Honigdieb / Seelentropfen
Seelentropfen Spielzeit: 54:49
Medium: CD
Label: Idiots Records, 2007
Stil: Deutschrock

Review vom 01.11.2007


Norbert Neugebauer
Man muss einem RockTimes-Redakteur auch einmal zugestehen, dass er kapituliert. Dass er aus lauter Not heraus und trotz besseren Wissens, mit übervollem Musikhirn, aber sprachlicher Unbeholfenheit, für den Review-mäßig zwangsläufig erforderlichen Musikstil die zudem noch überaus ungeliebte Pauschal-Schublade 'Deutschrock' aufmacht, für das, was ihm da von der Platte "(3x tägl.) Seelentropfen" dramatisch-fröhlich entgegenschallt.
Die zu Rate gezogene Bandpage definiert den Sound so: »Zum Hauptgericht 'Chanson' nehme man eine bunte Mischung aus Pop, Funk, Soul und Ska, hinzu kommt je eine kleine Prise Charleston, Tango, Klassik - auch mal Punk: Nichts ist unmöglich, alles ist erlaubt! Lachen ist Trumpf, vor allem über sich selbst!«
Also, unter 'Chanson' versteht der hier tätige Chronist im landläufigen Sinn zwar was anderes, aber was soll's, der Rest stimmt allemal. Abwechslungsreiche, flotte Mucke, mit meist witzigen, frechen, manchmal auch recht banalen, aber immer irgendwie lockeren Texten, die Laune macht und ihre Herkunft in der pickeligen Ruhrpott-Schönheit Dortmund hat. Der Honigdieb an sich scheint »Sir Hannes Smith bekannt von der Crossover-Vorreiter Band PHANTOMS OF FUTURE u. der Punklegende The IDIOTS« zu sein, dem fränkischen RockTimer bislang gänzlich unbekannt, der ob der unterschiedlich verwendeten Personalpronomina auch die Möglichkeit nicht ausschließt, dass mit diesem dritten Gemeinschaftswerk vielleicht inzwischen doch die Band als solche gemeint sein könnte.
Aber auch das erscheint nicht unbedingt relevant, das alles klingt so schräg, dass ein Einzelner das sowieso nicht zustande zu bringen vermag. Die 13 Stücke bieten ein buntes Durcheinander von Stilen, Versatzstücken, Zutaten und Einfällen, wovon als einziger gemeinsamer Nenner wirklich nur die Sprache übrig bleibt. Und es rockt auch noch sehr ordentlich, absolut erfreulich und erfrischend, ganz im Gegenteil zu dem, was sonst so unter dem hier auch nur mit großem Widerwillen verwendeten Jäckchen antanzt.
Zwangsläufig kramt der zutiefst irritierte Hörer und zum Beschreiben verurteilte Mensch am PC nach Vergleichen in seinem musikalischen Gedächtnis und da findet sich so manches. Da wäre erstmal die Stimme und deren Diktion. Der Sir klingt öfters nach dem 'Eff Jott' Krüger von Ideal und da ist auch viel von der Unbekümmertheit der NDW, die auch mal punkig losballert. Die frühen Ärzte oder die Nina Hagen Band standen da wohl mit Pate. Bloß, wenn dann die Querflöte von Anca Pop oder Raimund Gitsels' Geige dazwischen fummeln, dann stimmt das Bild nicht mehr. Das driftet dann auch schon mal Richtung Gothic-Düsternis, aufgehellt von folkloristischen Himmelsfenstern, ab. Pogo-Ska und Polka mit wilden Rhythmuswechseln gehören ebenso zum Repertoire, das muss live ja wirklich abgehn wie die Sau! Aber auch gepflegte Melancholie à la Element Of Crime beherrschen die Revier-Musikanten.
So wie mit den Stilen spielen die Honigdiebe mit den Texten, mal ernst, mal Nonsens, meistens ein Mischmasch daraus und oft geht es auch recht derb zu. Kein Wunder, dafür zeichnet ja auch 'Till Eulenspiegel' verantwortlich. Und Bruder 'Robin Hood' ist für die Töne zuständig …
Die Band und ihr drittes Album "Seelentropfen" sind jedenfalls ein Lichtblick in der deutschsprachigen Rocklandschaft, von diesem rotzfrechen Charme können sich andere Bands in dem Genre dicke Scheiben abschneiden!
Zu den aufgelisteten 13 Songs gibt's noch einen namenlosen Hidden-Track, der schon hier als die absolute Mitsing- und Mitschwenknummer losgeht »… nanana … ja wenn die Sonne unsere Wangen küsst, nanana, nanana, nanannanana nanana …« (Und der Rezensent grübelt, woher er denn diese geniale Silbenfolge kennen möchte …)
Line-up:
Sir Hannes Smith (Gesang, Chorgesang, Spezialinstrumente)
Carsten Risch (Kontrabass)
Anca Pop (Querflöte)
Stefan Göbel (Gitarren)
Matthias Bonheger-Kadel (Schlagzeug & Percussion)
Raimund Alfons Gitsels (Geigen)
Till Eulenspiegel (Texte)
Robin Hood (Musik)
Tracklist
01:Verkehrt
02:Augenöffner
03:Seelentropfen
04:Immer für dich da
05:Hallo Neider
06:Smarties
07:Pille(n)mann
08:Dumm ist, der Dummes tut
09:Bevor du gehst
10:Mädchen mit den roten Haaren
11:Wenn schon, denn schon
12:All das, was ist
13:Fischstäbchen
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