Hattler / Live Cuts II
Live Cuts II Spielzeit: 54:38 (CD 1), 55:21 (CD 2)
Medium: Doppel-CD
Label: Bassball Records, 2014
Stil: Soul, Fusion, Pop


Review vom 17.03.2015


Steve Braun
Man kann ja durchaus bei so manchem Musiker, der die magischen '60' überschritten hat, ein (wohlverdientes) Kürzertreten registrieren. Schließlich - meint auch der Schreiber dieser Zeilen zu wissen - ist Musik nicht die einzige Triebfeder des Lebens. Hellmut Hattler versprüht dagegen nach wie vor eine atemberaubende Energie, auf den Bühnen wie im Studio gleichermaßen. Er haut nicht nur regelmäßig neue Alben raus, sondern man glaubt zudem, eine beständige Weiterentwicklung wahrzunehmen.
Hier ruht sich also einer nicht auf seinen Lorbeeren als fraglos bester Bassist Deutschlands aus und zitiert Kraan'sche Glanzzeiten in Endlosschleifen. Nope - Hattler zeigt sich einerseits aufgeschlossen gegenüber modernsten (elektronischen) Sounds und öffnet sich zunehmend anspruchsvoll souliger Popmusik, wofür er mit der fantastischen Sängerin Fola Dada die kongeniale Partnerin gefunden hat. Dabei verleugnet er andererseits zu keinem Zeitpunkt seine jazzrockigen Wurzeln und verwebt diese geschickt in einen zeitgemäßen Kontext. Das Produkt ist eine erfrischend abwechslungsreiche Musik - ob im Studio (zuletzt mit The Kite) oder der hier vorliegenden Live-Scheibe, "Live Cuts II" betitelt.
Die 21 Live-Takes wurden weitgehend mit dem Line-up von "The Kite" eingespielt - also (neben Fola Dada) mit dem göttlichen Torsten de Winkel an den Gitarren und dem schlaggewaltigen Oli Rubow an den Drums. Folglich sind immerhin fünf Songs dieses Albums vertreten.
Die Aufnahmen lagen bereits seit längerem zum Download bereit, doch echte Musikfreunde sind nach wie vor Haptiker und lassen sich nur schwer mit digitalen Mätzchen befriedigen. Ergo wurde im vergangenen Herbst "Live Cuts II" gepresst und damit nach vier Jahren eine Fortsetzung von "Live Cuts I" realisiert. Erneut handelt es sich um keinen klassischen Konzertmitschnitt, sondern um ein abwechslungsreich zusammengestelltes Sammelsurium verschiedenster Auftritte.
Die zumeist jazzrockig grundierten Instrumentals halten sich dabei mit den souligen Popsongs in etwa die Waage. Hier wirkt aber nichts 'zusammengestoppelt' - die fast zwei Stunden fließen wie aus einem Guss dahin. Nach dem ziemlich 'kraanigen' Start mit "Noël" folgt ein ganzer Block von soulig-beseelten Nummern, bei denen sich die stimmlich glänzend aufgestellte Fola Dada in den Mittelpunkt der Show stellen darf. Sehr modern und tanzbodentauglich präsentiert sich der "C64", während "Bon Ami" ein wenig an Dreadlock Holidays erinnert oder "Marseille" glühend 'funkt'. Noch Fragen bezüglich des Abwechslungsreichtums'?
Danach steht erst einmal die Band im Mittelpunkt und mit "The Terrace" und vor allem mit dem hypnotischen "Nachtstrom" bekommen endlich auch die Kraan-Jünger die Vollbedienung. Bei "Lilo & Max" darf Torsten de Winkel loslegen und demonstrieren, warum er fraglos einer der besten Jazzgitarristen des Landes ist.
Die perfekte Symbiose aus 'Alt' und 'Modern' - und damit vielleicht das Highlight schlechthin - stellt für mich "Delhi News" dar. Dieses Stück scheint den Aufbruch der sogenannten Zweiten Welt zu atmen. Hattlers Bass faucht und schnurrt gleichermaßen, während atmosphärische Synthesizer- und Sitar-Sounds eine wabernde 'Wall of Sound' erzeugen. Fola Dada steuert einige vokalistische Farbtupfer bei... ein Killer!!
Sehr Metheny-haft und kaum weniger beeindruckend präsentieren sich "Whatchagonnado" und "New I.D.", was an de Winkels jazzigen Metriken wie an Rubows irre 'kesselnder' Rhythmik gleichermaßen liegt.
Ein kleiner "The Kite"-Block leitet auf die Zielgerade über, wobei - nicht nur durch Joo Krauss' Trompete - "Patient" aufs Angenehmste an frühe Mahlzeiten aus der Jazzkantine erinnert und einen weiteren Glanzpunkt von "Live Cuts II" markiert.
Ein letzter wunderbarer Popsong ("Wonderworld") und eine Art stilistische Zusammenfassung der gerade gehörten knapp zwei Stunden ("Swing Ur Soul") beenden einen gnadenlos überzeugenden 'Doppelschlag', quasi eine musikalische Links-rechts-Kombination von Hellmut Hattler.
Das fehlende Booklet wäre wohl das Einzige, was man bemängeln könnte. Dafür wird "Live Cuts II" aber zu einem (für eine Doppel-CD) sehr günstigen Preis angeboten, der eine Kaufentscheidung garantiert nicht behindert. Tolles Album, Mr. Bassman!!
Line-up:
Hellmut Hattler (bass, vocals)
Fola Dada (vocals)
Tosten de Winkel (guitars, E-Sitar)
Oli Rubow (drums)
Additional Musicians:
Jürgen Schlachter (drums - #1)
Joo Krauss (trumpet, vocals - #19)
Tracklist
CD 1:
01:Noël (4:08)
02:C64 (5:07)
03:To Bed (3:06)
04:Bon Ami (4:35)
05:Mirrorman (4:48)
06:Marseille (3:13)
07:Nachtstrom (7:17)
08:Tag 2 (4:14)
09:Lilo & Max (2:47)
10:The Terrace (7:34)
11:Fine Days (2:37)
12:Dimitri (5:11)
CD 2:
13:Delhi News (8:00)
14:Someone Alive (5:26)
15:Whatchagonnado (7:20)
16:New I.D. (7:34)
17:The Kite (4:23)
18:Ballhaus Rubeau (4:50)
19:Patient [Like The Water] (6:03)
20:Wonderworld (5:18)
21:Swing Ur Soul (6:27)
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