Als alter Fan von Jethro Tull bin ich stolzer Besitzer der kompletten LP-, CD- und DVD-Kollektion. Darunter ist allerdings eine LP, die noch fast im jungfräulichen Zustand ist. Soll bedeuten, damals nur einmal gehört und anschließend zu den Akten gelegt. Dieses Exemplar ist "A Passion Play" aus dem Jahr 1973. Ich habe es zwar erst einige Jahre später erworben, aber selbst mit Anfang zwanzig war mein Verständnis für progressive Rockmusik noch in den Kinderschuhen. Somit habe ich das Konzept des Albums überhaupt nicht verstanden, die Musik als äußerst schwierig eingestuft und mich mehr auf die kommerziellen Sachen von Tull eingeschossen. Nun, einundvierzig Jahre später, erscheint das Album im neuen Gewand und zudem in einer außergewöhnlichen, besonders sammelwürdigen Ausführung. Wie ein Taschenbuch gebunden, beinhaltet es zwei CDs, zwei DVDs und ein extrem schön bebildertes und beschriebenes Booklet.
Verantwortlich dafür ist allerdings dieses mal nicht Ober- Tull Ian Anderson, sondern kein Geringerer als Porcupine Tree-Mastermind Steven Wilson.
Wie kommt also dieser Mann dazu, sich einem Konzeptalbum anzunehmen, das erschienen ist, als Wilson gerade einmal sechs Jahre alt war? Nun, stellt man im Vergleich Wilsons letztes Solowerk The Raven That Refused To Sing (And Other Stories) neben "A Passion Play", so kann man doch einige Parallelen erkennen. Wilson steht somit etwas unter dem Einfluss von Jethro Tull und hat die Herausforderung angenommen, dieses Album digital abzumischen und mit bislang unveröffentlichtem Material zu ergänzen. Wiedergeboren ist dadurch ein lang vergessenes Epos.
Nachdem Jethro Tull mit "Thick As A Brick" einen Meilenstein gesetzt hatten, war es die Frage, was Anderson anschließend im Kopf herumschwirren würde. Geplant war ein Doppelalbum mit einer Vielzahl einzelner Songs. Niemand konnte sich vorstellen, dass es Tull noch einmal wagen würden, eine Platte zu veröffentlichen, die nur aus einem einzigen Song besteht, der über beide LP-Seiten läuft; damals eine Revolution. Für die Aufnahmen wurde eines der angesagtesten Tonstudios in Frankreich gewählt. Dort im Château D' Hérouville bei Paris, hatten bereits Elton John "Honky Château" und Pink Floyd "Obscured By Clouds" aufgenommen. Demnach sollte alles glatt verlaufen. Allerdings stellte sich heraus, dass dieses Studio ein einziger Albtraum war. Die Technik war schlecht, die Unterkunft grauenhaft, die Stimmung sank auf den Nullpunkt. Die Band reiste ab und die bereits eingespielten Songs von einer Stunde Länge wurden auf Eis gelegt. Glücklicherweise hat Wilson diese Raritäten nun aufgetaut und auf CD 2 veröffentlicht. Anderson mietete ein neues Studio an und entschloss sich kurzerhand ein geändertes Konzept zu entwerfen. Daraus wurde das Werk "A Passion Play", das sich um Wiedergeburt und ewiges Leben, um den Kampf Gut gegen Böse und Gott gegen Teufel dreht, den Gedankengängen, die noch bis heute das Leben von Anderson bestimmen, wie man in seiner neuesten Veröffentlichung "Homo Erraticus" hören kann.
"A Passion Play" landete in den USA schlagartig auf dem ersten Platz der Charts, womit niemand rechnete, da es mehr oder weniger überstürzt produziert wurde. Die Zeit drängte, denn nur wenige Tage nach Veröffentlichung stand eine Welttournee an, deren Setlist kurzerhand geändert wurde. Anderson hatte es geschafft, das Unmögliche möglich zu machen und Meilenstein Nummer zwei gesetzt. Dennoch: Es ist und bleibt ein schwieriges Stück Musik, ein Epos für ganz Hartgesottene und es verlangt dem Hörer viel Geduld ab, um bis zum Ende durchzuhalten.
Deutlich interessanter ist dagegen die zweite CD mit dem Material, das für die geplante Doppel-LP vorgesehen war. Hier kann man unter den fünfzehn Songs einige im Ansatz erkennen, die es auf späteren Tull-Veröffentlichungen zu angesehenen Songs gebracht haben, wie "Skating Away" oder "Law Of The Bungle", aus dem später die Kommerz-Version "Bungle In The Jungle" wurde.
Die beiden beiliegenden DVDs geben im Grunde noch einmal das wieder, was bisher schon auf den CDs vertont wurde. Auf DVD 1 sind noch einmal alle Audio Tracks in Dolby Surround 5.1 und PCM Stereo enthalten. Das Ganze also in verbesserter Form. Zudem wird ein Video-Film gezeigt, der während der Tour im Hintergrund lief und den Part "The Story Of The Hare Who Lost His Spectacles" bebildert. Das einzig Interessante an der ersten DVD. Die Zweite ist ausschließlich eine Audio-DVD mit den Session-Songs in Dolby Surround 5.1 und PCM Stereo. Nicht unbedingt notwendig, aber der Vollständigkeit halber vorhanden. Beide DVDs in FSK 0 und Regionalcode 0, das Video mit einer Laufzeit von 11:13 Minuten.
Mein Fazit: Ich bin dankbar, das Exemplar mein Eigen nennen zu können. Die Aufmachung ist Klasse, das Booklet sehr informativ und mit raren Bildern versehen. Die DVDs wären nicht zwingend notwendig gewesen. CD 2 ist für Sammler herausragend. Steven Wilson hat tolle Arbeit geleistet. Unbedingte Kaufempfehlung, auch wenn die Musik zu schwierig erscheint.
Line-up:
Ian Anderson (vocals, acoustic guitar, flute, saxophone)
Martin Barre (guitar)
John Evan (keyboards)
Jeffrey Hammond-Hammond (bass)
Barriemore Barlow (drums)
Tracklist |
CD 1:
01:Lifebeats
02:The Silver Cord
03:Re-Assuring Tune
04:Memory Bank
05:Best Friends
06:Critique Oblique
07:Forest Dance #1
08:The Story Of The Hare Who Lost His Spectacles
09:Forest Dance #2
10:The Foot Of Our Stairs
11:Overseer Overture
12:Flight From Lucifer
13:10:08 To Paddington
14:Magnus Perde
15:Epilogue
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CD 2:
01:The Big Top
02:Scenario
03:Audition
04:Skating Away On The Thin Ice Of The New Day
05:Sailor
06:No Rehearsal
07:Left Right
08:Only Solitaire
09:Cristique Oblique (Part 1)
10:Cristique Oblique (Part 2)
11:Animelee (1st Dance)
12:Animelee (2nd Dance)
13:Law Of The Bungle (Part 1)
14:Tiger Toon
15:Law Of The Bungle (Part 2)
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Externe Links:
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