»Der neue Jimi Hendrix?« Das stand in fetten Lettern über der Konzertankündigung von Carvin Jones für diesen Abend in Rainers Rockhaus. Eine ganz schön hoch gegriffene These, die nicht gerade von mangelndem Selbstbewusstsein zeugt. Doch bei meinen Recherchen im Internet staunte ich nicht schlecht, was der Mann so alles aus seiner Gitarre herausholen kann. Das hörte sich ziemlich viel versprechend an. Eine weitere Überraschung erlebte ich bei der Diskografie von Carvin Jones. Da tummelten sich inzwischen zwölf CDs und fünf DVDs im Backkatalog seit 1998, von denen der überwiegende Teil aus Live-Mitschnitten besteht. Die Band scheint also ihre Stärken auf der Bühne zu haben, was einen Konzertbesuch von RockTimes unbedingt erforderlich machte.
Carvin Jones wurde 1966 in Lufkin, Texas geboren und bezeichnet Jimi Hendrix, Stevie Ray Vaughan, Albert Collins und Eric Clapton als seine wichtigsten Vorbilder. Im Haus seiner Großeltern kam er schon in zartem Alter mit der Musik von B.B. King in Berührung und konnte seitdem seine Liebe zum Blues nicht mehr verbergen. Die logische Folgerung: Oma kaufte dem kleinen Carvin die erste Gitarre und ein weiterer Musiker begann seine Karriere. Im Jahr 1995 kam er als 'Ausnahmetalent' erstmals nach Europa und begleitet fünf Jahre später Ten Years After auf ihrer Tournee durch die alte Welt. Weiter inspiriert durch sehr positive Resonanzen von Alvin Lee, erreichte Carvin ein Jahr später die Hitparade der '50 größten Bluesgitarristen, die die Welt je hervorgebracht hat'.
Bei unserer Ankunft in Sarstedt standen wir zunächst einmal vor einer leeren Bühne, und ein ebenfalls etwas überraschter Rainer erklärte uns, dass die Band nach kurzer Inspektion der Örtlichkeiten die Location gleich wieder verlassen hatte und 'rechtzeitig' zurück sein würde. Das nenne ich doch mal eine präzise Aussage. So kann man einen Veranstalter ganz schnell verunsichern. Doch Gott sei Dank hat Rainer bei solchen Zwischenfällen die Ruhe weg, und so warteten wir geduldig, wie sich die Dinge weiter entwickeln würden. Inzwischen füllte sich das Rockhaus zunehmend und sehr schnell wurde es eng in dem kleinen Club. Schließlich tauchte auch die Band wieder auf und in null Komma nichts stand auch die Anlage an ihrem Platz. Soundcheck - muss nicht sein! Bei diesen Jungs schien so gut wie nichts normal zu sein. Ein paar kurze Schläge auf Felle und Becken, extrem kurzes Stimmen von Bass und Gitarre und schon war die Carvin Jones Band einsatzfähig.
Gleich beim Opener "Purple Haze" ließ die Truppe es so richtig krachen. Die Rhythmus-Sektion, bestehend aus den beiden italienischen Musikern Michele Califano am Bass und dem Schlagzeuger Gianpaolo Feola donnerte einen stampfenden, harten Sound aus den Boxen und sorgte so für jede Menge Drive. Zudem wurde schnell klar, dass die Zwei ihre Instrumente sehr gut beherrschten. Gar keine Frage, dass sie während des Auftrittes Zeit für Soloeinlagen bekamen, die jeweils heftig beklatscht wurden. Die beiden Musiker bilden einen perfekten Hintergrund für dieses Power-Trio und sind mit ihrem Druck genau die richtige Grundlage für ihren Frontmann.
Und schon jetzt wurde das enorme Können von Carvin Jones an der Gitarre sichtbar. Nahezu mühelos wandelte er auf den Spuren der Legende aus Seattle und bekam den Sound des Altmeisters mit allen Effekten und Ausbrüchen sehr gut auf die Reihe. Leider ließ die Gesangsanlage einiges zu wünschen übrig. Es fehlten jegliche Höhen, sodass die Vocals als ziemlicher Klangbrei ins Publikum gebracht wurden. Das war sicher nicht optimal und störte den Hörgenuss schon etwas. Daran muss unbedingt noch gearbeitet werden! Doch dafür kam die Gitarre optimal rüber, und jetzt wunderte ich mich nicht mehr, dass Carvin Jones mit so vielen Lorbeeren überschüttet wurde. Der Mann hat echte Klasse.
Mit "Mary Had A Little Lamp" folgte ein Tribute-Song an Stevie Ray Vaughan, und der Gitarrist startete zu einem ersten Ausflug ins Publikum. Diese Aktionen gehören in dem kleinen Club immer wieder zu den Besonderheiten, denn in keiner anderen Location ist man so hautnah an den Musikern dran wie hier. Mehr als einmal wurden uns die schärfsten Gitarrensoli direkt vor der Nase präsentiert, sodass man als Zuhörer tatsächlich jede Kleinigkeit am Griffbrett mitbekam. Und das ist auch für mich immer etwas ganz Einmaliges. Auch Carvin Jones schien die Enge zu genießen. So verbrachte er fast die Hälfte des Auftrittes mitten im Publikum, legte die Klampfe auch schon mal auf einen Tisch, oder platzierte sie mitten auf dem Boden, um die Soli auch mal etwas anders zu spielen.
Auffällig bei diesem Konzert war die große Menge an Coverversionen. Es gab kaum eigenes Material. Anscheinend wollte die Band ganz sicher gehen, sich auf die Klassiker beschränken und so in der Gunst der Zuhörer punkten. Allerdings drückte er diesen Songs seinen eigenen Stempel auf und machte damit wesentlich mehr als ein reines Kopieren. So gehörte für mich das zweite Hendrix-Cover "Little Wing" zu einem weiteren Highlight des Abends. Doch die Band konnte sich auch in andere Musikstile hinein versetzen. Creams "Sunshine Of Your Love", "Tush" aus der Feder von Z.Z. Top und das legendäre "Johnny B. Goode" sorgten für eine prima Stimmung im Saal. Da ging aber mal richtig die Lucy ab.
Aber natürlich kam auch der Zwölftakter reichlich auf seine Kosten. B.B. King und sein Namensvetter Albert wurden genau so gestreift wie Willie Dixon und Robert Johnson. Und auch hier bewies Carvin Jones, dass er über jede Mange Blues-Feeling verfügt und sich perfekt in die Musik hinein versetzen kann.
Nach ca. hundert Minuten war der Gig dann beendet und die RockTimes-Redakteure haben eine weitere Lücke in ihrem musikalischen Wissen geschlossen. Die Carvin Jones Band ist eine prima Live-Gruppe mit hohem musikalischen Potential, bei der sich ein Konzertbesuch garantiert lohnt. Wenn jetzt noch mehr von dem zweifellos vorhanden Eigenmaterial in das Set eingebaut wird, kann aus dem Mann ein richtig wichtiger Musiker werden. Trotzdem ist die Benennung zum 'neuen Hendrix' doch etwas übertrieben.
Line-up:
Carvin Jones (guitar, vocals)
Michele Califano (bass)
Gianpaolo Feola (drums)
Externer Link:
|