Hanggai / Baifang
Baifang Spielzeit: 73:16
Medium: CD
Label: Harlem Recordings, 2014
Stil: World Music

Review vom 21.02.2014


Steve Braun
Wenn man die Möglichkeit bekommt, mal eine mongolische (!!) Rockband zu besprechen, muss man selbstredend sofort »HIER« schreien. Die Rede ist von Hanggai, einer sechsköpfigen Truppe aus der autonomen chinesischen Republik Innere Mongolei.
Die Band gründete sich 2004, als der Punkmusiker Ichi seine Heimatstadt Peking verließ, um die Wurzeln seiner Ahnen zu ergründen. In deren Heimatregion kam er mit dem Khoomei, einer mongolischen Form des Obertongesangs, und der Tobshuur, einer bundlosen zweisaitigen Laute, in Kontakt und gründete daraufhin in der Hauptstadt Ulaanbaatar (Ulanbator) mit Gleichgesinnten Hanggai.
Nach zunächst regionalen, dann nationalen Erfolgen konnte sich die Band seit 2007 zunehmende weltweite Beachtung erwerben. Die Metalheads des weltweit größten Metal-Festivals, dem W:O:A, waren jedenfalls von Anbeginn an begeistert. Auch die Lowlands- und Rosklide-Festivals wurden im Sturm erobert und in den Niederlanden konnte man mit dem "Drinking Song" sogar einen kleinen Hit landen. Kein Wunder also, dass ein niederländisches Label den Zuschlag für die vorliegenden Aufnahmen erhalten hat.
Nach "Introducing Hanggai" (2008) und "He Who Travels Far" von 2011 und "Four Seasons" ein Jahr später legen Hanggai mit "Baifang" ihr viertes Album vor und es ist absolut faszinierend, wie sich westliche Rockmusik mit mongolischer Folklore verschmelzen lässt. Das Paradebeispiel hierfür stellt "Hong Galou", die erste Single aus "Baifang", dar. Mehr als nur erstaunlich, wie man Kehlkopfgesänge mit elektrischen Gitarren untermalen kann! Klingt irgendwie wie die chinesische Antwort auf U2... Das epische "Beautiful Mongolian Horse" unterstreicht diesen Eindruck eindrucksvoll.
Hat sich die erste Überraschung erst einmal gelegt, glaubt man in den mongolischen Klängen mehr als einmal bereits Bekanntes zu entdecken. Frappierend ist vor allem die Nähe zur Musik der nordamerikanischen Urbevölkerung, was sicherlich nicht nur durch die Beringia, die einst Asien mit Nordamerika verband, zu erklären ist. Noch verblüffender ist es allerdings, wenn man - wie im Titelsong, der "Back To You" bedeutet - auf Grundstrukturen gälischer Musikkultur trifft oder gar Anklänge an friesische Folklore - "Ulanbator Nights", vor allem wegen der Akkordeonklänge - zu hören vermeint. Abgesehen von der mongolischen Sprache trägt - als weiteres Beispiel - "Daya Bala" alle Grundzüge einer klassisch-westlichen Pianoballade, einer großartigen obendrein!
Die durch und durch authentischen Töne wissen ebenfalls - auch ohne den zu berücksichtigenden Exotenfaktor - zu gefallen. Man höre nur einmal "Hershut Hero" oder "Miss Daughter", um diese wunderlichen Khoomei-Kehlgesänge und die Klänge eines gestrichenen Pferdekopf-Kontrabasses (Morin Khuur) oder der Tobshuur zu genießen. Das entwickelt den Zauber von fremdartigen Kulturen, die allerdings durch die musikalischen Zutaten durchaus für unsere westlich geprägten Ohren zugänglich sind.
Hanggai besingen die Natur und Brauchtümer der Inneren Mongolei, wobei die Pferde eine ganz entscheidende Rolle spielen. Zudem werden einige buddhistische Mantras eingestreut.Trinkgelage und die Liebe sind - wie überall auf dieser Welt - ebenfalls Themata.
Der musikalische Spannungsbogen kann als überaus abwechslungsreich empfunden werden, reicht von melancholisch bis fröhlich und vermittelt dabei stets die typische fernöstliche Atmosphäre.
"Baifang" ist alles andere als (Achtung, Wortspiel) musikalischer Beifang, der sich minder- bis ungewollt im Netz des Redakteurs verfängt. Selbiger ist vielmehr fasziniert von der Verschmelzung westlicher Rockmusik mit mongolischer Folklore. Exotisch und - nicht nur deswegen - absolut hörenswert!
Line-up:
Yiliqi 'Ichi' (Gesang, Tobshuur [bundlose zweisaitige Laute], Perkussion)
Yilalata (Gesang, Gitarre)
Batubagen (Gesang, Morin Khuur [Mongolische Pferdekopfgeige])
Huricha (Gesang)
Xu Jingchen (Gitarre)
Xin Niu (Bass)
Li Zhongtao (Schlagzeug, Percussion)

Gastmusiker:
Huricha (Maultrommel)
Sangka (Zither)
Pim Kops (Akkordeon)
J.B. Meijers (Piano)
Tracklist
01:Mangala Sutra (0:43)
02:Baifang [Back To You] (3:47)
03:Hershut Hero (3:57)
04:Tavan Hasag (5:51)
05:Miss Daughter [Missing You, My Daughter] (4:38)
06:Qinghai Lullaby (2:49)
07:Hong Galou (4:01)
08:Gold Buttons (5:50)
09:Ulanbator Nights (4:54)
10:Green Tara Mantra (1:13)
11:Long Song, The Rabbit On The White River Bank (4:13)
12:Golden Autumn (5:41)
13:My Mother (4:48)
14:Huhe Namjila (4:19)
15:Beautiful Mongolian Horse (7:06)
16:Daya Bala (3:45)
17:High Trees (4:30)
18:The Medicine Buddha Sutra (1:09)
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