George Hatcher / Rich Girl
Rich Girl Spielzeit: 37:34
Medium: LP
Label: Shark Records, 1978
Stil: (Southern) Rock


Review vom 13.12.2012

  
Daniel Daus
War ich tatsächlich erst 15 Jahre alt, als ich mir George Hatchers damaligen Tonträger zulegte? Und in der Tat - es ist fast satte 35 Jahre her, seit ich die LP "Rich Girl" dieses Musikers mit einer relativ ungewöhnlichen Geschichte in meine - zu dieser Zeit vermutlich noch überschaubare - Sammlung fügte.
George Hatcher stammt aus den USA, genauer gesagt aus dem Staate North Carolina. Er sang recht frühzeitig in verschiedenen Bands (spielt bis heute kein Instrument), wobei er mit der Combo Flatrock schon als Support für Acts wie ZZ Top oder Bob Seger auftrat. Als sich ein lukrativer Plattenvertrag abzeichnete und man in Nashville zu den Aufnahmen schreiten wollte, wurde das Studio des plötzlich von Geldnöten geplagten Finanziers, samt des innenstehenden Equipments der Band konfisziert.
Hatcher ging frustriert nach England, lebte in London, um hier seinem musikalischen Traum nachzugehen. Als Unterstützer fand er den Produzenten Tom Allom (Judas Priest, Def Leppard), der Hatcher in Sachen Plattenvertrieb und Touring zur Seite stand. Und so ist es auch zu erklären, dass George in unseren Breitengraden wesentlich mehr Aufmerksamkeit erhaschen sollte, als in seiner Heimat.
"Rich Girl" war zu dieser Zeit sein bereits viertes Werk und der mir bis dato völlig unbekannte Künstler ein Novum, was meine sich damals langsam aufbauende Passion für den Southern Rock anging. Ein ungewöhnliches Werk, zumal es im fränkischen Hilpoltstein aufgenommen und produziert wurde (George mit Assistenz von Manni Neuner). Allein schon das imposante Cover weiß im Hinblick auf den Titel zu überzeugen: Hatcher als Hallodri mit langer Matte in Wartestellung vor einer herrschaftlichen Villa samt Rolls Royce mit Fahrer, eine junge Dame - die gute Partie darstellend - verträumt im Fenster der mit Efeu berankten Herrschaftsimmobilie sitzend. Zur Verfügung gestellt wurde das beeindruckende Ambiente von einem Freiherr Tucher von Simmelsdorf. Herrlich wie sich der Chauffeur des Hauses, nach dem Motto 'lass bloß die Finger von ihr' auf der Rückseite der LP im Park drohgebärend vor George aufbaut. Der Geldadel mag halt unter Seinesgleichen bleiben - eine zurzeit wieder hochaktuelle Thematik…
In der Besetzung George Hatcher (voc), James Morgan (g), Pete Gosling (g), Vic Young (b), Geralt Watkins (keys) und Mac Poole (dr) wurden hier neun feine, mit vielen kleinen Finessen bestückte (Southern) Rock-Perlen eingespielt, die selbst heute noch, aufgrund der transparenten Produktion, recht zeitgemäß rüberkommen.
Wenn dann zu Anfang mit Back To Dixie und "Hell Hole" zwei so richtig dreckige, kurz und schmerzlose Boogies erklingen, schlägt das Herz des Genre-Fans direkt höher. Herrliche Slide- und Twin-Einlagen, ein bisschen ABB-Flair, dazu auch ein wenig Rory Gallagher-Esprit. Im Nachhinein könnte man auch schlussfolgern, dass sich Molly Hatchet auf ihren Anfangsalben vom Stile Hatchers durchaus ein wenig inspirieren haben lassen könnten.
"Blue Skies" flattert fröhlich, rockig mit schönen Breaks vor sich hin, die atmosphärischen "Rich Girl" und "The Price I Pay" weisen sogar dezente Prog-Bezüge auf. Bei letztgenanntem Track kommt einem aufgrund der Backs am Ende Pink Floyds "The Great Gig In The Sky" spontan in den Sinn. Apropos Backs: Im zweiten Teil der Platte erweisen sich die drei deutschen Damen Renate Maurer, Claudia Schwarz und Gitta Walter mit ihren Ooooohs und Aaaahs als tolle Gegenpole zu Hatchers kauzigem Organ, dieser stimmlich irgendwo zwischen Bob Seger und Rory Gallagher pendelnd.
Großartig die Honkytonk-getränkte Version des viel gecoverten Womack-Stücks "It's All Over Now", das in einer coolen Version mit klasse Tempowechseln daherkommt. "Regrets" rockt wieder als wenn Rory Gallagher und Molly Hatchet sich für eine gemeinsame Session zusammengetan hätten. Das wunderbar melodische "Black Rose" hat dezente Ähnlichkeiten zu Bob Segers Art, Balladen zu zelebrieren (herrlich die immer wieder aufheulenden Twin-Gitarren, die grandiosen Backs der Damen sowie die schön rockigen Gitarrenbreaks, die mehrfach kurzzeitig das Tempo variieren). Absolut klasse!
Beim aus der Feder von Edgar Winter und Jerry LaCroix stammenden "Fly Away" (auch wieder mit Bob Seger-Teint) wird dann am Ende das große Besteck rausgeholt. Streicher (unter Mithilfe der Nürnberger Symphoniker) und ein an "Hey Jude" angelehntes 'Na-na-na'-Finale, bieten einen euphorischen Abschluss eines vermutlich viel zu wenig gewürdigten und nur Insidern bekannten Albums.
Die George Hatcher Band ist heute nach diversen Auszeiten wieder in folgender Besetzung aktiv: George Hatcher (voc), Blake Gross (b), John Hartley (dr), Ralph Oleski (g), Scott Braswell (g), Terry Collins (Keys) und Gustavo Juarez Sr. (perc). Ein neues Album oder ein paar Live-Auftritte des sympathischen und immer bodenständig gebliebenen Bandleaders in Deutschland wären da mal absolut wünschenswert. Vielleicht entdeckt die Familie des Freiherrn ja erneut mal ihr Herz für die Musik und greift als Sponsor in die Tasche… Dem gemeinen Southern Rock-Pöbel wie Unseresgleichen würde sie damit sicher viel Freude bereiten! Werke in digitalisierter Form von George Hatcher kann man über seine HP oder über einschlägige Anbieter im Internet beziehen.
Tracklist
01:Back To Dixie
02:Hell Hole
03:Blue Skies
04:Rich Girl
05:It's All Over Now
06:The Price I Pay
07:Regrets
08:Black Rose
09:Fly Away
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