'Ohr-ale' Anleitungen zum Glücklichsein findet man im Plattenladen seines Vertrauens eher selten. Fündig wird man aber ganz sicher in dem Esoterikladen um die Ecke. Mehr oder weniger fröhliches Synthesizer-Gezirpe - gerne auf der Basis von Verdis "Vier Jahreszeiten" - das allerdings eher dazu geeignet ist, den Hörer endgültig in den Wahnsinn zu treiben. Glücklich wird bei solchen Produkten meist nur der Erzeuger, der sich ob der Vielzahl der (Leicht-)Gläubigen (oder Verzweifelten?) und dem damit verbundenen Geldsegen die Hände reibt.
Einen anderen musikalischen Weg beschreitet Jolly, aber das Ziel, Glücksgefühle, Konzentration und Entspannung zu vermitteln, scheint dasselbe zu sein. Den binauralen Tönen, die sie dazu verwenden bzw. verwenden sollen (bewusst sind sie kaum wahrnehmbar), wird dieser Effekt nachgesagt. Die Erklärung binauraler Tonaufnahmen würde den Rahmen einer Rezension sprengen. Interessierte mögen sich bitte hier informieren.
Bereits bei ihrem Erstling experimentierte Jolly mit dieser Technik und dies in einer Weise, die Meditationsübungen sicherlich wenig zuträglich war. Die Musik wirkte seinerzeit für meinen Geschmack etwas zu sperrig und kantig. "The Audio Guide To Happiness" - im folgenden nur noch "TAGTH" genannt - ist dagegen geradliniger, aber keineswegs kommerzieller ausgefallen. Da stimmt es richtig glücklich, dass in absehbarerer Zeit eine Fortsetzung von "TAGTH" folgen wird.
Mit geradezu wissenschaftlicher Akribie haben sich die vier New Yorker an "TAGTH" heran gewagt. Auf der Basis des Studiums ihres Debüt-Albums, "Forty-Six Minutes, Twelve Seconds Of Music", hat man über 5000 Musikinteressierte befragt, um die Ergebnisse als »Kunst der Musikproduktion mit soziologischen und neurologischen Daten verbinden und die Ergebnisse in ein geschlossenes System von vier Phasen überführen.« Was man damit eigentlich sagen will, bleibt nebulös und entschlüsselt sich dem Schreiber nicht. Jolly machen sich nicht die Mühe, diese kryptische Botschaft dem Interessierten zu dechivrieren. Man könnte sogar leicht über diese möglicherweise pseudo-wissenschaftliche Schaumschlägerei in ärgerliche statt glückliche Stimmung verfallen, wenn... ja, wenn das Ergebnis nicht derart überzeugend wäre.
Die CD startet mit sphärischen Klängen und der Aufforderung, die Augen zu schließen und zu atmen. War's doch ein esoterischer Fehlgriff? Nein, die Phase 1 von "TAGTH" beginnt - die Lösung geistiger Beschränkungen. Hierzu arbeitet man mit den unterschiedlichsten Stilmitteln: mal sind es 'knallige' prog-metallische Riffs, mal geradezu 'poppige' Melodiebögen. Stille Momente wechseln sich mit melancholischen und harten Momenten, in denen sogar einige Growls zu hören sind, ab. Bei "The Pattern" denkt man sofort an den Stachelschweinbaum - bei "Joy" und "Pretty Darling" fühlt man sich in die beatles-sche Spätphase versetzt. Dieser erste Teil gefällt vor allem durch seinen Abwechslungsreichtum und seine Zwischenspiele, die die einzelnen Songs unterhaltsam verbinden.
Phase 2 - man achte nun auf den Körper. Beim Hören dieser vier stimmungsvollen Stücke scheint sich der tief in diese Klangsphären eintauchende Musikfreund tatsächlich aus seiner irdischen Hülle zu befreien. Melodisch, barock-opulent - gleichfalls aber auch rockig und direkt arrangiert - mäandert dieser für mein Gehör schönste Teil von "TAGTH" zwischen Riverside und King's X. Die Gesangsparts von "Where Everything's Perfect" erinnern obendrein frappierend an Nana Vasconcelos, der Stimme der Pat Metheny Group. Vor allem weiß aber das intelligent arrangierte "Radiae" zu gefallen.
Ketzerische Frage zum Schluss: Macht "The Audio Guide To Happiness" wirklich glücklich? Klar, vier erstklassigen Musikern und einem ebensolchem Sänger zuzuhören, macht immer Spaß. Unter Glück verstehe ich persönlich allerdings etwas völlig anderes und das stellt sich beim aufmerksamen Zuhören nicht ein - vielleicht bin ich aber auch gegen Autosuggestionen dieser Art etwas zu abgestumpft... oder zu kritisch. Jolly ist dessen ungeachtet ein wirklich schönes Stück progressiver Rockmusik gelungen.
Line-up:
Anadale (guitar, vocals)
Joe Reilly (keyboards)
Anthony Rondinone (bass)
Louis Abramson (drums)
Tracklist |
01:Guidance One (0:53)
02:Ends Where it Starts (5:25)
03:Joy (4:40)
04:Pretty Darlin' (3:51)
05:The Pattern (6:26)
06:Storytime (3:49)
07:Guidance Two (1:02)
08:Still A Dream (5:56)
09:Radiae (4:15)
10:Where Everyting's Perfect (6:11)
11:Dorothy's Lament (3:36)
12:Intermission (0:08)
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Externe Links:
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