Ian Hunter / Man Overboard
Man Overboard Spielzeit: 47:27
Medium: CD
Label: Blue Rose Records, NewWest Records, 2009
Stil: Rock

Review vom 19.09.2009


Markus Kerren
Einmal mehr kaum zu glauben, aber die Fakten liegen klar auf dem Tisch. Ian Hunter ist mittlerweile auch schon stolze 70 Jahre alt. Auf der anderen Seite: Wen kümmert's? Den englischen Rock'n'Roll-Veteranen wahrscheinlich am allerwenigsten, schließlich hat der Meister auf Ruhestand noch sehr lange keinen Bock. Denn neben seiner eigenen Tour gibt es in diesem Jahr in England sogar noch eine gute Handvoll Reunion-Konzerte mit seiner ersten großen Band, Mott The Hoople. Und so ganz nebenbei legt Mr. Hunter auch noch sein neues Studio-Album "Man Overboard" vor.
Ein ganz großer Pluspunkt, der für den Briten spricht, ist, dass Hunter sich und seiner Musik immer treu blieb, was ihm ab den achtziger Jahren zwar schwindende Plattenverkäufe, aber auch einen ganz festen Stamm an treuen Fans einbrachte. Dass der Mann nicht nur ein guter Sänger, sondern auch begnadeter Songwriter und Musiker ist, sollte erst gar nicht zur Diskussion stehen und abgesehen von ein paar ganz wenigen Ausrutschern (wie z.B. "Short, Back 'N Sides" von 1981) gibt es eigentlich auch kaum ein schlechtes Album, das unter seinem Namen erschien.
Leider habe ich die beiden Vorgänger-Alben "Rant" und "Shrunken Heads" (aus welchen Gründen auch immer??) bisher nicht in die Finger bekommen, aber nun liegt ja "Man Overboard" vor. Und die neue Scheibe ist mal wieder eine reine Offenbarung im 'Hunter'schen Sinne'. Der Mann rockt, schreibt und singt immer noch so gut, wie eh und je. Und wenn seine Stimme heute auch nicht mehr ganz so kräftig klingt wie etwa noch vor 20 Jahren, so ist er immer noch so effektiv am schimpfen, motzen und meckern, dass dem Zuhörer nach wie vor ein wohliges Lächeln über die Lippen gleitet.
Auf diesem neuen Album reihen sich gekonnte Perlen wie "The Great Escape", "Arms And Legs", "Up And Running" oder "Flowers" aneinander und geben sich im Vorbeigehen qualitativ die Klinke in die Hand. Der eigentliche Hit dieser Scheibe ist, bzw. wäre "Girl From The Office", mit seiner Leichtigkeit und schnell einprägsamen Melodie. Hätte das Radio leider nur eben nicht vergessen, dass es den Namen, bzw. die Person Ian Hunter jemals gab...
Insgesamt wechselt sich Midtempo-Rock mit leichtem Hang zu Americana gekonnt mit tollen Balladen ab. Und wer kann sich in einem Song eigentlich noch so richtig schön aufregen wie unser Protagonist bei der Textpassage »...what's the matter? What's the matter?? What's The matter??? WHAT'S THE MATTER????...« (aus dem Track "Babylon Blues")??
Aber schlussendlich haben wir es hier nicht nur mit dem Mann zu tun, der Allzeit-Rock-Klassiker wie z.B. "Once Bitten Twice Shy" (1975, u.a. gecovert von Great White) oder "All The Way From Memphis" geschrieben, sondern auch solche unter die Haut gehenden und unvergessenen Balladen wie "Irene Wilde" oder "Ships" fabriziert hat. Dass er das auch heute noch kann, zeigt er auf diesem Album mit dem herrlichen "Win It All".
Außerdem besondere Erwähnung verdient der Titel-Song, der durch tolles Songwriting glänzt und als eines der Highlights genannt werden muss. Hier outet sich Hunter als immer noch aktiver Quertreiber, der sich nach wie vor nicht mit den vorgegebenen Regeln der so genannten Gesellschaft und den gegebenen Normen anfreunden kann und will.
Dass die Gesangsmelodie der Strophen von "River Of Tears" etwas an Bob Dylans "Love Minus Zero/No Limit" erinnert, verzeiht man Hunter, der die gesamten 40 Jahre seiner bisherigen Karriere einen leichten Hang zu Dylan hatte, gerne, denn der komplette Rest dieser Scheibe ist überdurchschnittlich gut ausgefallen und insgesamt ist "Man Overboard" sein Geld absolut wert.
Ganz dicke Empfehlung an alle Freunde anspruchsvoller Rock-Musik, die Wert auf sowohl gutes Songwriting, als auch eine dicke Portion Feeling legen. Ian Hunter hat sich seine hohe Kreativität, seine Wut und seine tiefen Emotionen nicht nur bis ins hohe Alter erhalten können (ohne abzustumpfen bzw. gleichgültig zu werden), er kann ihnen sogar nach wie vor hervorragend Ausdruck verleihen. Und das auf einem Qualitäts-Level, das zu Erreichen ganz sicher nicht die leichteste Übung sein dürfte.
Hut ab, bzw.: 'Hats off to (Ian) Hunter', um mal einen (leicht abgeänderten) Zeppelin-Songtitel auszuleihen!!
Line-up:
Ian Hunter (vocals, acoustic guitars, piano, harmonica)
Steve Holley (drums & percussion)
Paul Page (bass)
Jack Petruzzelli (electric guitars, slide guitar - #5, piano - #9)
James Mastro (electric, baritone & slide guitars, mandolin)
Andy Burton (Hammond, accordion, Wurlitzer, piano, Marxophone, harmonium, harpsichord)
Andy York (banjo, electric, baritone & acoustic guitars, chamberlain, percussion, background vocals)
Tracklist
01:The Great Escape
02:Arms And Legs
03:Up And Running
04:Man Overboard
05:Babylon Blues
06:Girl From The Office
07:Flowers
08:These Feelings
09:Win It All
10:Way With Words
11:River Of Tears
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