Als ich neulich Jürgen Kerth zu einem Interview bat und ich mir anschließend sein Konzert anschaute, traf ich währenddessen unseren Gastschreiber Matthias Ziegert. In einer kleinen Pause fragte er mich: »Kennst Du die Joris Hering Blues Band?« »Nein.« Und da wir doch irgendwie Kollegen sind, sandte mir Matthias umgehend das aktuelle Werk von Joris Hering & Co., "Unterwegs", zu.
Heidewitzka, so wie ich es schon bei meiner Kai Strauss-Rezension feststellte: »Mittlerweile braucht der deutsche Blues(rock)liebhaber gar nicht mehr so weit über den Tellerrand zu schauen« wird meine Aussage von der Joris Hering Blues Band noch mal fett bestätigt. Seit zehn Jahren existiert die gesamtdeutsche Kapelle, verinnerlicht richtig gute instrumentale Rockmusik mit ebenso alltagstauglichen Texteinlagen. Apropos Texte: Die werden von Joris in seiner Landessprache vorgetragen und brillieren mit sehr gehaltvollem Inhalt. Alle Lieder erzählen eine kleine Geschichte. Kein sinnloses 'Blabla' der Marke "Es fährt ein Zug nach nirgendwo" - nein, hier haben die Songarchitekten wirklich ihre Gehirnzellen gebraucht und erzählen viele Anekdoten, die das Leben so schreibt. Schon der Opener und gleichzeitige Titeltrack "Unterwegs" lässt mit folgenden Lyrics aufhorchen: »Ich hab eingekauft und vollgetankt, schmeiß die Tasche hinten rein! Mach bitte schnell, worauf wartest Du? ...«. Thomas Schied ist derjenige, der dem Teil durch sein glänzendes Harp-Gebläse genau das Gewürz verleiht, mit dem "Unterwegs" schon mal ein fettes Ausrufezeichen setzt und Appetit auf mehr macht.
Als Liebhaber gitarrenlastiger Musik fällt besonders Joris' Geklampfe bei mir ins Gewicht. Sicherlich ist es nicht das Nonplusultra, aber mir gefällt sein authentisches Spiel. Dabei setzt er nicht auf Schallgeschwindigkeit, die auf Teufel-komm-raus an den Saiten schreddert - nein, er weiß genau, was er tut bzw. spielt. Er setzt überwiegend auf einen leicht rotzigen, hier und da sogar leicht aggressiv wirkenden Sound. Daher wirkt sein Spiel nie überproduziert, sondern eher roh und seine Soli hinterlassen eindrucksvolle Spuren, was dem gesamten Album sehr gut zu Gesicht steht.
Leichter, hintergründiger Landregen lässt "Regen" zu einem wunderbaren trägen Slow Blues heranreifen. Nachdem Joris sich gesangstechnisch über die fallenden Wassertropfen ausgelassen hat, ist es wieder sein leicht verzerrt wirkendes Gitarrenspiel, das zwischendurch für spielerisch herausragende Elemente sorgt und damit bei mir schwer punktet. Außerdem fällt hier noch das geradezu melancholisch rüberkommende Keyboard von Tastenspezi Artur Kühfuß auf, das zum "Regen" passt wie die Faust aufs Auge. Nachfolgend gibt es einen tollen Groove, bestehend aus viel Swing und Boogie, auf die Lauschlappen. "Wunderschön" heißt das Stück und genauso kommt es bei mir auch an - wunderschön!
Im Prinzip ist es schon fast egal, welchen Song man sich zu Gemüte führt. Trotz vorhersehbarem Strickmuster - Blues ist eben Blues - gibt es trotzdem bei jedem Lied viel zu entdecken. Auch wenn Joris mit seinen Stimmbändern keine Chance hat, einen Grammy abzugreifen, so kann ich dem Interessierten trotzdem nur raten, genau hinzuhören, denn "Unterwegs" ist keineswegs für eine 'Zwischenmahlzeit' gedacht, sondern verlangt vom Zuhörer volle Aufmerksamkeit. Und ja, er scheint mit Jürgen Kerth irgendwie seelenverwandt zu sein, zumindest ist sein musikalischer Einfallsreichtum annähernd genauso gut wie der vom legendären Erfurter. Auch gut möglich, dass ich mit Joris Hering Kerths Nachfolger entdeckt habe, falls das ostdeutsche Blues-Urgestein irgendwann seine Klampfe an den Nagel hängen sollte.
Bis auf "Feuer" und "Isolde" hat Joris alle Lieder selbst entworfen und diese ohne Ausnahme mit deutschem Textgut versehen. Warum auch nicht? Gibt es meiner Meinung nach eh kaum noch deutsche Rockmusiker, die sich ihrer Muttersprache widmen. Von meiner Seite aus gibt es nichts Gravierendes zu bemängeln. Allerdings stehe ich auch auf Musiker, die absolut glaubhaft und authentisch rüberkommen und sich trauen, ihren eigenen Weg ohne Wenn und Aber durchzuziehen. Ich bin jedenfalls vom Gehörten äußerst positiv überrascht worden. Obwohl: Wenn mir mein Kollege Matthias Ziegert schon einen Tipp wärmstens ans Herz legt, dann ist es meistens auch ein Tipp!
Line-up:
Joris Hering (Gesang, Gitarre)
Thomas Hering (Bass)
Hans Jürgen Beier (Schlagzeug)
Gäste:
Thomas Schied (Harmonika - #1,5)
Artur Kühfuß (Keyboard - #1,4,14)
Benjamin Perkoff (Saxofon - #14)
Tracklist |
01:Unterwegs (4:48)
02:Feuer (5:25)
03:Sie verließ mich heute Morgen (3:31)
04:Regen (6:23)
05:Wunderschön (3:21)
06:Puppe (5:08)
07:Isolde (4:13)
08:Fishtone Blues (4:04)
09:Lied für einen Fluß (2:49)
10:Katze (3:03)
11:Feierabend (6:09)
12:Heimstadt Blues (6:28)
13:Süße (4:25)
14:Der Mann von nebenan (5:56)
15:Katze [unplugged] (2:40)
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