Wenn zwei Mitglieder von Santana ihr eigenes Ding machen, dann ist das gewagt, mutig und zeigt eine Menge Selbstvertrauen auf. Neal Schon und Gregg Rolie waren diese Beiden, die im Jahr 1973 in San Francisco Journey aus der Taufe hoben.
Was daraus wurde, dürfte hinreichend bekannt sein. Wie oft wird hin und her diskutiert, ob eine Musik nun melodischer Rock ist oder ganz einfach als AOR bezeichnet werden kann. Jedenfalls dürften Journey mit die Urväter dieses sog. AOR sein. Nun, auf den ersten drei Alben huldigte die Band ein ums andere Mal dem großen Santana. Der Erfolg blieb aus, und so wurde aus Kalkül ab sofort bewusst und gewollt die Hitmaschinerie angeworfen.
Wir haben hier noch mal vier Alben vorliegen, die im Jahr 2006 allesamt in einem schmucken Digi-Pack einlaufen. Für Journeys viertes Album wurde Steve Perry als Sänger arrangiert. Und genau diese Stimme drückte von nun an der gesamten Band ihren Stempel auf. Perry sang so markant, dass man einen Journey-Track sofort unter vielen anderen identifizieren konnte.
Auf "Infinity" wurden die Kompositionen so gestaltet, dass die Melodien besonders gut ins Ohr gingen. Kurzweilige Rocksongs und schöne Balladen waren das neue Markenzeichen. Bereits mit "Lights" wird dies allzu deutlich. Perry schmachtet hier zu den angenehmen Piano-Klängen. Neal Schon spielt eine dezente Gitarre. Ansonsten bestimmen die Tasten die Szenerie. Eins wird schnell klar: Die Tracks unterscheiden sich allesamt nicht sonderlich voneinander. Wüssten wir also nicht, dass das mit Kalkül so gemacht wurde, hätten wir wohl wesentlich weniger Spaß an der Sache. Stücke wie "Feeling That Way" bewegen sich auf einem Softrocksektor, der zu 100% radiotauglich ist. Chorgesänge, die sich an erfolgreichen Bands wie Boston orientierten. Auch das klappte wunderbar. Der Erfolg gab der Formation recht. Dieses Album ist für die damalige Zeit so glatt, dass es kaum zu glauben ist. Mit "Wheel In The Sky" gab es erwartungsgemäß auch den ersten richtigen Millionenseller. So war die Zeit eben damals. Die Bands machten alle noch eine Singleauskopplung, in der Hoffnung, den Weg in die angesagten Diskotheken zu finden. Mit "La Do Da" wurden zwar auch die Gitarren noch mal richtig geschrubbt, aber ansonsten befand man sich im seichten Fahrwasser des süßlichen Rocks. Trotzdem, heute, im Jahr 2006, ist das schon Nostalgie.
1979 erschien "Evolution". Das Intro zum Album heißt "Majestic" und lässt es ungewöhnlich laut krachen. Ich glaube, man kann heute schön erkennen, wie sich die Band nach wie vor in ihrem eingeschlagenen Fahrwasser bewegte, sich aber dennoch weiter entwickelt hatte. Am Schlagzeug gab es einen Besetzungswechsel: Aynsley Dunbar hatte die Band verlassen. Für ihn stieß Steve Smith dazu. Während auf dem Vorgänger insbesondere bei den ruhigen und balladesken Stücken das Piano nach vorne gemischt worden war, so hört man bei "Too Late" die Gitarren von Neal Schon stärker. Und auch seine solistischen Ausflüge waren etwas umfangreicher. Typische Bluestakte wurden bei "Lovin' Touchin' Squeezin'" angeschlagen. Obwohl ich ein Stück wie "When You're Alone (It Ain't Easy)" im Grunde genommen für einen Totalausfall halte, so entdecke ich trotz allem solche Perlen wie "Sweet And Simple" noch mal neu. Besser kann man eine Ballade sicherlich nicht zelebrieren. Und ehrlich gefragt: Was soll mit einer Stimme, wie Steve Perry sie bietet, eigentlich schief gehen? Wer sich also in der heutigen Zeit darauf einlässt und Journey nicht einfach als Kitsch abtut, der hat seine wahre Freude. Dafür sorgen im Übrigen auch das fein riffige "Lovin' Is Easy" und auch das groovende "Do You Recall". Journey hatten also 1979 ein ähnliches Album wie "Infinity" nachgelegt. Manch einer wird sagen, dass sie zwar Erfolg hatten, aber ein Track wie "Lady Luck" hatte eben auch verdeutlicht, dass man musikalisch zu viel mehr in der Lage gewesen wäre. Doch spielerische Tastenquälereien und Gitarrengefrickel überließ man eben den Anderen. Man selbst sicherte sich die Charts.
Dieses Album aus 1980 bietet nicht nur typischen AOR. Da werden z.B. in "Walks Like A Lady" mehr oder weniger klassische Rock-Töne angeschlagen. Und mit "Someday Soon" spielte die Band auch nicht mehr ganz so glatt poliert und traute sich durchaus, mal einen Haken in den musikalischen Ablauf zu schlagen. Ich finde, dass dies der Musik nur gut tat. Und dennoch konnten sie auch mit "Departure" große Erfolge feiern. Zwar brachte es nicht die ganz großen Singles, aber man kann diese Scheibe als eine der Innovativsten von Journey in der damaligen Zeit einordnen. Tracks wie "Precious Time", mit den eingestreuten Mundharmonikas, machen Laune und lassen erkennen, welche Brillanz in der Formation steckte. Dass Steve Perry sich dabei nicht ganz so in Szene setzen konnte, macht überhaupt nichts. "Where Were You" im Stile eines damals modernen Rock 'n' Rollers ging richtig ab, und "I'm Cryin'" war ein vor Kraft strotzender Rocker, der zwar 'slowly' zu Werke ging, aber seinen ganz persönlichen Charme versprühte. Mit "Natural Thing" und "Little Girl" gibt es auf diesem Re-Release zwei Bonus-Tracks, die dazu geeignet sind, in eleganten und einfühlsamen Sphären zu schweben.
Im Jahr 1981 hatten Journey noch ein Live-Album mit dem Titel "Captured" eingespielt. Gregg Rolie, ich erinnere daran, dass es sich um ein Gründungsmitglied handelte, verließ die Band. Für ihn kam Jonathan Cain in die Band. Was jetzt folgte, war ein kompromissloser AOR, noch glatter und noch eingängiger. Dafür wurde "Escape" dann auch das erfolgreichste Album in der Bandgeschichte. Diese Platte hat bei fast allen folgenden AOR-Bands einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Viel zu verbessern gab und gibt es da nicht. Sowohl das moderne "Don't Stop Believin'" als auch die beiden Balladen "Who's Crying Now" und "Open Arms" erklommen die Charts im Fluge. Noch heute zählen diese Tracks zu den Live-Highlights. Knapp 26 Jahre nach Erscheinen, feiern die Fans diese Songs unaufhaltsam. Aber auch der Rest von "Escape" überzeugt. Da gibt es das einfühlsame "Mother, Father", welches ebenfalls zu meinen Favoriten von Journey zählt. Der Re-Release übergibt zusätzlich drei Live-Aufnahmen aus einem Konzert vom 06.11.1981 aus Boston an den Hörer.
Alle vier Scheiben bieten neben dem Digi-Pack umfangreiche und schöne Booklets. Und wenn jemand sich für perfekten AOR, meinetwegen auch melodischen Rock interessiert, sind diese Ausgaben Pflicht, wenn er denn nicht ohnehin schon die Erstausgaben besitzt.
Line-up "Infinity":
Steve Perry (lead vocals)
Neal Schon (guitars)
Ross Valory (bass)
Aynsley Dunbar (drums)
Gregg Rolie (keyboards)
Line-up "Evolution":
Steve Perry (lead vocals)
Neal Schon (guitars)
Ross Valory (bass)
Steve Smith (drums)
Gregg Rolie (keyboards)
Line-up "Departure":
Steve Perry (lead vocals)
Neal Schon (guitars)
Ross Valory (bass)
Steve Smith (drums)
Gregg Rolie (keyboards)
Line-up "Escape":
Steve Perry (lead vocals)
Neal Schon (guitars)
Ross Valory (bass)
Steve Smith (drums)
Jonathan Cain (keyboards)
Tracklist |
Infinity:
01:Lights (3:10)
02:Feeling That Way (3:27)
03:Anytime (3:28)
04:La Do Da (3:01)
05:Patiently (3:20)
06:Wheel In The Sky (4:12)
07:Somethin' To Hide (3:26)
08:Winds Of March (5:04)
09:Can Do (2:39)
10:Opened The Door (4:37)
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Evolution:
01:Majestic (1:15)
02:Too Late (2:58)
03:Lovin' Touchin' Squeezin (3:54)
04:City Of The Angels (3:11)
05:When You're Alone (It ain't Easy) (3:09)
06:Sweet and Simple (4:13)
07:Lovin' You Is Easy (3:37)
08:Just The Same Way (3:17)
09:Do You Recall (3:13)
10:Daydream (4:41)
11:Lady Luck (3:34)
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Departure:
01:Any Way You want It (3:21)
02:Walks Like A Lady (3:16)
03:Someday Soon (3:31)
04:People And Places (5:04)
05:Precious Time (4:49)
06:Where Were You (3:00)
07:I'm Cryin' (3:42)
08:Line Of Fire (3:05)
09:Departure (0:37)
10:Good Morning Girl (1:44)
11:Stay Awhile (2:48)
12:Homemade Love (2:53)
Bonus Tracks:
13:Natural Thing (3:42)
14:Little Girl (5:47)
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Escape:
01:Don't Stop Believin' (4:10)
02:Stone In Love (4:25)
03:Who's Crying Now (5:00)
04:Keep On runnin' (3:39)
05:Still They Ride (3:50)
06:Escape (5:16)
07:Lay It Down (4:13)
08:Dead Or Alive (3:21)
09:Mother, Father (5:29)
10:Open Arms (3:23)
Bonus Tracks:
11:La Raza Del Sol (3:26)
12:Don't Stop Believin' (Live In Houston, 06.11.81) (4:19)
13:Who's Crying Now (Live In Houston, 06.11.81) (5:43)
14:Open Arms (Live In Houston, 06.11.81) (3:22)
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Externe Links:
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