Auch in Lettland gibt es doch bestimmt Städte, Straßen, Zivilisation ... oder? Irgendwo müssen die zwei Millionen Einwohner ja stecken. Fest zu stehen scheint allerdings: Wer Alise Joste lauscht, ist gerade woanders, allein mit seinen Gedanken und dieser Musik. Die Sängerin und Songschreiberin vermittelt mit Stimme und Stimmung ein Gefühl, das sie beispielsweise in ihrem Video zu "Ziemai" (nicht auf diesem Album) mit gelungenem Understatement zum Ausdruck bringt: Dieser Clip besteht aus einer einzigen Einstellung der Kamera, die den grauen Strand und die lebendige, aber nicht stürmische Küste zeigt, eine Strandmauer und einen Leuchtturm. Und es ist auch diese simple, triste Schönheit, die auch dieses Album auszeichnet.
Aliste Joste bezeichnet die zwölf Lieder - 'daheim' schon länger erschienen, bei uns anno 2014 - als ihre geheimsten Tagebucheinträge und sich selbst als schüchterne und nachdenkliche Person. Freilich hat sie alle Songs selbst geschrieben, und natürlich begleitet sie sich auch selbst mit der akustischen Gitarre. Ihr Spiel ist sehr hübsch - malerisch und zerbrechlich, und immer wieder auch mit ausgeprägter rhythmischer Komponente. Kleine bittersüße Studien, wunderschön zu hören. Ihre Stimme ist ... 'nichts Besonderes'? Aber einfach berührend, verletzlich und glaubhaft. Also doch besonders.
Weitere Instrumente kommen kaum vor. In "Sailor's Daughter" glaube ich, einen Hauch von Violine oder Bratsche zu hören; oder ist es doch ein Effekt mit der Akustikgitarre? Zarte Percussion bei "Here It Is"? Hier ist es ganz bestimmt der Gitarrenkorpus. Ein paar verwischte Pianotöne, ganz weit weg, bei "Falling", ganz gewiss. Das war es aber auch schon. Und doch kriegt Alise Joste es hin, dass ihr Album - zumindest über weite Strecken - nicht eintönig wird. "Angina" (nein, keine Krankheit) oder auch "Ill-Omened" sind ziemlich dynamisch. Die Vocals sind hoch und klar, abgemischt mit viel Hall - ein bisschen verwunschen, ätherisch-atmosphärisch.
"Whenever I Am Gone" und das herausragende "Sailor's Daughter" liegen dagegen 'tiefer', auch in sich versunkener. Ein Leuchtturm als Symbol von Sehnsucht und Heimweh taucht nun auch in den Lyrics auf. Ein wenig erinnert das auch an das oberbayrische Duo Tuó. Doppelgesang ist im Übrigen auch Alise Joste nicht fremd. Ab und an ist sie ihre eigene Background-Sängerin, als parallele Zweitstimme, oder als Echo ihrer selbst, wie bei "Sigh". Hier darf aber auch etwas Kritik sein: Der Song dauert zu lang, klingt zu extensiv aus.
Ein positives Gegenbeispiel ist "Paris" mit seinem einfühlsamen Crescendo. Und das schon zuvor gelobte "Sailor's Daughter", das nach zwei Minuten unerwartet seine fragilen Arpeggien in sanft, aber bestimmend pulsierende Achtel eintauscht. In der passenden kontemplativen Stimmung muss man für dieses Album sein - es ist nichts für strahlende Sommertage. Und dann sind eben diese kleinen Überraschungen das Tüpfelchen auf dem 'i' - auch der Song "Punkts" in Alise Jostes Muttersprache. Oder das gar nicht so traurige, sondern in seinem Dreivierteltakt fast tänzelnde "Falling". Wieder mit Ozean, und wieder sooo schön...
»And if you ever have to leave for a longer time
Write me a letter, put it in a bottle and throw it away
And I'll stand aside the ocean
waiting for the bottle to wash upon the shore«
Line-up:
Alise Joste (vocals, acoustic guitar)
Tracklist |
01:Angina (3:51)
02:Sailor's Daughter (4:41)
03:Ill-Omened (2:20)
04:Whenever I Am Gone (3:24)
05:Paris (3:06)
06:Here It Is (3:45)
07:A Thousand Questions (3:51)
08:Street Lights (3:43)
09:Falling (4:34)
10:Salty & Harsh (3:18)
11:Sigh (3:51)
12:Punkts (2:50)
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Externe Links:
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