Spielzeit: 44:18 Medium: CD Label: Magnolia Music, 2014 Stil: Americana Review vom 18.12.2014 Markus Kerren

Ein großes Jubiläum steht an, denn Drew Holcomb And The Neighbors werden im Januar 2015 ihr zehnjähriges Jubiläum mit einer Europa-Tour feiern. Na ja, zumindest sind bisher Termine in Großbritannien bestätigt, bevor es dann erst mal direkt wieder zurück in die Staaten auf Konzertreise geht. Die Zeichen der Zeit scheinen auf jeden Fall günstig zu stehen, da die Gruppe um den Frontmann Holcomb im vergangenen Jahr 2013 mit "Good Light" ihr bisher erfolgreichstes Album abgeliefert hat. Logisch, dass die Musiker da kräftig nachlegen wollten und laut dem Bandchef und Namensgeber handelt es sich bei der brandneuen Scheibe "Medicine" dann auch um die beste Musik, die die Truppe jemals eingespielt hat.

Nun gut, leider fehlen mir die Vergleichsmöglichkeiten, aber diese zwölf neuen Tracks entwickeln sich nach ein paar Durchläufen tatsächlich zu einem echten Hinhörer. Aufgenommen wurden sie in gerade mal acht Tagen (bzw. Nächten) in East Nashville, wo die Band auch ihre Basis hat. Allerdings sollte man nicht den Fehler begehen, hier gleich die Country-Schublade öffnen zu wollen. Geboten wird nämlich lupenreiner Americana mit starkem Songwriting, was nicht nur die musikalische, sondern unbedingt auch die textliche Seite betrifft. Die Themen sind zwar nicht neu, aber seit Jahr(hundert) und Tag immer wieder brandaktuell und nach wie vor spannend.

Dabei ist es gar nicht so, dass einen die Songs umgehend und wie vom Blitz getroffen vollkommen aus den Latschen hauen. Die coole Herangehensweise und Unaufdringlichkeit, die dennoch von einer berstenden inneren Stärke aufgefangen werden und selbstverständlich die starken Songs nehmen den Hörer aber ab einem bestimmten Zeitpunkt doch ganz fest in ihre Klauen und wollen auch gar nicht mehr wirklich loslassen. Da sind zum einen ein paar deutlich Tom Petty-beeinflusste - den schmalen Grat zwischen Pop sowie Rock wandelnde, trotzdem richtig coole und gute - Nummern ("Here We Go" und "Shine Like Lightning") am Start, aber darüber hinaus auch sehr eigenständiges Material.

Erstaunlich, dass Drew Holcomb And The Neighbors trotz all dieser 'Band-Songs' meistens ohne Schlagzeug auskommen und es nicht mal vermissen lassen. Falls mal Drumming involviert ist, ist nicht wirklich klar, ob es aus der Konserve kommt, oder doch echt ist. Aber immerhin stört es zu keinem Zeitpunkt, selbst wenn es tatsächlich aus einer Maschine kommen sollte. Das Pianospiel von Nathan Dugger (beispielsweise bei "You'll Always Be My Girl") ist klasse und die komplette Band wirkt sehr homogen, harmonisch und wie aus einem Guss. Das textlich fast schon spirituelle, beschwörende "Sisters, Brothers" ist nur einer von vielfachen Anspieltipps.

Fast schon wie ein Song vom Boss beginnt "The Last Thing We Do", bevor dann der etwas abgespecktere Sound und die Stimme Holcombs den Unterschied ausmachen. Trotzdem eine sehr starke Nummer, die geradezu mitreißend und mit sehr viel Power gebracht wird. Im typischen Singer/Songwriter-Stil kommt dagegen "Tightrope", in erster Linie bestimmt von der Akustischen und dem Gesang, während das Piano ganz subtile und gewinnbringende Arbeit leistet. Sehr gelungen auch der (bei mir Assoziationen zu Steve Earle hervorrufende Uptempo-Titel "The Last Thing We Do" sowie das nachdenkliche "Ain't Nobody Got It Easy".

Wenn Drew Holcomb And The Neighbors eines geschafft haben, dann mit "Medicine" ein bärenstarkes und überzeugendes neues Album abzuliefern. Schade, dass der Mann bzw. die Band die deutschen Bühnen erst mal nicht betreten wird, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Anspieltipps zu verteilen ist gar nicht so einfach, weil ich jeden Tag einen neuen Lieblingssong für mich entdecke. Der Vielfalt wegen stelle ich jetzt aber mal "Here We Go", "Sisters, Brothers", "Tightrope" oder das abschließende "When It's All Said And Done" voran.

Diese Auflistung könnte aber morgen schon wieder vollkommen anders aussehen.

Line-up:
Drew Holcomb (guitars, lead vocals)
Ellie Holcomb (guitars, background vocals)
Nathan Dugger (guitars, keyboards)
Rick Brinsfield (bass)