Es ist echt schwer, die Musik von Hat Check Girl in eine Schublade zu stecken. Das gemeinsame Projekt der Singer/Songwriter Annie Gallup sowie Peter Gallway ist mit dem, was beide für sich produzieren nicht zu vergleichen. Insofern ist das Debüt "Tenderness" (sehr passender Titel) alternative Musik. Wenn die Protagonisten persönlich in dem sehr schön gestalteten Digipak unter anderem Fela Kuti, Leonard Cohen, Daniel Lanois, Mitchell Froom oder Peter Gabriel angeben, verdeutlichen diese Bezüge wohl den weiten Horizont von Hat Check Girl. Meinerseits möchte ich noch J.J. Cale hinzufügen.
Ein treffenderes Wort als 'Zartheit' hätte man für den Albumtitel nicht finden können. "Tenderness" ist eine der Platten, die man einerseits entdecken muss, andererseits aber auch sofort zündet. Die dreizehn Songs verursachen durch ihre ausgeglichene Vielfalt und Ruhe ein deutliches Maß an Aufmerksamkeit. Dabei spielen die vielen effektvoll eingesetzten Gitarren eine entscheidende Rolle im minimalistischen Sound der Emotionen. Über den genialen Titeltrack, der gleich am Beginn einer wunderschönen Klangreise steht, bin ich zuerst gar nicht hinweg gekommen. Den Song wollte ich immer und immer wieder hören.
Natürlich ging es dann irgendwann auch weiter. "Tenderness" ist raffiniert, mit Liebe zum Detail ins Leben gerufene Musik, die jenseits von laut oder hektisch ist. An und für sich ist "Tenderness" die perfekte Entdeckung einer herrlichen, auditiven Zeitlupe. Nur ganz wenige Tracks haben eine etwas flottere Taktung. Wie bei einem Buch mit Bildern hat hier die Musik die Rolle der Illustrationen. Bei allem Wohlklang beinhalten einige Kompositionen Rhythmus. Irgendwie aktivieren die Songs doch die Fußwippe. In anderen Tracks finden wir, frei von jeglichem Genre, globale, mehr oder weniger dahinfließende Soundlandschaften.
"Top Hat" hat das Feeling eines J.J. Cale und an mehreren Stellen taucht Daniel Lenois vor dem geistigen Auge auf. Bei der Musik ist es kaum zu glauben, dass nicht einmal eine akustische Gitarre zu hören ist. Tatsächlich ist "Tenderness" ein elektrisches Album. Zuweilen benutzt Annie Gallup, wie Laurie Anderson, 'spoken words' als Stimmmittel. Die Gitarren bilden einen fein gesponnen Rahmen für die Texte. Die Rhythmen werden einerseits künstlich erzeugt, andererseits streicht Gallway über die Felle seiner Trommeln.
In den Lyrics geht es um Beziehungen und das Paar benutzt viele Metaphern, so dass es dem Hörer auch noch Freiräume für Interpretationen gibt. Diese Platte macht richtig Spaß. Man kann es drehen und wenden, wie man will ... Hat Check Girl macht antörnende, intime Musik. Eine echte Entdeckung!
Mit einem samtweichen, transparenten Sound werden die dreizehn Songs perfekt in Szene gesetzt. Man hört wirklich jeden Ton. Die Lieder verfügen über Tiefenwirkung und Intensität. In "Casey's Nervous Corner" hüpfen die Instrumente vor Freude. "Blood Red Dress" ist ein atmosphärisches Prachtexemplar von Lied und richtig spannend. Umwerfend, wie gegen Ende dann doch noch Rhythmik in den Song eingebettet wird. Sechs perfekt gefüllte Minuten!
Man kann es nicht oft genug schreiben: Diese minimalistisch vorgetragenen Klänge sind einfach traumhaft.
Annie Gallup ist für ihre Arbeit schon mit einigen Preisen dekoriert worden und hat bereits auf angesagten Festivals gespielt. Peter Gallway hat sich nicht nur einen Namen als Musiker gemacht. Er war und ist auch bei vielen Bands und Künstlern als Produzent tätig. Das gemeinsame Projekt Hat Check Girl sollte, nein, muss unbedingt fortgesetzt werden. Nach unzähligen "Tenderness"-Durchläufen stellt sich der Hörer die Frage, ob dieses hohe Niveau gehalten werden kann. Ungewöhnlich schöne Musik, die gerne weiterempfohlen wird!
Line-up:
Peter Gallway (vocals, guitars, bass, mandolin, djembe, percussion, frame drums, hand claps, programming)
Annie Gallup (vocals, lap steel guitar, electric guitar, percussion, hand claps, clogging)
Tracklist |
01:Tenderness (4:44)
02:See You Raise You (3:13)
03:Chaque Jour (3:56)
04:Blood Red Dress (6:08)
05:Top Hat (4:41)
06:Bird (3:14)
07:This Slow Surprise (3:57)
08:Once (4:10)
09:Casey's Nervous Corner (3:02)
10:Radio Waves (3:13)
11:The Crooked Way (4:57)
12:World At Night (5:00)
Coda:
13:Remember (1:41)
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