering eine ebenso schnelle und stürmische Entwicklung hinter sich hat, wie alle anderen Computertechnologien auch, was nichts anderes bedeutet, als dass die Techniker in der Anfangszeit der CD mit Technik masterten, die man heute als primitiv bezeichnen muss. Es gab nichts anderes.
Andererseits ist aber auch bekannt, dass in vielen Firmen ein regelrechtes Chaos herrschte, was die Masterbänder anging. Da wusste man nicht einmal, wo welches Master war. Die Folge: Man hat einfach das erstbeste Band an die Produktionsfabrik geschickt, das man finden konnte. So war es kein Wunder, wenn eine CD in der US-Ausführung anders klang, als die in England oder in Deutschland. Jeder benutzte "seine" Kopie.
Aber selbst wenn vom Masterband produziert wurde, gibt es zwei unterschiedliche Ansichten, was die Produktion betrifft. Wenn die Plattenfirma als Auftraggeber möchte, dass der Klang der LP auf CD gepresst werden soll (was gar nicht möglich ist, denn eine LP klingt anders!), wird einfach das Master ohne jegliche Bearbeitung digitalisiert. Dann hat man das Rauschen, Brummen, eventuell die Gleichlaufschwankungen und andere Störgeräusche des Originalbandes in der Digitalkopie, die auch auf dem Original vorhanden waren.
Will die Plattenfirma eine Restaurierung, welche die Stimmung des Originals retten soll, werden diese Fehler, soweit möglich, ausgemerzt. Aber das kann fatale Folgen haben. Hier kommt es auf die Erfahrung des Mastering Ingenieurs an. Es gibt z.B. remasterte CDs von alten Rockklassikern, auf denen das sonore Brummen der Marshall-Verstärker weggefiltert wurde! Will das jemand hören? Nein!! Denn das gehört einfach zur Aufnahme dazu.
Eine solche klinisch saubere Reproduktion, von z.B. den Aufnahmen von Jimi Hendrix, ohne den spezifischen Klirr, den man seit dem Entstehen der Aufnahmen kennt und der charakteristisch für eine solche Aufnahme ist, klingt fremd.
Dies ist natürlich alles auch eine Kostenfrage. Alle Firmen kennen den Preis einer Restaurierung, wenige scheinbar den Wert des Schatzes, den sie da haben.
Dieser Ansicht ist etwa Mike Brown, der den Katalog von Uriah Heep remastered hat. Bezeichnenderweise sind viele aufwendige Remasters preisgünstig bei kleinen Plattenfirmen erhältlich, während die "Grossen" vergleichsweise preislich stark zuschlagen, vielfach im Preisgefüge einer nagelneuen Produktion. Als Beispiel seien hier Castle Communications für die erste und EMI für die zweite Variante genannt.
Original Master Tapes
In den meisten Fällen hat der Produzent Zugriff auf verschiedene Quellen. Zuerst einmal das originale Masterband "flat" (mit linearem Frequenzgang und der Stereosumme), eine Sicherheitskopie und eine Ü-Kopie (die für den Vinylumschnitt verwendet wurde)
Um die Sache zu komplizieren, war es gängige Praxis, Kopien während des Umschnitts zu fertigen, an denen oft noch entscheidende klangliche Veränderungen vorgenommen wurden, meistens auf die Limitierungen der Schallplatte zugeschnitten. Dazu zählen etwa Kompressionen des Basses, um einen Betrieb auf Plattenspielern sicherzustellen. Wie mag wohl die CD klingen, deren Glass-Master (vereinfacht: der Prototyp zur Produktion) von dieser Quelle gefertigt wurde...? Wir wissen es (leider) alle...
Zusätzlich ist manchmal noch das originale Multitrack-Band erhalten, mit dem man dann oftmals mit überzeugenden Ergebnissen einen Remix anfertigen kann. Der Aufwand entspricht dem einer Neuproduktion und das Ergebnis ist streng genommen natürlich nicht mehr das Original. Aber es scheint sich zu lohnen: Die Liste solch klanglich extrem aufgewerteter Remixes ist lang, von Abba (na ja) bis zu ZZ Top sind viele Klassiker erhältlich. Als positives Beispiel seien hier die Platten von The Who aus den Jahren ab 1969 aufgeführt.
Ideal ist es natürlich, wenn der Produzent der Originalaufnahmen dies anfertigt bzw. überwacht, so geschehen beispielsweise bei dem Klassiker At Fillmore East der Allman Brothers, für das Tom Dowd verantwortlich zeichnet. Das klingt dann schlicht begeisternd.
Zusätzlich sind damals Aufnahmen für bestimmte Bedingungen geschaffen worden. Sie sollten auf Kofferradios oder auch HiFi-Anlagen "gut" klingen.
Bestes Beispiel für eine "erwachsene" Produktion, für damals gerade erstmals gebaute HiFi-Anlagen, ist ohne Zweifel St. Pepper's lonely Hearts Club Band von den Beatles, die 1967 erschienen ist. Die Platte war nicht nur musikalisch richtungsweisend, sondern auch klangtechnisch! Dagegen ist eine Aufnahme, die für die Wiedergabe auf einem kleinen Radio produziert wurde, schwer zu restaurieren. Wer hätte damals gedacht, dass erstens die Entwicklung der Stereoanlagen so voranschreiten würde und zweitens jemand solche Songs noch 35 Jahre später hören will?
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