Als es Ende letzten Jahres gerüchteweise um die Welt ging, war ich aufgeregt, und ich bin innerlich fast geplatzt, als es dann von offizieller Seite bestätigt wurde. Was beim Ozzfest bei Soundchecks zwischen Tony Iommi und Geezer Butler begann, als sie "Heaven And Hell" und "The Mob Rules" jammten und sich sagten, dass es eine Schande sei, diese Songs nicht mehr zu spielen, gipfelt in diesem Jahr in der grandiosen Tour unter dem Heaven And Hell-Banner. Die ersten zaghaften Schritte wurden jedoch schon vor etwa zwei Jahren genommen, als Dio gefragt wurde, ob er es in Erwägung ziehen würde, wieder mit Tony Iommi zu arbeiten, und erstmals seit den Neunzigern mit »Ja« antwortete. Ein einfaches Wort, das einen riesigen Schritt für alle Black Sabbath-Fans und ihre Gerüchteküche bedeutete.
Dann wurde Ende 2006 bekannt, dass Tony Iommi und Ronnie James Dio an einer Dio-only-Compilation arbeiten, die Songs von ihren Alben "Heaven And Hell" (1980), "Mob Rules" (1981), "Live Evil" (1982) sowie "Dehumanizer" (1992) enthalten solle. Dieses Best-Of ist inzwischen unter dem Titel "Black Sabbath - The Dio Years" erschienen, auch noch mit drei eigens dafür von Tony und Ronnie komponierten Songs, und kurz darauf die auf 5000 Kopien limitierte Ausgabe eines Konzertmitschnittes aus dem Hammersmith Odeon von der Heaven And Hell-Tournee 1980.
Und dann war es endlich soweit: Die mit atemloser Spannung erwartete Tour brach zunächst über Kanada herein und übertraf - fast erwartungsgemäß - alle Erwartungen. Tony Iommi, Geezer Butler, Ronnie James Dio und Vinny Appice wiedervereint: Ein Traum wurde endlich wahr. Ein komplettes neues Album schließen die vier Legenden zwar nicht aus, aber dennoch scheint es unwahrscheinlich, denn Verlautbarungen besagen einerseits, dass Dio im nächsten Jahr seine 2000 begonnene "Magica"-Trilogie beenden will und andererseits, dass Black Sabbath 2008 zum 40-jährigen Jubiläum wieder in Originalbesetzung erscheinen und eventuell ein Album auf den Markt schmeißen wollen. Selbstverständlich wird das Osbourne-Lager nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die vier Haudegen momentan ja als Heaven And Hell unterwegs sind und es ja nur ein Black Sabbath gäbe. Und ich spreche jetzt als Fan, wenn ich dazu 'bla, bla, bla' sage. Jeder weiß, dass er Black Sabbath vor sich hat, egal was auf den Tickets steht.
Ich wohne weit im Nordosten der Bundesrepublik, und die einzigen Konzerte hierzulande fanden in Offenbach und Balingen statt. Dennoch stand auch angesichts der langen Zugfahrt für mich und meine Freundin relativ schnell außer Frage, dass wir uns dieses Spektakel nicht entgehen lassen konnten. Nachdem wir also am Tag des Konzerts um drei Uhr morgens aus den Federn mussten, war die Zugfahrt gefüllt mit aufgeregter Vorfreude. Am frühen Nachmittag schlugen wir in Offenbach auf.
Wir setzten uns in ein Café am Marktplatz und tranken etwas, als meine Freundin hinter mich deutete und sagte: »Guck mal, der geht bestimmt auch zum Konzert!«. Ich drehte mich um, dann wieder zurück zum Tisch und machte ein zustimmendes Geräusch. Als mein Gehirn mir erlaubte, zu glauben, wen ich gerade gesehen hatte, drehte ich mich ruckartig noch einmal herum, sah genauer hin, und er war es: Vinny Appice! Als wir uns überwunden hatten, ihn anzusprechen, zitterten uns zwar die Knie, aber Vinny war supernett und sofort zu einem Autogramm sowie zu einem Foto mit uns bereit.
Das fing ja gut an! Nachdem wir uns mit einem »See you tonight« verabschiedet hatten, machten wir uns auf die Suche nach der Stadthalle, die wir nach einem langen, langen Fußmarsch gegen 16 Uhr erreichten. Busse, Autos, Langhaarige in Dio- und Black Sabbath-Shirts - hier waren wir richtig.
Als wir uns stundenlang die Beine in den Bauch gestanden hatten, um unter den ersten zu sein, die reingelassen wurden, war es endlich soweit und der deutsche Support-Act Stone The Crow heizte die brütende und stickige, weil prall gefüllte Stadthalle an. Ihr moderner, jugendlicher Metal überschritt zwar die Grenze zum Nu-Metal nicht, kam aber dennoch nur mittelmäßig beim Publikum an, das die Sabs nun kaum noch erwarten konnte. Nach dem nächsten Soundcheck, der - wie immer - ewig zu dauern schien, wurde es jedoch plötzlich still und dunkel. Jubel brach aus und das Intro "E5150" über Offenbach herein. Dann kamen sie endlich: Geezer schnallte sich seinen Vigier-Bass um, Tony hatte seinen langen Ledermantel wegen der Hitze zumindest gegen einen Stoffmantel eingetauscht, Vinny nahm vor dem Logo mit den drei sündigenden Engeln Platz, Scott Warren begab sich neben der Bühne hinter die Tasten und Ronnie kam wiegenden Schrittes auf die Bühne und ließ, wie bislang auf jedem Konzert in diesem Jahr, einen markerschütternden Schrei zum Einstieg in "The Mob Rules" erklingen. …Obwohl die bisherigen Europa-Konzerte Festivalauftritte waren, war also klar, dass auch diese Setlist im Vergleich zum Rest der Welt verkürzt sein würde, denn sonst hätte der Opener "After All (The Dead)" geheißen. Später erfuhr ich, dass dies daran lag, dass der Veranstalter den Zapfenstreich auf 23 Uhr gelegt hatte. Sei's drum! Der Sound war - natürlich - extrem laut, und man konnte sowohl Geezer als auch Tony deutlich hören, die beide wie die Leibhaftigen spielten. Während des Herzstücks "Heaven And Hell" und als Intro zu "Die Young" ließ sich Tony natürlich nicht seine grandiosen Soli nehmen, während Ronnie ein paar kleine Pausen einlegen konnte. Der Klang seiner SG war wie immer unverwechselbar und seine gottgleiche Bühnenpräsenz atemberaubend.
Die Stimmung innerhalb der Band ist sogar so gut, dass Tony und Ronnie zwischendurch gar ein kurzes Solo-Duell einbauten, in dem jeder zeigte was er konnte und der andere ein herausgefordertes Gesicht aufsetzte und eine Antwort folgen ließ. Unbezahlbar. Wer hätte das nach all diesen Jahren gedacht? Ronnie scherzte und lachte viel mit allen drei Kollegen sowie auch mit dem Publikum und verbreitete ein warmes, herzliches Gefühl der Zufriedenheit.
Ebenso bildeten Geezer Butler und unser neuer Freund Vinny Appice eine perfekt eingespielte Rhythmus-Sektion, die des Namens Black Sabbath würdig war.
Tatsächlich war Geezer an diesem Abend mein heimliches Highlight. Zwar sieht er beim Spielen kaum von seinem Bass auf, aber wer ihn kennt, konnte dennoch bemerken, wieviel Spaß die Ikone an den Songs hatte, die ihm viel Platz zum Improvisieren lassen. So füllte er jeden noch so kurzen freien Moment mit Stegreif-Läufen, die stets passten und mich immer wieder begeisterten. Man hatte die Jahre zuvor nicht unbedingt viel Gelegenheit, zu erkennen, wie schnell ein Geezer Butler sein kann, wenn er will. Wie viele durchdachte Noten er in winzige Zwischenräume nahtlos einfließen ließ, war beeindruckend.
Auch Vinny geizte nicht mit seinen Drummer-Reizen, schlug gewohnt hart zu und spielte tatsächlich besser als vor zehn Jahren auf "Dio's Inferno". In Metal-Kreisen ist es nicht unbedingt selbstverständlich, dass ein Schlagzeug-Solo die Leute mitreißen kann, aber Vinny hat's geschafft. …Nach der Zugabe, der schwergewichtigsten und donnerndsten Version von "Neon Knights", die ich je gehört habe (bei der nicht mal der Kopf von Geezer's Techniker, Neffen und Solo-Gitarristen Pedro Howse am Bühnenrand still blieb), war es vorbei und Heaven And Hell verabschiedeten sich, verschwitzt, erschöpft, aber sichtlich zufrieden - wie alle in der Offenbacher Stadthalle. Vinny erspähte mich sogar, zeigte auf mich und wollte mir seinen zweiten Drumstick zuwerfen, den ich sogar noch in der Luft berührte - aber der Skrupellosigkeit der Leute um mich hatte ich nichts entgegenzusetzen. Was aber nicht schlimm war, denn statt dessen ergatterte meine Freundin drei Plektren von Tony Iommi.
Nachdem wir für zwei Becher Wasser fünf Euro ausgeben und danach feststellen mussten, dass T-Shirts für den stolzen Preis von 30 Euro verkauft wurden, verließen wir, ohne etwas zu kaufen, aber hochzufrieden die Halle und stiegen in den nächsten Bus. Strapaziös, anstrengend, schmerzhaft, brütend heiß, stinkende Massen - der Tag war nicht leicht gewesen, aber das war's alles wert - davon konnte mich nicht mal mehr der Satz »Da hat jetzt aber Paranoid gefehlt!« beim Rausgehen abbringen.
Line-up:
Ronnie James Dio (vocals)
Tony Iommi (guitar)
Geezer Butler (bass)
Vinny Appice (drums)
Scott Warren (keyboards)
Setlist |
01:E5150
02:The Mob Rules
03:Children Of The Sea
04:I
05:Sign Of The Southern Cross
06:Voodoo
07:Vinny Appice solo
08:Computer God
09:Falling Off The Edge Of The World
10:Shadow Of The Wind
11:Tony Iommi solo - Die Young
12.Heaven And Hell
13.Neon Knights
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