Sechs Jahre sind schon wieder vergangen seit dem letzten Heart-Album "Jupiter's Darling". Noch viel länger ist es her, als ich die Band für noch relativ kleines D-Mark-Geld mal live gesehen habe und zwar 1988 in der Düsseldorfer Philipshalle, damals mit den Hooters im Vorprogramm (wobei mir aber, ehrlich gesagt, nur Nancy Wilsons damalige, wild-gelockte Löwenmähne noch in Erinnerung geblieben ist). In dieser Dekade war die Band, mit den Wilson-Sisters als einzige richtige Konstante in ihrem langjährigen Bestehen, Major-Vertrags-bestückt, zweifellos auf dem Zenit ihres musikalischen Daseins.
"Never", "These Dreams", "What About Love", "Alone", "All I Wanna Do Is Make Love To You" - wer kennt diese in die damalige Zeit klasse passenden Stücke nicht? Die fetten Jahre sind allerdings längst vorbei, woran auch "Jupiter's Darling" im neuen Jahrtausend nichts ändern konnte und auch ihr aktuelles Album "Red Velvet Car" nichts ändern wird. Man muss dabei allerdings anmerken, dass eine Band, die über 30 Millionen Tonträger verkauft hat, sich heute nicht mehr mit aller Gewalt beweisen muss.
Die Wilson-Schwestern haben anscheinend den Weg gewählt, jetzt, jenseits aller kommerziellen Zwänge, Musik zu machen, die Ihnen selbst am Herzen liegt. Und "Red Velvet Car" ist ein angenehm unaufgeregtes, aber gutes Album geworden. Auch das Personalkarrussel hat sich wieder einmal gedreht. Ric Markmann ist neu am Bass, Ben Mink hat den Co-Führungspart von Craig Bartock übernommen und viele Instrumente beigetragen und die Scheibe produziert. Letztgenannter hat jedoch noch eine Gastpräsenz mit dem Dobro.
Ann und Nancy Wilson sind natürlich die Personen, die bei Heart den Ton angeben. Nancy spielt mittlerweile wieder vermehrt ihre sehr markante, schön kratzige Akustikgitarre und hat auch bei "Hey You" und "Sunflower" die Lead Vocals übernommen. Schwester Ann variiert ihre Stimme immer noch in bester Manier von 'zart wie ein Lamm' bis zur divenhaften Furie. Herrlich, wie sie z.B. beim Led Zeppelin-umwobenen "Death Valley" quasi den weiblichen Robert Plant mimt.
Geringe Hitchancen haben am ehesten der melodische, leicht swampig stampfende Opener "There You Go", das melodische Titelstück "Red Velvet Car" (wobei mir in den Strophen zu sehr zu J.J. Cales "Sensitive Kind" rübergeschielt wurde) und das mit dezentem "Barracuda"-Flair behaftete "Safronia's Mark" (typisch kratziger Akustikgitarrenrhythmus). Der Rest plätschert ähnlich wie schon bei "Jupiter's Darling" angenehm im Wechsel zwischen mehr akustikbetonten Tracks ("Hey You", "Sunflower", "Sand") und rockigeren Songs, die zum Teil immer wieder eine dezent psychedelische Note aufweisen ("WTF", "Queen City", "Wheels" , "Death Valley") dahin.
Auf der Europa-Ausgabe gibt es mit "Bootful Of Beer" und "Closer To The Sun" (sehr retro-Seventies-mäßig) zwei recht unspektakuläre Bonus-Stücke oben drauf. Die CD wurde mit einem schönen Coverbild bestückt, das Booklet, das alle Texte und Infos enthält, kann zu einem Poster entfaltet werden. Ich frage mich allerdings, warum beide Damen hier und auch auf dem Backcover des Inlays so unvorteilhaft in frontaler Position visuell in Szene gesetzt wurden. Die schon immer zu etwas Pummeligkeit neigende Ann blickt so grimmig drein, wie ein bissiger Pudel und die einst wilde Nancy wirkt (freundlich umschrieben) doch sehr gereift (besonders auf dem Poster). Schöne Seitfotografien der beiden (wie im schwarz/weißen Innenbereich) wären sicher angebrachter gewesen.
Trotzdem - und hier geht es ja letztendlich nicht um den Frauengeschmack des Autors, sondern um musikalische Qualität - gefällt mir das aktuelle Heart-Album "Red Velvet Car" deutlich besser als der Vorgänger, weil es einfach kurzweiliger ist und auch das bessere Songmaterial enthält.
Fazit: Zeitloser, solider Stoff einer ehemals großen, kommerziell erfolgreichen Band, die heute einfach das spielt, was ihr Spaß macht.
Tracklist |
01:There You Go
02:WTF
03:Red Velvet Car
04:Queen City
05:Hey You
06:Wheels
07:Safronia's Mark
08:Death Valley
09:Sunflower
10:Sand
Bonustracks
11:Bootful Of Beer
12:Closer To The Sun
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