Jefferson Starship / 31.10.2012 Music Hall, Worpswede
Jefferson Starship
Jefferson Starship
Music Hall, Worpswede
31. Oktober 2012
Konzertbericht
Stil: Rock



Artikel vom 08.11.2012


Olaf 'Olli' Oetken
Rotationen, Emotionen, sausende Ohren und eine Doppelpremiere
Jefferson StarshipStell dir vor, wir schreiben das Jahr 2012 und Jefferson Starship beehren das Künstlerdörfchen Worpswede - ein Hauch San Francisco-Psychedelic-Mainstream-Glanz in der beschaulichen Provinz der alten Welt - und viele gehen hin!
Diese Provinz hatte bereits am 17.06.2005 das Vergnügen, gut sieben Jahre später erscheint der gleiche Name, aber überwiegend andere Protagonisten segeln unter dem Banner der Legende, wobei zwei Gründungsmitglieder von 1974, Paul Kantner und David Freiberg, für die Restauthentizität sorgen, ersterer als einzige Konstante im Schiff der Rotationen. Die beiden Herren sind mittlerweile 71 und 74 Jahre jung, allerdings in höchst unterschiedlicher Verfassung.
Jefferson StarshipDass das Unternehmen Jefferson Starship nicht als reine Rentnerkarikatur seiner selbst endet, dafür sorgt das frische Blut der Rotation, diesmal mit dem immerhin seit 14 Jahren an Bord befindlichen Chris Smith in klassischer Ray Manzarek-Rolle, da er mangels eines Bassisten die tiefen Töne aus seiner (synthetischen) Klaviatur herausholt. Dies geht aber im Soundbild leider ziemlich unter. Jefferson StarshipDes Weiteren malträtiert mit Jude Gold ein Akademiker mit abgeschlossenem Musikstudium und Redakteur des altehrwürdigen Guitar Player Magazins die Saiten der Leadgitarre, während Felle und Becken vom Mietschlagwerker Richard Newman bearbeitet werden, seines Zeichens Schlagzeuger der letzten Rory Gallagher-Band (1992 - 1995) und mittlerweile ein gefragter Sessionmusiker, der u.a. Leute wie Sam Brown, Dani Wilde, Paul Rose,
Steve Marriott oder Alvin Lee in seiner Vita hat.
Schlussendlich ist dann noch die aktuelle Frontfrau am Mikro zu nennen, Cathy Richardson, seit 2008 markantes Aushängeschild der legendären Kapelle mit Janis Joplin-Musical-Vergangenheit, sieben Independent-Veröffentlichungen und diversen gesanglichen Werbebeiträgen im Gepäck.
Jefferson Starship   Jefferson Starship   Jefferson Starship
Der Rezensent ist von einer Jefferson Airplane/Jefferson Starship-Vergangenheit gänzlich unbeleckt, genauso unbeleckt ist seine neue Kameraausrüstung, die möglichst ohne Blitzlicht für atmosphärische Konzertfotos sorgen soll. In der Praxis versagen sowohl der zu kleine Sensor (wenig Licht trifft auf winzige Sensoroberfläche), als auch der viel zu langsame Autofokus kläglich, so dass der Rezensent genauso ins Schwitzen kommt wie die Protagonisten auf der Bühne. Jefferson StarshipDabei hält sich der Aktionsradius der beiden Altrecken in überschaubaren Grenzen, die Action übernehmen hauptsächlich Richardson und Gold. Dem Rezensenten ist qua Geburt eher die kommerziell außerordentlich erfolgreiche Starship-Ära (ohne Jefferson) geläufig, die heute von Mickey Thomas am Leben erhalten wird. Folgerichtig ertönt aus dieser Zeit an diesem Abend gar nichts, stattdessen geht es musikalisch eher in die Airplane-Zeiten zurück, allerdings vergleichsweise kompakt gespielt. Dies wird vom erfreulich zahlreichen und durchaus gemischten Publikum von Minute zu Minute euphorischer goutiert.
Jefferson StarshipGanz klar im Mittelpunkt steht Cathy Richardson, die völlig unangestrengt und gleichzeitig kraftvoll diverse Klassiker aus grauer Vorzeit intoniert, und dabei einerseits stimmlich deutlich eher an Janis Joplin denn Grace Slick gemahnt, andererseits aber in der Lage ist, das besonderen Flair der Songs in ihrer Ursprünglichkeit zu wahren, ohne auf eine gewisse eigene Note zu verzichten.
Jefferson StarshipMit dem Gitarristen Jude Gold hat sie bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet, welcher den überwiegenden Teil aller Gitarrensoli spielt und auch viel Rhythmusgitarre übernimmt. Er beherrscht die ganze Klaviatur zwischen langgezogenen, zarten, sehr hohen, fast klagenden Tönen und aggressiver Saitenquälerei inklusive massivem Effekteinsatz perfekt, ist dabei aber teilweise verdammt laut in den Vordergrund gemischt, so dass sich nach und nach des Rezensenten Ohrstöpsel kreischend in ihre Bestandteile auflösen.
Chris Smith macht zu keiner Zeit den Eindruck, als ob ihn jemals etwas aus der Ruhe bringen könnte und bereichert erstaunlich unauffällig und dennoch höchst effektiv den Gesamtsound. Ähnlich effektiv treibt Richard Newman mit punktgenauer Rhythmik die Kapelle an, ohne sich in vordergründigen Posen zu verlieren, das macht wohl die Klasse eines anpassungsfähigen Profis aus.
Jefferson StarshipDer eigentliche Chef im Ring, äh auf der Bühne, ist selbstredend Paul Kantner, Jefferson Airplane/Starship-Urgestein und unerschütterlich mit einem Stirnband ums inzwischen schüttere Haar ausgestattet, als wolle er mit einem Augenzwinkern längst vergangene Love-And-Peace-Zeiten symbolisieren. Leider scheint er gesundheitlich nicht in bester Verfassung zu sein und so lehnt er sich meist an einen übergroßen Koffer, hat jederzeit eine Liste mit Songs und/oder Noten als hellerleuchtete Orientierungshilfe vor Augen und spielt überwiegend eine unauffällige Rhythmusgitarre. Jefferson StarshipGelegentliche Gesangseinlagen kommen rau, raspelig, kehlig aber kräftig aus der PA, eine Interaktion mit seiner Band findet nur sporadisch statt.
Ganz anders dagegen der Alterspräsident dieser Rockinstitution, der bereits 1965 die gleichfalls legendäre Bay Area-Institution Quicksilver Messenger Service mitgründete. Die kleine 'Knutschkugel' David Freiberg versprüht Freude und Vitalität pur, singt mit geradezu greifbarer Intensität wie Emotionalität in bestechender Qualität und zieht nicht nur den Rezensenten in seinen Bann.
Das ist schon ein Ereignis, zu erleben, wie zwei legendäre Akteure der nicht nur musikalisch revolutionären 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts in der Lage sind, zusammen mit der Kind- und Enkelgeneration ein nostalgisches Feuerwerk zu zünden, ohne jemals in der Peinlichkeitsecke zu landen. Und Zeitgenossen wie Nachgewachsene jeglichen Alters werden völlig zu Recht von einer Welle der enthusiastischen Emotionalität erfasst und konstatieren nach stattlichen 120 Minuten: »Wow, was für ein Konzert!«
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