Iron Maidnem / 10 Wasted Years
10 Wasted Years Spielzeit: 78:21
Medium: CD
Label: Nail Records (Hammer Music), 2008
Stil: Heavy Metal

Review vom 06.02.2009


Boris Theobald
Kirk: »12 000 Naturwunder in Yosemite und sie wählen mich! «
Spock: »Leider muss ich ihnen mitteilen, dass der Rekord im Freiklettern an dieser Wand heute keinesfalls in Gefahr ist.«
Kirk: »Ich will keinen Rekord brechen. Ich klettere, weil es mir Spaß macht. Ganz zu schweigen vom wichtigsten Grund auf einen Berg zu steigen.«
Spock: »Und der wäre?«
Kirk: »Weil er da ist!«
Das entgegnet der Captain der Enterprise gewohnt keck dem berühmtesten Vulkanier der Welt, und zwar ganz zu Beginn des Films "Star Trek V - Am Rande des Universums". Da hat die Crew nämlich Landurlaub. Kirk klettert ganz ohne Absicherung eine Steilwand hoch. Spock besucht ihn in luftiger Höhe mit ziemlich abgefahrenen Raketenstiefeln und fragt seinen Captain nach dem Sinn dieses gefährlichen Unterfangens.
Und ich als Rezensent einer CD prall bepackt mit originalgetreu kopierten Iron Maiden-Klassikern frage mich: Warum nimmt eine Maiden-Coverband ein Album auf? Mögliche Antwort: Weil sie da ist...
Mit ihrem Dasein beschäftigt sind Iron Maidnem aus Ungarn schon seit 1996. Die Band rekrutierte sich aus Mitgliedern anderer ungarischer Metal-Acts, die spaßeshalber Maiden coverten und damit aufgetreten waren. Das Ganze fand mehr Zuspruch als erwartet und wurde zum Selbstläufer. Und die Band begann damit, ihre Coversongs auch auf CD zu pressen. Die nun erschienene Retrospektive "10 Wasted Years" ist eine Auswahl aus den ersten zehn Jahren gemeinsamen Schaffens. Deren tieferer Sinn laut offizieller Bandinfo: »...prove that they can play Iron Maiden songs exactly like their heroes«. Dazu muss man wissen: Der Bandname Iron Maidnem ist höhere Poesie, ist doch 'majdnem' das ungarische Wort für 'beinahe'...
Herzlichen Glückwunsch, Operation gelungen! Sie spielen zwölf Songs ihrer Helden - und ich muss sagen, ich ziehe meinen Zylinder vor der Leistung der sechs Ungarn! Wie originalgetreu und 'jungfräulich' sie diese Stücke im Studio eingetütet haben, das ist s-e-n-s-a-t-i-o-n-e-l-l! Junge, Alter... da musst du dich manchmal echt anstrengen, um herauszuhören, ob du es nun mit Original oder Fälschung - pardon, Cover - zu tun hast.
Der geneigte musikalische Kunsthistoriker macht den Vergleich zwischen den Originalen und den Metal-Magyaren und stellt fest: Da stimmt nicht nur jeder Ton der minutenlangen gedoppelten Gitarren-Frickeleien. Da stimmt auch der Klang der Instrumente, bis hin zum Parallelspiel von Töfi und Mihály aka Dave und Adrian. Sogar die Nuancen in Hall und Sustain sind nahezu perfekt. Das filigrane Anfangsriff von "Wasted Years", das Solo-Duell am Ende von "Seventh Son Of A Seventh Son" - alle Achtung! Und der so charakteristische, hervorstechende Bass, die Harris'schen Kapriolen, die mit stählern-rauem Klang gemeinsam mit den authentischen Drums nach vorn peitschen - meine Herren... die haben vielleicht mal den Dreh raus!
Das würde alles wenig helfen, wenn der Mann am Mikrofon wie Lemmy singen würde. Tut er aber nicht. Der Front-Bruce namens Zoltán Kiss (Es werden noch Wetten angenommen, ob der Name echt ist oder nicht!) klingt hier und da dem 'echten' zum Verwechseln ähnlich. Schon bei den ersten Worten des Albums bin ich ganz baff: »Seven deadly sins, Seven ways to win, Seven holy paths to hell and your trip begins«. Bruce?? Herr Kiss dehnt seine Stimmbänder streng nach Vorlage - eine Mischung aus ziemlich guter Stimm-Imitation und minutiös angeeigneter Dickinson-Technik.
Und doch - wie wir als Maiden-Fans sicher alle wissen - ein Bruce Dickinson ist unersetzbar. So kann Kiss nicht immer wie Dickinson klingen. Bei "Sun And Steel" oder "Sea Of Madness", zum Beispiel, tut er es auch nicht. Und Passagen wie "Seventh Son Of A Seventh Son, Seventh Son Of A Seventh Son..." kann kein zweiter wie Bruce, das ist klar. Und immer, wenn es hörbar 'unbrucig' zugeht, singt doch mit Zoltán Kiss ein fantastischer Metalsänger, und das akzentfrei. Darum gibt es für diesen 'Makel' überhaupt keinen Punktabzug.
Warum auch? Was bringt es mir, wenn die Band gemäß ihrer eigenen 'Drohung' die Songs so exakt wie möglich nachspielen kann? Das Ganze birgt nämlich auch noch eine Gefahr, so zu hören bei "Infinite Dreams". Der Song zählt zu meinen absoluten Maiden-Faves. Doch gerade bei den Gänsehaut erregenden Wechseln geht aus irgendeinem, nach rationalem Ermessen kaum nachvollziehbaren Grund die Magie des Originals flöten. Und einen eigenen Zauber können sich Iron Maidnem dank stoischer Stiltreue nicht erschaffen.
Als durchdacht und gelungen will ich auf jeden Fall die Songauswahl bezeichnen. Ganz bewusst wird vorzugsweise auf Stücke gesetzt, die im Live-Programm der echten Iron Maiden gar nicht oder spärlich vorkommen, darunter "Wasted Years", dessen Melodie mich jedes Mal aufs Neue hypnotisiert, oder Episches wie "Alexander The Great". Und dass mit "Rime Of The Ancient Mariner" sogar ganz langes Seemannsgarn gesponnen wird, ist nur all zu löblich. Man lausche nur mal diesen begnadeten Drives im bewusst nicht all zu perfekt-sauberen, dafür aber originär lebendigen Sound (hier wurde offenbar mit Original-Equipment älteren Datums gearbeitet!), und nicht zuletzt auch dem schaurigen, Geräusch-beladenen Mittelteil - alle Achtung!
Soll ein Cover nun nah am Original sein oder möglichst weit entfernt und individuell interpretiert? Wenn ersteres gilt, dann verdienen Iron Maidnem ein Riesen-Lob, weil sie doch sehr oft den Nerv des Originals treffen. Wenn ein gutes Cover sich jedoch durch eine individuelle Handschrift auszeichnet... tja, dann rocken die Puszta-Powerslaves jedes Stadtfest - aber die dazugehörige CD braucht kein Mensch.
Übrigens: Kirk ist abgestürzt. Spock rettete seinem unvernünftigen Captain mal wieder das Leben. Er stürzte sich mit seinem Raketenstiefeln Richtung Erde und packte Kirk noch gerade so am Schlafittchen. Und schlussfolgerte:
»Vielleicht ist 'weil er da ist' doch kein ausreichender Grund, auf einem Berg herumzuklettern!«
Line-up:
Zoltán Kiss (vocals)
Zoltán "Töfi" Cserfalvi (guitar)
Mihály Bevíz (guitar)
Krisztián Balogh (drums)
Áron Hidvégi (keyboard)

Guest musician:
Gábor Krecsmarik (drums)
Tracklist
01:Moonchild
02:Wasted Years
03:Deja-Vu
04:Seventh Son Of A Seventh Son
05:Revelations
06:Sun And Steel
07:Back In The Village
08:Rime Of The Ancient Mariner
09:Infinite Dreams
10:Sea Of Madness
11:Run To The Hills
12:Alexander The Great
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