»The Incredible Jolly presents: Forty-Six Minutes, Twelve Seconds Of Music« - auf sowas muss man erstmal kommen. Jolly, eine Alternative-/Progressive-Band aus New York, punkten jedenfalls schon mit allem Möglichen, bevor man überhaupt einen Ton von ihnen gehört hat. Band- und Albumname machen aufmerksam, ebenso wie das schicke Design des Booklets, das innen Folgendes preis gibt: »Jolly loves you«. Mja. Ob das auf Gegenseitigkeit beruht, erfahren wir in Kürze…
…Aber bemerken zuvor noch was Anderes, als wir die CD aus der Halterung nehmen. So etwas hab ich auch noch nicht erlebt: Ein Album mit einem Warnhinweis im Inlay. Und hier geht's nicht um offensive Sprache. Jolly verkünden weiter oben nämlich, dass sie eine Vielzahl von sogenannten binauralen Tönen in das Album eingeflochten haben. Bei diesen handelt es sich um verschiedene Formen der Gehirnwellenstimulation, die durch ganz leicht voneinander abweichende Frequenzen in den beiden Stereokanälen erzeugt werden. Dadurch entsteht ein unhörbarer 'Phantomton', der die natürliche Gehirnfrequenz ändert, was einen veränderten Bewusstseinszustand auslöst.
Laut Band und Promotion ist wissenschaftlich bewiesen worden, dass binaurale Töne Glücksgefühle, Konzentration, Kreativität und Entspannung erhöhen. Weiterführende Recherchen zeigten mir, dass dieses Verfahren gern auch für Meditationsübungen verwendet wird und dort oftmals den Weg langer Meditation erspart und zu geistiger Erkenntnis führen kann. So mancher hat schon mit Hilfe dieser Klänge seinen spirituellen Führer oder sogar sein Krafttier gefunden.
Und wovor wird nun gewarnt? …Nun, diese CD darf z.B. nicht während des Autofahrens gehört werden. Epileptiker, Herzkranke oder Menschen mit einem Herzschrittmacher sollten vor dem Hören einen Arzt konsultieren. Auch für Kinder ist sie ungeeignet. Zudem wird natürlich keine Haftung für irgendwelche eventuellen Schäden übernommen.
Man hat also so viel Drumrum, dass man fast die Musik vergessen könnte - die ist nämlich sehr gut. Wie eingangs beschrieben, handelt es sich um eine Mischung aus Alternative Rock und Prog - wobei der progressive Anteil ganz klar die Nase vorn hat. Deutlich wird dies beispielsweise durch das traditionelle Beiwerk, nämlich atmosphärische Soundlandschaften zwischen den Songs, die stets von einem Vinyl-Knistern begleitet werden. In den Songs selbst sorgt - wie so oft - hauptsächlich das Schlagzeug für Unkonventionelles, indem es immer wieder Rhythmen aufbricht und zerhackstückt. Wirklich große Überraschungen bleiben aus, aber "46:12", wie ich es mal verkürzt nenne, gefällt über die volle Länge mit vielen Breaks und Wechseln von Laut zu Leise, von Schnell zu Langsam.
Die ätherisch-verträumten Parts lassen Alles in einem viel größeren Zusammenhang erscheinen und tun nur Positives. Jolly bringen das Kunststück fertig, mit Stille fast mehr auszusagen als mit den Songgerüsten - ohne diese schmälern zu wollen.
Dieses Album und diese Band sind ein Gesamtkunstwerk, das man erlebt haben sollte. Das Beiwerk wird keinesfalls dazu verwendet, um musikalische Schwächen zu übertünchen; nein: Die Songs sind fast immer zwingend und es macht Spaß, dem roten Faden des Albums zu folgen. Zu den binauralen Tönen kann ich keine Aussage machen, da man bei solchen schwer nachzuweisenden, experimentellen Aktionen immer Gefahr läuft, sich etwas einzubilden. Ich sag' nur soviel: Ich bin weit davon entfernt, ihnen die Wirkung abzusprechen.
Ich schließe mich einem Satz an, der im Inlay steht und Bestandteil der 'Gebrauchsanweisung' für binaurale Töne ist, da man ihn auch auf die Musik selbst anwenden kann: Wiederholtes Hören empfohlen.
Line-up:
Anadale (vocals, guitars)
Louis Abramson (drums)
Joe Reilly (keyboards)
Mike Rudin (bass)
Tracklist |
01:Escape From DS-3
02:Renfaire
03:Peril
04:Red Sky Locomotive
05:We Had An Agreement
06:Downstream
07:Carousel Of Whale
08:Solstice
09:Inside The Womb
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