Kult ist angesagt! Jeffrey Lee Pierce ist Kult, genauso wie Jimi Hendrix, Jim Morrison, Kurt Kobain oder Janis Joplin. Der Leser mag mir hier schon meine Überschwänglichkeit verzeihen, aber was The Gun Club respektive Jeffrey Lee Pierce anbelangt, wird die gesamte Palette an Glückshormonen ausgeschüttet.
Ein Rückblick: The Gun Club setzte 1981 mit ihrem Debüt-Album "Fire Of Love" neue Maßstäbe und wurde Vorreiter für viele folgende Bands, die sich dem Psychobilly oder Punk Blues verschrieben. Jeffrey Lee Pierce war am Anfang Redakteur eines Punk-Magazins und Vorsteher des amerikanischen Blondie-Fanclubs. Pierce gründete zunächst die Band Creeping Ritual, die dann in The Gun Club überging. 1982 folgte mit nicht weniger Erfolg die Scheibe "Miami". Das öffentliche Interesse und lang andauernde Konzertreisen brachten die Musiker ganz schön aus dem Ruder und nach einigen Umbesetzungen im Line-up wurde The Gun Club 1984 zunächst auf Eis gelegt.
Pierce warf unter eigenem Namen "Wildweed" (1985) sowie "Flamingo" (1985) auf den Markt. Zwei Jahre später war The Gun Club wieder am Start und schließlich folgten drei weitere Alben: "Mother Juno" (1987), "Pastoral Hide & Seek" (1990) und "Lucky Jim" (1993). 1992 brachte der Gun Club-Sänger und Songwriter noch eine bemerkenswerte Platte unter dem Titel "Ramblin' Jeffrey Lee & Cypress Grove With Willie Love" heraus.
Der Musiker und Pierce-Weggefährte Cypress Grove ist das Bindeglied zu vorliegendem Album. Auf seinem Dachboden fand er ein Tape mit Songfragmenten des Künstlers und diese dienten als Vorlage für die hier zu hörenden Nummern. Es muss wohl eine Fülle von Pierce-Kompositionen geben, denn "The Journey Is Long" hatte schon einen Vorgänger mit dem Titel "We Are Only Riders" (2009) und eine dritte Auflage ist bereits in Arbeit.
Die Hintergründe zum Album beschreibt Cypress Grove wie folgt: »The idea was that, these are not our songs, we merely interpret them... In some cases the artists have had to finish the songs, so there can be no nonsense about this not being as good as the original version as these are the original versions! It's a musical collective of artists who have come together to interpret or complete skeletal, unfinished material by Jeffrey. Where possible we have used Jeffrey's contributions, so he actually appears posthumously on this album.«
Man braucht kein detailliertes Organigramm zusammenschreiben, um festzustellen, dass sich im Line-up von The Jeffrey Lee Pierce Sessions Project auch Leute befinden, die in irgendeiner Art und Weise mit dem Protagonisten zu tun hatten. Cypress Grove wurde ja bereits genannt. Deborah Harry, Willie Love, Lydia Lunch, Kid Conga Powers oder Chris Stein sind weitere Künstler. Aus musikgeschichtlicher Sicht ist es keine Überraschung, dass Tav Falco's Panther Burns hier mit von der Partie sind, denn sie waren ebenfalls Vorreiter des Psychobilly.
In den achtzehn Songs spiegeln sich die Persönlichkeitsstrukturen eines Pierce wider. Sehnsucht, Sucht, Haltlosigkeit, Verzweiflung, Liebe, aber auch einen Funken Hoffnung charakterisieren den Musik-Verrückten und seine Kompositionen. Mit "City In Pain" und Nick Cave startet das Jeffrey Lee Pierce Sessions Project eine wahre Achterbahnfahrt durch das wiederentdeckte Pierce-Material. Dabei ist der Opener noch eine der mehr im Sonnenlicht stehenden Tracks.
Viele Stücke zeigen auf faszinierend gespielte Weise die dunkle, psychedelische Seite des viel zu früh verstorbenen Mannes. Hugo Race und Hellbound Brown servieren hypnotischen Delta Blues in der akustischen Variante. Mit viel Groove bieten Steve Wynn & Co. einen rauen elektrischen Blues Rock.
Mark Lanegan ( Screaming Trees) und Isobel Campbell eröffnen den Reigen der Duette. "The Breaking Hands" ist in ihren Händen eine herrlich swingende Americana-Nummer. Mit identischem Track-Titel sind Nick Cave und Deborah Harry auf Augenhöhe mit dem soeben genannten Sangespaar. Durch eine andere Instrumentierung, unter anderem mit Justin Greaves an der singenden Säge bekommt das Stück ein interessanteres Outfit. Der Künstler, um den sich hier alles dreht ist posthum in vier Tracks zu hören.
Thalia Zedek sowie Chris Brokaw fahren mit der härteren Seite des Rock'n'Roll auf. Das nächste Paar kann unterschiedlicher nicht sein. Tex Perkins und Lydia Lunch sind höllisch gut. Lunch ist die Meisterin der inszenierten Worte, mehr gesprochen als gesungen. The Jim Jones Revue setzt durch "Ain't My Problem Baby" einen wild-mitreißenden Schlusspunkt, der den außergewöhnlichen Pierce-Rock'n'Roll hochleben lässt.
Auch wenn nur einige Songs oder Musiker von "The Journey Is Long" Erwähnung finden, ist die Scheibe in allen Belangen ein Album, das absolut ohne Fehl und Tadel daher kommt. Die Kompositionen offenbaren den hohen Stellenwert von Jeffrey Lee Pierce und auch das neunzehnseitige Booklet mit einer Fülle von Hintergrundinformationen ist bewerkenswert. Dieses Album setzt außerordentliche Maßstäbe.
Line-up:
Jeffrey Lee Pierce (guitars - #1,3,4,15)
Cypress Grove (vocals - #8,14,15, guitar - #1,3,4,6,9,13, acoustic guitar - #8, bass - #3,14, keyboards - #4,9,13)
Nick Cave (vocals - #1,14, piano - #1,14)
Mick Cozens (guitar - #1,9,13,15, Dobro - #8, harmonica - #8)
Warren Ellis (violin - #1,6,13,14)
Brian Henry Hooper (bass - #1,15)
Willie Love (drums - #1,3,4,9,13,14,15, percussion - #3,4,9,13,15)
Hugo Race (vocals, steel string, percussion - #2, electric guitar - #8)
Hellbound Brown (Dobro - #2)
Steve Wynn (vocals - #3)
Jason Victor (guitars - #3)
Spencer P. Jones (guitar - #3)
Linda Pitmon (percussion, vocals - #3)
Mark Lanegan (vocals - #4)
Isobel Campbell (vocals - #4)
Kid Congo Powers (slide guitar - #4)
Rob Marche (guitars - #4,9,15, bass - #4,9)
Jeff Zentner (slide guitar - #4,14,15, mandolin - #14)
Mark Tomeo (pedal steel guitar - #4)
Kip Mowgli (vocals - #5)
JP Shilo (guitar - #5, piano - #17, violin - #17, backing vocals - #10)
Mick Harvey (vocals - #10,17, Rhodes Piano - #10,17, guitar - #10, bass - #5, organ - #5,17, percussion - #10)
Rick Tavi (drums - #5)
Bertrand Cantat (vocals - #6)
Pascal Hmbert (bass - #6, bowed bass - #6, percussion - #6)
Thalia Zedek (vocals - #7)
Chris Brokaw (vocals - #7, guitars - #7, bass - #7, drums - #7)
Justin Greaves (musical saw - #8,14, e-bow, bass - #8)
Barry Adamson (vocals - #9, keyboards - #9, bass - #13)
Lydia Lunch (vocals - #9,13,15)
Philippe Petit (keyboards - #9)
Helen Cox (vocals - #9)
Youth (vocals, guitar, bass - #11)
James Sedwards (guitar - #11)
Hugo Wilkinson (drums - #11)
Michael Rendell (keyboards - #11)
Michelle Needs (vocals - #12)
Dom Beken (drums, percussion, keyboards, guitar, hamrmonica - #12)
Kris Needs (backing vocals - #12)
Deborah Harry (vocals - #14)
Chris Stein (moog guitar - #14)
Tex Perkins (vocals - #15)
Tav Falco (voice - #16)
Peter Mavrogeorgis (guitars, bass, voice - #16)
Daniel Kasshu (noise guitar - #16)
Jonny Napalm (drums, bongos - #16)
Jim Jones (vocals - 18)
Rupert Orton (guitar - #18)
Gavin Jay (bass - #18)
Henri Herbert (piano - #18)
Nick Jones (drums - #18)
Tracklist |
01:City In Pain (Nick Cave) (4:02)
02:I'm Going Upstairs (Hugo Race) (4:07)
03:From Death To Texas (Steve Wynn) (4:05)
04:The Breaking Hands (Mark Lanegan & Isobel Campbell) (4:23)
05:The Jungle Book (The Amber Lights) (4:36)
06:Rose's Blues (Bertrand Cantat, Pascal Humbert, Warren Ellis, Cypress Grove) (3:00)
07:Zonar Roze (Thalia Zedek, Chris Brokaw) (2:52)
08:L.A. Country Jail Blues (Cypress Grove) (3:18)
09:I Wanna Be You (Barry Adamson) (4:14)
10:Sonny Boy (Mick Harvey) (2:49)
11:Book Of Love (Vertical Smile) (3:39)
12:Body And Soul (Astro-Unicorn) (4:45)
13:The Brink (Lydia Lunch) (3:34)
14:The Breaking Hands (Nick Cave & Deborah Harry) (2:18)
15:In My Room (Tex Perkins & Lydia Lunch) (3:58)
16:The Jungle Box (Tav Falco's Panther Burns) (3:55)
17:St. Mark's Place (Mick Harvey) (4:56)
18:Ain't My Problem Baby (The Jim Jones Revue) (3:22)
(all songs written by Jeffrey Lee Pierce, except #9,18 by Pierce/Bonebrake, #13 by Pierce/Lunch)
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Externe Links:
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