Nachdem das auf alte und ältere deutsche Schätze spezialisierte Label Sireena Records erst vor wenigen Monaten das gleichnamige Debüt der Hannoveraner Band Harlis um die (damals) ehemaligen Jane-Musiker Charly Maucher und Wolfgang Krantz veröffentlicht hatte, wird nun mit dem zweiten (und leider schon letzten) Werk "Night Meets The Day" nachgelegt. Und auch hier zeigte sich Harlis, um diesen Punkt schon mal vorweg zu nehmen, in astreiner Verfassung.
War das Vorgänger-Album (das hervorragende Kritiken von der Presse bekam und mit "BMW" sogar einen Szene-Hit abwarf) noch eine Ansammlung von neun eigenständigen Tracks, so ging man bei dem hier zu besprechenden Nachfolger in die Vollen und kreierte ein Konzept-Album um eine Seefahrer-/Piraten-Geschichte. Vom Band-Personal her hatte sich nichts geändert, allerdings wurden die Rollen innerhalb des Quartetts neu verteilt. Waren auf "Harlis" hauptsächlich Maucher und Gitarrist Arndt Schulz für den Gesang zuständig, so konzentrierte sich Schulz auf diesem zweiten Album gänzlich auf seine Gitarrenarbeit. Was somit Raum für Schlagzeuger Werner Löhr (der sämtliche Texte im Alleingang geschrieben hatte) ließ, etwa die Hälfte der Tracks vokalistisch zu übernehmen.
Die Geschichte beginnt mit dem Titelsong aus der Sicht einer Frau, die weiß, dass sie ihren Mann für lange Zeit nicht mehr sehen wird, da dieser vom Ozean besessen ist und unbedingt wieder zur See fahren will. Musikalisch eher sparsam, von Möwengeschrei und Meeresrauschen untermalt, liefert Charly Maucher einmal mehr eine sehr starke Leistung vor dem Mikro ab. Sein Reibeisen-Organ strotzt nicht nur so vor Feeling, auch die Gesangsmelodie fräst sich umgehend in die Erinnerung des Zuhörers. Dazu glänzt Arndt Schulz einmal mehr an der Gitarre und Wolfgang Krantz kümmert sich um die warmen, großartig unterstützenden Keyboards.
Nach diesem eher verhaltenen Beginn entwickelt sich "Shipwrecked Stranded" zu einem coolen Midtempo-Rocker und Werner Löhr führt die Story mit seinen ersten Lead Vocals fort. Die Geschichte dieses Albums will ich euch nicht vorab verraten, weswegen wir deshalb lieber einen genaueren Blick auf die Musik werfen wollen. Auch bei diesem zweiten Song sticht vor allem die Gitarrenarbeit deutlich hervor, während Mauchers Bass und Löhrs Schlagzeug den tragenden Groove vorgeben. Mit "Ruler Of The Island" rockt die Band weiter und Maucher, der aus welchen Gründen auch immer nicht ins Songwriting der Scheibe involviert war, markiert hier klar sein Revier und ist zurück am Gesang. Cooles Riffing von der Gitarre und das hämmernde Piano von Krantz bestimmen darüber hinaus das Bild.
"King Of The Pirates" ist ein flotter Boogie-Rocker mit einmal mehr Löhr an den Vocals und vertracktem Schlagzeug-Rhythmus zu Beginn, bis die Band schließlich einsteigt und die Post abgeht. Sehr geil gemacht und außer der sowieso schon amtlichen Voll- (und irgendwie auch psychedelischen) Bedienung werden wir auch noch von Schulz' Slide Gitarre und Krantz' Leslie Gitarre verwöhnt. Bei "Narrow Escape" einer groovenden, eher gesetzten Nummer ist der Bass-Groove allerdings schon ganz alleine sein Geld wert, selbst wenn es sich hier nicht unbedingt um die stärkste Nummer des Albums handelt.
"The Last Sea Battle" ist dann der Anfang vom Ende einer Geschichte, die sich weg vom Seefahrer- und Piraten-Terrain auch auf viele andere Szenarien im Leben übertragen lässt. Harlis rocken hier ein letztes Mal auf 'Teufel komm' raus' und auch Mauchers Röhre verzaubert ein letztes Mal. Den Abschluss dieser letztendlich so abenteuerlichen wie auch traurigen Geschichte bildet das Instrumental "Endless Sea", das die Atmosphäre der vorangegangenen Tracks noch einmal aufnimmt und mit tollen Melodien zu einem, meiner Meinung nach, offenen Ende führt.
Leider verkaufte sich "Night Meets The Day" trotz der damals exzellenten Reviews in der Fachpresse gar nicht gut und dazu kam noch, dass die vier Niedersachsen jede Menge Ärger mit ihrem damaligen Label Sky Records hatten. Umstände, die dann Anfang 1978 zur sang- und klanglosen Auflösung der Truppe führten. Wolfgang Krantz veröffentlichte danach ein Album mit der Band Efendi's Garden (1979), während Charly Maucher sein Solo-Album "Performance" (1980, mit Krantz an den Keyboards und Peter Panka am Schlagzeug) veröffentlichte, bevor er für kurze Zeit und die Aufnahmen zu dem Album "Germania" (1982) wieder bei Jane einstieg.
Geblieben von dieser großartigen Band sind immerhin zwei Alben, die jetzt glücklicherweise von Sireena Records wieder veröffentlicht wurden. Dicker Tipp an alle Freunde guter, deutscher Rockmusik mit internationalem Standard und Flair!
Line-up:
Charly Maucher (bass, lead & background vocals)
Arndt Schulz (lead & bottleneck guitars, background vocals)
Wolgang Krantz (keyboards, piano, leslie guitar & background vocals)
Werner Löhr (drums, lead vocals)
Tracklist |
01:When Night Meets The Day
02:Shipwrecked Stranded
03:Ruler Of The Island
04:King Of The Pirates
05:Narrow Escape
06:The Last Sea Battle
07:Endless Sea
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