Hollywood Blue Flames / Deep In America
Deep In America Spielzeit: 51:35 (CD 1), 68:35 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Delta Groove Music, 2010
Stil: Blues

Review vom 24.02.2010


Joachim 'Joe' Brookes
Geht es uns allen nicht so?
Aufräumen zählt bestimmt nicht zu den Lieblingstätigkeiten von zig Personen. Dagegen hat der bekannte Spruch 'Wer aufräumt, ist nur zu faul zum Suchen' einen nicht von der Hand zu weisenden Charme.
Zu welchem Erfolg Ordnung schaffen bei Musikern führen kann, belegt vorliegendes Album.
Bassist Larry Taylor trifft auf »a box while cleaning out his garage.«
Darunter waren auch veraltete ADAT-Aufnahmen der Hollywood Blue Flames mit dem Titel "Deep In America" und Material der Hollywood Fats Band. Die erste CD des Doppeldeckers steht unter dem Zeichen Hollywood Blue Flames mit den Gitarristen Junior Watson sowie Kirk Fletcher.
Der zweite Silberling vervollständigt die Geschichte der Hollywood Fats Band mit dem genialen Gitarristen Michael Mann, eben besser bekannt unter seinem Spitznamen Hollywood Fats.
Das Doppelalbum liefert folglich einen Überblick von sage und schreibe dreißig Jahren Bandgeschichte unter zwei verschiedenen Namen.
Aber letztendlich, mit Ausnahme der verschiedenen Gitarristen, in einem beständigen Line-up, das wahrlich jeden Bluesfan mit der Zunge schnalzen lässt: Al Blake, Fred Kaplan, Richard Innes und der bereits weiter oben erwähnte Hüter der Ordnung Larry Taylor.
CD 1 enthält alte Songs in frischem Gewand und Neueinspielungen.
Bei den insgesamt vierzehn Nummern der ersten Platte wechselt es zwischen den beiden Gitarristen munter hin und her. Wobei man sich in "Bad Boy Blues", einer Blake-Komposition, ein Stelldichein gibt.
Den feinen Blues liefert man auch in unterschiedlichen Besetzungen. Neben dem Schwerpunkt auf das komplette Line-up finden sich auch Perlen, in denen der Sänger Blake alleine vertreten ist. Er greift ja ebenfalls zur Harp oder der Gitarre. Einen Song bestreitet er mit dem Pianisten Kaplan und dieser wiederum ist in seinem Eigengewächs "Hushpuppy" solo unterwegs.
Bluesherz, was willst du mehr?
Die erste Platte ist eine prickelnde Angelegenheit, denn der 12-Takter wird auf einem ganz hohen Level dargeboten. "Deep In America" ist ein Festival an Songs und zieht einen riesigen Kreis um das Genre. Die Musiker sind quasi mit dem Wasser des Mississippi getauft worden. Die Band hält die Fahne des traditionellen Blues ganz hoch in die Lüfte und wenn Blake seinen "Music Man" präsentiert, befinden wir uns im tiefsten Delta des Bluesflusses. Hart gezupften Saiten der akustischen Gitarre steht sein Harpspiel und Gesang gegenüber. Perfekter Country Blues alter Prägung in frischem Outfit, so könnte man den Song überschreiben. Das anschließende "Leavin' California" stammt ebenfalls von Blake und hier gibt es dann eine dermaßen relaxte Pianobegleitung von Kaplan. Umwerfend!
Diese Reihe von Tracks wird etwas später vom Sänger, sich nur auf der Akustischen begleitend mit "Hip-Hoppin' Toad" fortgesetzt. Blues aus der Pre-War-Ära wird in bester Manier und Feeling fürs Detail geboten. Danach kommt der Tastenmann zu seiner Soloeinlage. Wie man auf dem Piano grooven kann wird hier mehr als deutlich. Kaplan streut dabei noch eine Prise Honky Tonk ein.
Wenn die gesamte Band aufspielt reicht die Palette von herrlichen Slowsong bis hin zu Tracks, die durchaus für die Tanzfläche geeignet sind. Es groovt an allen Ecken und Enden. Nur der Opener liefert da die bekannte Ausnahme. "Nit Wit" ist cooler Jazz mit einem tollen Junior Watson an der Halbakustischen.
"Deep In America": Da ist man begeistert und kommt ins Schwärmen.
Sind die knapp zweiundfünfzig Minuten um, kommt eine gigantische Zugabe von fast siebzig Minuten.
Er ist dann doch dabei, auch wenn das Album unter den Hollywood Blue Flames einsortiert wird. Nicht ohne Grund heißt es "Larger Than Life, Vol. 2", denn den ersten Teil dieser Rückblende auf die Hollywood Fats Band bekam man bereits 2006 mit dem Inhalt von "Road To Rio", ebenfalls auf dem Label Delta Groove Music erschienen, mitgeliefert.
Die Aufnahmen stammen auch hier aus den Jahren 1979 sowie 1980.
Die Liveplatte prickelt noch mehr.
Nach seinem Tod 1986 wurde die Band, die seinen Spitznamen trug, aufgelöst. Neben der vom Bluesbruder Jürgen besprochenen Platte ist ja leider nicht viel mehr von dem Ausnahmegitarristen überliefert.
Durch die drei verschiedenen Aufnahmeorte herrschen spürbar unterschiedliche Stimmungen vor, aber das Flair der Clubs haftet allen zwölf Song an.
Ein ganz besonderes Highlight ist Freddie Kings Instrumental "Hide Away".
Hier machen die Kleinigkeiten in Fats' Spiel den besonderen Unterschied aus und unmittelbar danach folgt "Kansas City" mit einem famosen Kaplan und Groove, der umwerfend ist. Diese Innes/Taylor-Kombination ist Gold wert.
Man setzt noch einen oben drauf, denn die letzten vier Tracks werden durch einen weiteren Al zum Genuss. Gemeint ist Al Duncan, der Sessiondrummer für das Chess- und VeeJay Records-Label war.
Obwohl man die Restauration der Bänder mit Samthandschuhen durchgeführt hat, nimmt die Klangqualität beim Instrumental "Jumpin' With Duncan" etwas ab. Aber was soll es... die Genialität der Musiker hat Bestand.
Wie man einem Song zwei völlig unterschiedliche Gesichter geben kann, zeigt das Wiederhören mit "Nit Wit", das jetzt als furioser Rock'n'Roller daher kommt.
Bluesgenuss in seiner unverfälschten Form.
Da bleibt nur, dieses Doppelalbum kompromisslos zu empfehlen. "Deep In America" wird ein echtes Schätzchen in der Sammlung sein...
Line-up: Hollywood Blue Flames
Al Blake (vocals, harmonica, guitar)
Kirk Fletcher (guitar)
Junior Watson (guitar)
Fred Kaplan (piano)
Larry Taylor (bass)
Richard Innes (drums)
Line-up: Hollywood Fats Band
Al Blake (vocals, harmonica)
Hollywood Fats (guitar)
Fred Kaplan (piano)
Larry Taylor (bass)
Richard Innes (drums)
Al Duncan (drums - #9,10,11,12)
Tracklist
CD 1:Deep In America
01:Nit Wit (2:13)
02:Rambler & Rollin' Stone (6:40)
03:Cresent City Rock (2:24)
04:My National Enquirer Baby (4:30)
05:Music Man (3:13)
06:Leavin' California (3:38)
07:Jalopy To Drive (aka Sonny's Boy's Jump) (3:52)
08:Bad Boy Blues (3:40)
09:I Don't Care (3:23)
10:Rocky Mountain Blues (2:54)
11:Hip-Hoppin' Toad (4:10)
12:Hushpuppy (2:38)
13:Fly Like The Eagle, Cry Like The Dove (4:07)
14:He's A Blues Man (4:10)
CD 2:Larger Than Life, Vol. 2
01:She's Dynamite (4:56)
02:Blue And Lonesome (3:35)
03:Hide Away (4:19)
04:Kansas City (7:36)
05:half Steppin' (5:44)
06:Read About Me Baby (5:44)
07:Nit Wit (5:45)
08:Blues After Hours (7:45)
09:Jumpin' With Duncan (9:55)
10:Lonesome (2:44)
11:Shake Your Boogie (6:02)
12:Baby, Let's Play House (5:16)
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