Ivanhoe / Lifeline
Lifeline Spielzeit: 51:40
Medium: CD
Label: Silverwolf Productions, 2008
Stil: Prog Metal


Review vom 24.09.2008


Boris Theobald
Ich spürte es schon beim ersten Hördurchgang - nach gefühlten hundert binnen 20 Tagen - bin ich mir meiner Sache sicher: Mit "Lifeline" haben Ivanhoe die Metalwelt um eine Progressive-Power-Perle für die Ewigkeit bereichert! In den 90ern nahm die Band, noch mit Frontmann Andy B. Franck (jetzt Brainstorm, Symphorce), ein paar Dream Theater-lastige Scheiben auf. Mit "Walk In Mindfields" feierte man 2005 mit Sänger Mischa Mang nach langer Pause eine Art Wiederauferstehung. Stilistisch gingen die neuen Ivanhoe straighter zur Sache - ein beeindruckender Mix aus Power und Prog.
"Walk In Mindfields" war großartig - "Lifeline" schlägt in die gleiche Kerbe und ist einfach nur noch göttlich. Auf dem Spielplan steht relativ geradliniger Power Metal mit weit ausholenden, emotionalen Melodien. Ihren außergewöhnlich hohen Suchtfaktor verdanken die neun hochkarätigen Songs einerseits den ebenso schlichten wie genialen Hooklines ("Lifeline"!), andererseits aber auch der spielerischen und kreativen Finesse, die aus jedem noch so eingängigen Metal-Brecher ein detailverliebtes Kunstwerk progressiver Spiel- und Kompositionskunst macht, auch ohne verschachtelte Longtracks mit hundert Rhythmen in 20 Minuten.
Trotz übersichtlicher Strukturen mangelt es eben nicht an überraschenden Breaks, dramatischen Kehrtwendungen und hochklassigen Instrumental-Feuerwerken. Ivanhoe beherrschen die hohe Kunst, all das kompakt und songdienlich zu verpacken und laufen nicht eine Sekunde Gefahr, die Spannung eines Songs zu verlieren. Tonnenschweres Dampfwalzen-Riffing mit zwei Gitarren geht alsbald über in dynamische Keyboard-Gitarren-Drives und filigrane Rhythmusarbeit. Dabei wird zwar eher begrenzt mit komplizierten Zählzeiten hantiert. Innerhalb nachvollziehbarer Metren zaubert die Rhytmussektion aber mit allen erdenklichen diffizilen Spielereien, Akzentuierungen und Punktierungen. Monotonie klingt anders...
Seinen Stempel drückt unverkennbar Sänger und Songschreiber Mischa Mang der Musik auf. Der Mann hat ein begnadetes Organ - mit einem beeindruckenden Tonumfang gesegnet und unglaublich facettenreich. Schaurig düster (und nebenbei ziemlich cool!) tritt er anfänglich beim einschüchternd unheimlichen "Mad Power" auf, um dann in einem schier explodierenden Chorus seine Fähigkeiten als Screamer zu demonstrieren. Die reichen - schonend und punktuell eingesetzt - so weit, dass ich zuweilen an den jungen Ray Alder denken muss!
Mischa Mang ist übrigens ausgebildeter Musical-Darsteller mit reichlich Bühnenerfahrung (Hair, Jesus Christ Superstar, Queen - "We Will Rock You" etc.). Viel stärker als bei Dreamscape, wo er auch singt, kann er auf "Lifeline" seine Fähigkeiten voll ausspielen - mit einer solchen überzeugenden Leidenschaft, dass er tatsächlich manchmal nicht nur singt, sondern regelrecht schauspielert. Eine »kehlige, von göttlichem Schmerz und dämonischer Power durchzogene Stimme«, nennen Ivanhoe das in der Band-Bio auf ihrer Homepage. Klingt schon fast etwas ulkig, aber ich könnte es kaum besser ausdrücken! Höhepunkt für ihn ist das wehmütig-elegische "Angels Hologram". Wenn ich diese episch angehauchte Powerballade höre, dann ehrfürchtig wimmernd auf Knien rutschend und mit Tränen des Glücks in den Augen(*).
(* dramatisch pointierte Darstellung wahrer Begebenheiten)
Als 'Tüpfelchen auf dem i' ist "Lifeline" auch noch ein loses Konzeptalbum und handelt von finsteren Mächten aus dem alten Ägypten. Spannungsgeladen und mysteriös bis düster und dämonisch sind entsprechend auch die Atmosphären. Und immer wieder werden orientalische Melodien angedeutet - manchmal so zart, dass man erst bei mehrmaligem Hören davon Notiz nimmt, beispielsweise als hintergründige Keyboardmelodie. Vordergründig morgenländisch klingt dann das monumentale Finale "Cheops", wo Schlagzeug und Bass schon zu Beginn altes, orientalisches Schlagwerk imitieren und den Hörer ins alte Ägypten entführen.
Power-Metal mit Prog-Anleihen oder Prog Metal mit hohem Schwermetallgehalt - "Lifeline" beglückt Freunde anspruchsvoll agierender Power-Kapellen wie Symphorce genau so wie Liebhaber technisch orientierterer Prog-Kunst à la Symphony X oder der Mischung von beidem, wie sie z.B. Pagan's Mind spielen. Als Queensrÿche-Fan geht mir das Herz auf, wenn selbst die Strophen bereits hochdramatisch inszeniert werden und Spannung bis zum Bersten aufbauen. Auch an Vanden Plas muss ich denken ob der hervorragenden Symbiose aus Gitarren und völlig unverstaubten Keyboardklängen. Jedoch haben Ivanhoe kein Keyboard statt der zweiten Gitarre, sondern zusätzlich. Und das nutzen sie großzügig aus mit vielschichtigen, schwermetallischen Drives und Gänsehaut erregenden Parallel-Soli.
Eigentlich sind Ivanhoe über Vergleiche erhaben. Aber vielleicht helfen diese dabei, möglichst viele Leute neugierig zu machen. Keine Kritikpunkte oder Verbesserungsvorschläge und pralle
10 von 10 RockTimes-Uhren für ein Meisterwerk, wie es einem nicht all zu oft in den CD-Spieler kommt. Kauf-Verweigerung nur schriftlich mit Angabe von Gründen!
Line-up:
Mischa Mang (vocals)
Achim Welsch (guitar)
Gio Soulas (bass)
Chuck Schuler (guitar)
Richie Seibel (keyboard)
Sebastian Brauchle (drums)
Tracklist
01:Lifeline
02:Mad Power
03:Schizophrenic
04:Suffering
05:Angels Hologram
06:Time Machine
07:Finally
08:You'll Burn
09:Cheops
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