Iron Maiden/ The Book Of Souls
The Book Of Souls Spielzeit: 49:58 (CD 1) 42:10 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Parlophone Label Group (Warner), 2015
Stil: Heavy Metal

Review vom 24.05.2016


Philipp Röttgers
Iron Maiden ist seit vielen Jahren eine meiner Lieblingsbands. Seitdem ein Freund mir "The Nomad" gezeigt und ich kurz darauf den Einstiegsriff zu "The Wicker Man" gehört hatte, gab es kein Halten mehr und ich stöberte durch die Diskografie dieser großartigen Heavy Metal-Band. Dies mag für viele kein gewöhnlicher Einstieg in Iron Maiden sein. Ich begann mit "Brave New World", welches direkt - und bis heute - mein Lieblingsalbum der Band ist und bewegte mich von da aus chronologisch vorwärts und rückwärts. Ich kann jeder Phase etwas abgewinnen, meine bevorzugste ist jedoch dementsprechend die Phase ab Dickinsons und Smiths Rückkehr 1999. Alles, was seitdem kam, was sie zu sechst geschaffen haben, gehört für mich zum Besten, was sie gemacht haben. Bis The Final Frontier kam.
Das Album gefiel mir nicht. Es hatte zwei, drei gute Songs (mit "When The Wild Wind Blows" einen überragenden), aber irgendwie war es mir zu schwer, zu vertrackt - obwohl ich Progressive Rock-Fan bin! Vielen anderen Maiden-Fans, mit denen ich mich ausgetauscht habe, ging es ähnlich. Dementsprechend war ich gespannt, was vom 2015 erschienenen Doppelalbum "The Book Of Souls" zu erwarten sein würde.
Als Erstes: Das Album ist ein Monster - oder besser: ein Biest, um im Maiden-Vokabular zu bleiben. Ein Biest, welches gezähmt werden will, aber wenn man das einmal geschafft hat: WOW!
Mein erstes Durchhören war an einem verkaterten Samstagnachmittag - nicht die beste Grundlage. Ich wurde von der Wucht des Albums und jedes einzelnen Songs, jedes einzelnen Epos, fast vom Stuhl gefegt. Mir war direkt klar, dass ich mehrere Durchläufe bräuchte, aber es berührte mein Maiden-Herz direkt viel mehr als es "The Final Frontier" getan hatte. Da waren sie wieder. Und wie.
"If Eternity Should Fail" ist ein grandioser Opener, den Bruce Dickinson alleine geschrieben hat. Überhaupt ist seine Präsenz als Komponist auf dem Album allgegenwärtig. Nach dem typisch sphärischen Intro knallt die Band rein und wir sind wieder in der Welt von Iron Maiden. Der Sound ist ähnlich wie auf den beiden Vorgängeralben. Fast etwas dumpf und matschig, zu wenig Definition. Ein etwas weniger schwerer Sound wäre angebrachter, stattdessen etwas Knalligeres wie auf "Brave New World". Aber ok.
Mit "Speed Of Light" folgt die bereits gehörte Singleauskopplung, die mit einem witzigen Video-Game-Musikvideo aufwartet, das wieder voller Selbstreferenzen zur Geschichte der Band ist. Ganz witzig, aber so etwas machen die 'Jungfrauen' seit einiger Zeit eindeutig zu oft und zu viel. Das Lied an sich ist eine treibende Smith/Dickinson-Komposition mit schönem Refrain. "The Great Unknown" trägt das erste Mal die Handschrift von Bassist und Bandleader Steve Harris mit und ist nett. Das erste richtige Highlight des Albums folgt jedoch mit einer Komposition von ihm alleine: "The Red And The Black". Großartig. Das hat mich richtig aus den Socken gehauen. Natürlich ein Bass-Intro, später eine Ohrwurm-Melodie, die Gänsehaut garantieren wird, wenn alle sie mitgröhlen und ein traumhaftes, von Keyboards mitgetragenes Ende. Hammer. Hier ist auch jedes Solo am richtigen Platz und trotz der Länge wirkt es nicht übertrieben oder langatmig.
"When The River Runs Deep" lässt kurz verschnaufen. Es beginnt kräftig und galoppiert voran, bevor die erste CD mit dem zweiten Highlight abgeschlossen wird: "The Book Of Souls", dem Titeltrack. Hier hören wir endlich Janick Gers als Komponisten und wieder haben Steve Harris und er einen Meilenstein geschaffen. Ich oute mich hier als großer Janick Gers-Fan. Ein ruhiges Akustik-Gitarren-Intro, gefolgt von stampfenden, orientalisch angehauchten Strophen und einem Refrain, bei dem man zum Himmel und den darin besungenen Göttern beten möchte. Epik pur. Das ganze Schema wiederholt sich, dann haben wir - typisch für Maiden - einen kleinen Bruch und was folgt ist der rasende 6/8-Teil. Wenn Dickinson darüber am Ende singt, kann man nur erahnen, wie das live wirken wird. Sicherlich überwältigend!
Ok, Jungs. CD 2 rein. Es beginnt kurz und deftig mit "Death Or Glory". Gefällt mir ehrlich gesagt nicht sonderlich, in meinen Augen das schwächste Stück des Albums. Aber so hat jeder seine Meinung.
Das Eingangsriff von "Shadows Of The Valley" wurde bereits oft mit dem von "Wasted Years" verglichen und die Ähnlichkeiten sind vorhanden, aber die Nummer an sich ist wieder treibend und etwas mystisch angehaucht, was wohl wieder an Gers als Mitkomponist liegt. Vor allem das Ende ist himmlisch. "Tears Of A Clown" ist eine tolle, etwas komplexere, fast melancholische Nummer, die die Jungs als Tribut für Robin Williams geschrieben haben. Treffend! Eines der Schlüsselstücke auf dem Album.
"The Man Of Sorrows" hat nichts mit dem fast gleich betitelten Dickinson Solo-Stück zu tun, sondern stellt erstmals auf dem ganzen Album Dave Murray als Komponisten mit vor. Er kommt mir auf dem Album etwas zu kurz, denn dieses Kleinod mit seinem tollen Post-Refrain-Part zeigt, wie er die eine oder andere Nummer noch hätte weiter veredeln können. Das absolute Epos kommt zum Schluss: "Empire Of The Clouds", wieder von Dickinson alleine geschrieben, beschreibt die Geschichte des verunglückten britischen Luftschiffes R101. Das hier ist Progressive Rock - oder versucht es zumindest zu sein. Dickinsons Piano-Melodie ist allgegenwärtig und taucht in verschiedenen Variationen immer mal wieder auf. Das Orchester im Hintergrund klingt leider ein wenig zu sehr nach Synthesizer. Das Lied ist groß und mächtig und nicht schlecht - aber irgendwie auch ein bisschen zu viel des Guten. Die Jungs können progressiv sein, ohne Frage, aber das hier wirkt etwas erzwungen und konstruiert.
Alles in allem kann man sagen: Nach dem deutlich schwächeren Vorgänger sind Iron Maiden wieder voll da! Natürlich bedienen sie sich jeglicher tradioneller Zutaten, die sie ausmachen. So ist in fast jedem Stück für jeden der drei Gitarristen Platz für ein Solo und die Struktur der Songs ist, bis auf das letzte, auch bandtypisch. Dickinson singt kräftig, kommt aber natürlich nicht mehr an die alten Höhen heran. Die Zutaten, die die Band ausmachen, werden gekonnt und sicher eingesetzt und wirkten oft wirklich episch. Der Versuch mit dem letzten Song Neuland zu betreten ist nicht gescheitert, aber wirkt wie erwähnt etwas konstruiert.
Neue Fans werden sie mit "The Book Of Souls" wahrscheinlich nicht unbedingt erobern können, aber die treue und riesige Fangemeinde wird dieses Album sehr zu schätzen und zu lieben wissen.
Line-up:
Bruce Dickinson (vocals, piano - CD2 #5)
Steve Harris (bass, keyboard)
Dave Murray (guitar)
Adrian Smith (guitar)
Janick Gers (guitar)
Nicko McBrain (drums)
Tracklist
CD 1:
01:If Eternity Should Fail
02:Speed Of Light
03:The Great Unknown
04:The Red And The Black
05:When The River Runs Deep
06:The Book Of Souls
CD 2:
01:Death Or Glory
02:Shadows Of The Valley
03:Tears Of A Clown
04:The Man Of Sorrows
05:Empire Of The Clouds
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