Regieanweisung: Time Warp an, Zeiger auf 1982 und Gas geben! So in etwa muss man sich zwangsläufig fühlen, wenn die neue Scheibe der Skandinavier auch nur einige wenige anfängliche Umdrehungen im Player hinter sich gebracht hat. Denn es braucht nicht mehr als nur ein paar Sekunden, um zu wissen, woher der Wind weht. Satter Stadion-Rock bläst uns wie auch bei den beiden ersten Langrillen, "Heat" und Freedom Rock um die Ohren. Ihre Ausrichtung haben die Schweden bei "Address The Nation" nicht verändert, wohl aber das Line-up, denn der frühere Frontmann Kenny Leckremo ist genau das, nämlich ehemalig. Seit einiger Zeit kämpft nun Erik Grönwall am Mikro gegen Genregrößen wie Foreigner, Journey, Europe oder Bon Jovi.
Blenden wir dazu mal auf einen anderen Kanal und schauen uns eben diesen Sänger bei Dieter Bohlen und DSDS, bzw. dem schwedischen Bruder dazu an, wo er vor einigen Jahren diesen Wettbewerb für sich entscheiden konnte. Glück für die sängerlosen Rocker, dass es da im August 2010 einen neuen Stern am Himmel gab, der den ausgeschiedenen Frontmann mit seiner charismatischen Stimme ersetzen konnte. Stimmlich muss Erik sich vor keinem seiner berühmten Kollegen verstecken, er klingt zwar anders als sein Vorgänger, bringt aber zu einhundert Prozent passende Fähigkeiten mit.
Musikalisch bewegt sich das Sextett aus dem Land von Schären und Smørrebrød, genauer gesagt aus der Nähe von Stockholm, getreu dem Erfolgsrezept irgendwo zwischen Magnum und Foreigner, mit allen Nuancen, die AOR so auf der Pfanne hat. Alleine mit dem Opener "Breaking The Silence" haben sie schon das optimale Aushängeschild für ihr drittes Album gebastelt. Der Time Warp versetzt einen unmittelbar in ein großes Stadion gefüllt mit tausenden Menschen, die sich einer heute nur noch selten zu sehenden Mode verschrieben haben - wer dabei war, weiß Bescheid… Weiter geht es auf der Zeitreise, zunächst mit dem ebenso überragenden "Living On The Run", das genauso Ohrwurmpotential hat wie zwei, drei oder vier weitere Tracks auf dieser CD. "Falling Down" dreht ein wenig am Gasgriff, zieht in Tempo und Härte etwas an, ebenso wie das später kommende "Better Off Alone". Zwischendurch wird es dann mal etwas weicher, aber immer auf der melodiösen Überholspur bleibend. Dass so eine Scheibe nicht ohne die obligatorischen Balladen abgehen kann, bedarf im Grunde keiner separaten Erwähnung, gehört aber der Vollständigkeit halber natürlich dazu. Das Schreiben und Vertonen dieser ist ja seit jeher eine Gratwanderung zwischen einem gerade noch als ordentlicher Rock durchgehenden Song und dem vor Schmalz triefenden Gejaule. Nix von Letztgenanntem gibt es hier: Sowohl "The One And Only" als auch "In And Out Of Trouble" schliddern (zwar haarscharf) diesseits der Grenze vorbei und reihen sich somit in das Gefüge der fast schon brillanten acht weiteren Song-Kollegen ein. Am Ende geht dann wieder mehr die Post ab und wir werden mit "Downtown", das nicht viel mit seinem berühmten von Petula Clark intonierten Namensvetter zu tun hat, aus einer mitreißenden Scheibe geschmissen.
Die Jungs haben es geschafft, ein komplettes Album äußerst eingängiger Songs zusammenzustellen, ganz wie ein Best Of-Album einer der oben genannten Konkurrenten. Und genau hinter diesen müssen sie sich nicht verstecken, beherrschen sie doch die hohe Kunst des Komponierens von - ich wage jetzt mal bewusst den überzogenen Ausdruck - Hits. Die Arrangements wechseln zwischen betonter Gitarrenarbeit oder auch mal mehr Tastenwerk hin und her. Gesanglich wird der neue Meister von mehrstimmigen Backings unterstützt und das Ganze klingt einfach perfekt, Melodic Rock at its best! Hut ab auch vor Tobias Lindell, der als Produzent schon Größen wie Europe mit seinen Fähigkeiten beglückt hat. Was prognostiziert man nun so einer Band? Spätestens mit "Address The Nation" beanspruchen sie jetzt einen Platz in ihrem Genre, der weit über das Attribut des Zufallserfolgs hinausgeht. Wer auf guten, althergebrachten Rock aus der AOR-Ecke steht und dabei nichts gegen einen Touch modernerer Elemente einzuwenden hat, dem sei nur dringend geraten, diese Scheibe gegen etwas Bares zu tauschen. Allerdings hatte ich gehofft, das Promo-Exemplar sei mit einer nicht endgültigen Version des Covers ausstaffiert gewesen. Leider musste ich mich eines Besseren belehren lassen, denn das Ding scheint final zu sein. Schade, diese Verknüpfung von Hair Metal-Attitüde und modernen visuellen Elementen (im Gegensatz zu den musikalischen) ist wenig gelungen und strahlt nicht gerade den richtigen Spirit aus - aber seht selbst…
Line-up:
Erik Grönwall (vocals)
Dave Dalone (guitars)
Eric Rivers (guitars)
Jona Tee (keyboards)
Jimmy Jay (bass)
Crash (drums)
Tracklist |
01:Breaking The Silence
02:Living On The Run
03:Falling Down
04:The One And Only
05:Better Off Alone
06:In And Out Of Trouble
07:Need Her
08:Heartbreaker
09:It's All About Tonight
10:Downtown
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