Janis Joplin / I Got Dem Ol' Kozmic Blues Again Mama!
I Got Dem Ol' Kozmic Blues Again Mama! Spielzeit: A-Seite: 17:29 B-Seite: 19:90
Medium: LP
Label: Columbia Records, 1969
Stil: Blues Rock, Soul, Funk, Blues


Review vom 08.12.2008


Norbert Neugebauer
Es wird Zeit, dass die größte Sängerin des Rock endlich ihren Platz bei RockTimes einnimmt!
Seit ihrem frühen Abgang am 4.10.1970 muss sich wohl jede Interpretin irgendeines Spektrums der Rockmusik den Vergleich mit der wilden Janis gefallen lassen, wenn ihre Stimme auch nur im entferntesten als 'Röhre' tituliert werden kann. Die 1943 in Port Arthur geborene Texanerin war der Inbegriff einer extrovertierten, leidenschaftlichen, stimmgewaltigen und ungezügelten Interpretin, vor allem auf und hinter der Bühne. Weder zuvor und auch nicht bis heute konnte eine Sängerin auch nur annähernd so mitreißend expressiv und gleichzeitig glaubhaft ihre Gefühle ausdrücken. Sie war direkt, vulgär, meist auf irgendwelchen Drogen und geil, daran bestand kein Zweifel. Und damit lebte sie leider zu drastisch das Prinzip ihrer befreiten Hippiegeneration aus: »Live fast, love hard, die young«. Dass hinter der aufgekratzten 'Ihr könnt mich Alle'-Fassade eine empfindsame Seele steckte, die mit ihrem meist zugedröhnten Rock'n'Roll-Leben nicht klar kam, wird aus ihrer Biografie ersichtlich. Aber auch wer sich nur mit ihrer Musik näher beschäftigt, wird das spüren.
Nach ersten Soloauftritten und dem fulminanten West Coast-Kapitel
Big Brother & The Holding Company, mit dem ihr bis heute anhaltender Ruhm begann, ging sie ihr erstes Soloprojekt im Studio an, das auch ihr einziges vollständiges bleiben sollte. " I Got Dem Ol' Kozmic Blues Again Mama!" kam im September 1969 heraus und zeigte eine noch emotionalere Janis, die tiefer im Blues, Funk und Soul verwurzelt war, als die bisherige Psychedelic- und Blues Rock-Röhre. Jede der (meist Fremd-)Kompositionen verwandelte sie in ein inbrünstiges Drama, selbst die Bee Gees-Schnulze "To Love Somebody" wurde in ihrem Arrangement und mit ihrer Stimme zu einer Nummer, bei der das Herz vor Hingebung blutet.
Für die Aufnahmen hatte sie sich keine neue feste Combo gesucht, die wechselnde Besetzung der Kozmic Blues Band waren neben ihrem alten Bandmate Sam Andrew an der Gitarre ausgesuchte Studiomusiker, die unter Leitung des Produzenten Gabriel Mekler einen satten, schweren (und professionelleren) Sound um Janis' Stimme legten. Entgegen der bisherigen puren Rockband-Begleitung kamen nun Keyboards und ein Bläsersatz dazu, was die damaligen Big Brother-Fans zunächst wohl mächtig vor den Kopf gestoßen hat. Jedenfalls ist von deren großer Ablehnung zu lesen, obwohl das Album zwei Monate nach Veröffentlichung bereits Gold-Status in den USA hatte. Und auch heute noch ist zwischen der letzten Big Brother-LP "Cheap Thrills" und "Kozmic Blues" ein gewaltiger Entwicklungsschritt und Stilwechsel festzustellen. Seltsamerweise wird das erste Solowerk kaum in einem Zug mit dem nachfolgenden (zweifelsohne wieder gängiger und kompakter produzierten) "Pearl" genannt und ist auch nicht so bekannt wie das 1972 herausgekommene "In Concert"-Doppelalbum.
Für mich ist es das beeindruckendste von Janis' Werken. Gekonnter, im Sinne von wohldosierter (aber nichtsdestoweniger kraftvoll), und auch inspirierter hat sie nach meinem Empfinden nie gesungen, als bei diesen Aufnahmen. Ihre Stimme glüht und vibriert ohne ständig in den roten Bereich zu kippen. Ich habe die LP seit über 35 Jahren und sie packt mich stets noch. Eine derjenigen, von der ich jeden Takt (und auch jeden Knackser) kenne und die für mich immer nur aus den ursprünglichen acht Tracks besteht. Unverrückbar eine meiner Inselplatten. Was seither an diversen remasterten und erweiterten Re-Issuses auf CD erschienen ist, interessiert mich nicht.
Die Studioversion der kraftvollen Soulnummer "Try (Just A Little Bit Harder)" kracht fast schon so exaltiert wie auf den bekannten Live-Mitschnitten; der Backgroundgesang zum Bläsersatz ist sicher Geschmackssache. "Maybe" zeigt die emotional-kraftvolle Janis, ein anspruchsvoller, bluesiger Lovesong für Rockfans mit schöner Orgel. Aus eigener Feder stammt der Killer-Blues "One Good Man" mit dem leider ebenfalls schon lange in anderen Gefilden jammenden Mike Bloomfield an der Silde-Gitarre. Den Abschluss auf der A-Seite bildet das mit langem Instrumental-Intro auftrumpfende Funk-Stück "As Good As You've Been To This World" von Nick Gravenites mit großer Besetzung.
Aus "To Love Somebody" wird ein bläserverstärkter, inbrünstig gesungener Blues, dem eine ihrer Glanznummern folgt: "Kozmic Blues" - Janis zieht alle stimmlichen Register ihres unerreichten Könnens. Auch diese Aufnahme gefällt mir besser als ihre ungestüme Liveinterpretation. "Little Girl Blue" zeigt eine ganz weiche, sanfte Janis mit warmer, schmeichelnder Stimme im Singer/Songwriter-Stil, bei der ihre alten Fans angesichts der Streicher sicher das kalte Grausen bekommen haben. Trotzdem: Klasse. Zum Schluss fährt die damals 26-Jährige mit dem soulgetränkten, schwerblütigen "Work Me, Lord" noch einmal das große Gefühlstheater auf; eine weitere starke Nummer von Nick Gravenites, der sich später dem zu Big Brother zurückkehrenden Sam Andrew anschloss.
Wer sie bisher nur als röhrende, schreiende und girrende Rocksängerin kennt, der sollte sich "I Got Dem Ol' Kozmic Blues" gönnen. Er wird sicher überrascht sein über die ernsthafte Künstlerin und große Interpretin Janis Joplin, die heuer 65 geworden wäre.
»Time keeps moving on,
Friends they turn away, Lordy Lord.
Well, I keep moving on
But I never found out why
I keep pushing so hard a dream,
I keep trying to make it right
Through another lonely day.
Whoa - don't discover it lasts
Honey, time keeps a-moving on, hey yeah, yeah yeah ... «


("Kozmic Blues")
Die größte Stimme des Rock wird nie aufhören zu singen.
Tracklist
A-Seite:
01:Try (Just A Little Bit Harder)
02:Maybe
03:One Good Man
04:As Good As You've Been To This World
B-Seite:
05:To Love Somebody
06:Kozmic Blues
07:Little Girl Blue
08:Work Me, Lord
Externe Links: