Ronnie Hawkins / Ronnie Rocks
Ronnie Rocks Spielzeit: 76:40
Medium: CD
Label: Bear Family Records, 2008
Stil: Rock'n'Roll, Rockabilly

Review vom 22.03.2008


Markus Kerren
Ronnie Hawkins, 'The Hawk', Jahrgang 1935 und genau zwei Tage nach Elvis Presley geboren, taucht heutzutage in den Geschichtsbüchern des Rock'n'Roll eigentlich vor allem deshalb auf, weil er in den frühen Sechzigern eine Inkarnation seiner Begleitband The Hawks zusammenstellte, die danach mit Bob Dylan (u.a. auf dessen legendärer 1966er 'Judas-Tour' durch England) spielte und im Anschluss, schlicht als The Band betitelt, unter eigenem Namen Rockhistory schreiben sollte.
Zugegebenermaßen hatte 'The Hawk' aber auch nie den riesengroßen Erfolg. In seiner Heimat, dem US-Bundesstaat Arkansas erst recht nicht. Irgendwie verschlug es ihn dann Ende der fünfziger Jahre nach Kanada, wo gerade eine neue Club-Szene entstand. Und dort, vor allem in Toronto, war Hawkins der Mann schlechthin. Die Promoter rissen sich geradezu darum, ihn und seine wilde Live-Show zu buchen und plötzlich kamen auch Angebote von Plattenfirmen.
Ein paar Singles liefen ganz gut und dennoch wurden die Mahlzeiten und der Whiskey vornehmlich auf der Bühne verdient. Bear Family Records hat sich nun noch einmal der ganz frühen Phase von Ronnie Hawkins & The Hawks angenommen und präsentiert mit "Ronnie Rocks" grandiose 32 (!!) Aufnahmen der Jahre 1958 - 63, von denen es, wie damals üblich, gerade mal eine schafft, die Drei-Minuten-Grenze zu knacken.
Aber kommen wir endlich zur Musik, denn da bleibt eigentlich nichts zu wünschen übrig. Hawkins' Gesang ist jederzeit auf der Höhe, entweder mitreißend oder auch mal einfühlsam. Und Ronnies Band, von der bei den Aufnahmen aus den Jahren 1958/59 vor allem der Gitarrist Jimmy Ray Paulman und Willard 'Pop' Jones am Piano glänzen können, lässt auch rein gar nichts anbrennen, sondern ist zeitweise gar herausragend. Auf dem Drumhocker saß übrigens von Anfang an ein blutjunger Mark Levon Helm (Ex-The Band) der als Taktgeber bereits damals ein tolles Händchen für den besonderen Groove hatte.
Die ersten 21 Tracks (mit Perlen wie z.B. "Thirty Days", "Hey Bo Diddley", "Mary Lou", "Forty Days" oder "My Girl Is Red Hot") konzentrieren sich auf die Jahre 58/59, bevor dann ein Schnitt erfolgt und ins Jahr 1962 gesprungen wird. Wieder mal erstaunlich festzustellen ist, wie sehr sich der Sound der Hawks in nur drei Jahren gewandelt hatte. Robbie Robertson (Ex-The Band) war mittlerweile fest integriert, die Rockabilly-Anteile sind gänzlich verschwunden, das Saxophon spielt eine große Rolle, alles klingt etwas gezähmter und bei ein paar der Songs ist eine Lady mit 'Spiel mir das Lied vom Tod'-Background Vocals mit von der Partie.
Ronnie Hawkins komponierte nicht gerade wenige seiner Songs selbst, griff aber gerne auch mal auf Fremdmaterial von u.a. Bo Diddley, Chuck Berry, Hank Williams oder Carl Perkins zurück. Alles einwandfrei und ohne Anstände dargeboten. Selbstverständlich ist auch sein Aushängeschild "Who Do You Love" vertreten, mit dem er bei dem spektakulären Abschiedskonzert von The Band (festgehalten in dem Film "The Last Waltz") als Gast noch einmal Aufmerksamkeit erregen konnte.
Letztendlich gibt es hier mit "Horace" nur einen einzigen Track, der dem Rezensenten so gar nicht gefallen will, sondern vielmehr tierisch auf den Geist geht. Dagegen stehen 30 ("Horace" ist zweimal vertreten) Rockabilly/Rock'n'Roll-Nummern, die kein Auge trocken und kein Tanzbein ungeschwungen lassen. Schwer nachvollziehbar, warum es damals nicht zum Durchbruch gereicht hat, aber der ausschlaggebende Punkt war wohl, dass der Höhepunkt des Rock'n'Roll zu Hawkins' Hoch-Zeit bereits überschritten war, sprich im Sterben lag und das Timing einfach sehr ungünstig für den guten Ronnie war.
Aber immerhin können wir uns jetzt an dieser Zusammenstellung von der Bear Family erfreuen. Apropos Bear Family: Was das Label hier bezüglich Sound-Restaurierung geleistet hat, ist schlichtweg fantastisch. Frisch und klar spritzen einem die teilweise 50 Jahre alten Songs aus den Boxen entgegen, dass es nur so eine Freude ist. Dazu ein tolles Digi-Pack mit fettem und detailverliebtem Booklet zur Biografie und den Aufnahmesessions. So macht das Spaß und ist vor allen Dingen auch absolut seinen Preis wert!
Wer den Rock'n'Roll und Rockabilly der Endfünfziger und frühen Sechziger mag, der sollte hier blind zugreifen! Aber auch alle anderen Musikfreunde werden sich der puren Freude an dieser Compilation kaum entziehen können. 'The Hawk' rules!
Tracklist
01:Thirty Days
02:Hey Bo Diddley
03:Ruby Baby
04:Forty Days
05:Horace
06:One Of These Days
07:Wild Little Willy
08:Watcha Gonna Do (When The Creek Runs Dry)
09:Mary Lou
10:Oh Sugar
11:Odessa
12:My Gal Is Red Hot
13:Need Your Lovin' (Oh So Bad)
14:Dizzy Miss Lizzy
15:Hay Ride
16:Baby Jean
17:Southern Love
18:Hey Boba Lou
19:Clara
20:Honey Don't
21:Sick & Tired
22:You Know I Love You
23:Sexy Ways
24:Come Love
25:I Feel Good
26:Suzie Q
27:Matchbox
28:High Blood Pressure
29:Mojo Man
30:Hey Bo Diddley
31:Who Do You Love
32:Horace
Externe Links: