Judas Priest
09.06.2015, Arena, Berlin
Rocktimes Konzertbericht
Judas Priest
Support: Five Finger Death Punch
Arena Berlin
09. Juni 2015
Konzertbericht
Stil: Heavy Metal


Artikel vom 13.06.2015


Holger Ott
Nachdem Judas Priest vor vier Jahren ihr Ende bekannt gegeben hatten, strömten noch einmal zigtausend Fans in die größten Arenen der Welt, um die Band zum letzten Mal erleben zu können. Die O2 World Berlin war ebenso schnell ausverkauft, wie viele andere Spielstätten. Alles nur ein Werbegag, wie sich wenige Monate danach herausstellte, um den Leuten einmal mehr die Kohle aus der Tasche zu ziehen. Sind solche Bands eigentlich ihrem Publikum gegenüber noch loyal? Die Strafe dafür folgt auf dem Fuß, denn die Arena in Berlin-Treptow, der heutige Spielort, fasst gerade ein Drittel der Zuschauer in der O2 World, die ab sofort Mercedes Benz Arena heißt. Dennoch wäre eine größere Halle angemessen, da die Tickets seit Monaten vergriffen sind und es in Berlin locker die Möglichkeit gäbe, kurzfristig umzubuchen. So erscheint nicht nur die Arena deutlich zu klein, sondern auch die minimalistische Bühne eher wie ein Kinderspielplatz, wenn man bedenkt, welche 'Geschütze' die Priester noch beim letzten Besuch aufgefahren hatten. Wie auch immer, die Fans stehen hinter der Band und die dankt es ihnen mit einem mitreißenden Konzert.
Für ihr Vorprogramm haben sich Judas Priest Five Finger Death Punch ausgesucht, die sich inzwischen einen recht guten Namen in der Szene gemacht haben. Das Quintett um Gründer und Mastermind Zoltan Bathory pulsiert enorm auf der Bühne. Drummer Jeremy Spencer trommelt im Skelett-Kostüm mit LED-Beleuchtung als Zahnersatz und Bassist Kris Kael sowie Gitarrist Jason Hook wetteifern im Headbanging und lassen ihre Kopf- und Bart-Dreadlocks kreisen. Zoltan, im Sportlook, präsentiert derweilen seine hübsch beleuchteten Gitarren und allesamt verteilen tonnenweise Guitar-Pics im Publikum. Wer in den ersten zehn Reihen keines abbekommen hat, war wohl nur zu faul, sich zu bücken. Hingucker auf der Bühne ist auf jeden Fall der abgefahrene Mikrofonständer für Sänger Ivan Moody, den er zwar nur selten benutzt, aber einen Platz in der Music Hall Of Fame verdient hat. Da könnte sich sogar Altmeister Alice Cooper noch eine Scheibe von abschneiden. In komplett verchromter Ausführung besteht die Halterung für das Mic aus einer automatischen Pistole, deren Mündung zum Mund des Sängers zeigt und der Ständer aus einem gebogenen Skelett, dessen Hände zwei Handgranaten halten. Wenn das mal keine Ansage ist, wohin der Weg heute Abend führen wird. Trotz dieser 'Skulptur' zieht es Ivan vor, die komplette Bühne für seine Performance zu benutzen, statt sich am Schädel des Ständers festzuhalten.
Der Rest der Bühnenausstattung deutet ebenfalls darauf hin, dass der 'tödliche Faustschlag' voll auf die Zwölf der tobenden Meute im Saal geht. Überall Schlagringe, Patronenhülsen, Pistolen und Maschinengewehre. Kriegsfanatiker kommen hier voll auf ihre Kosten und können sich von der Dekoration inspirieren lassen. Ich als bekennender Pazifist fühle mich beim Anblick der Deko etwas fehl am Platze und kann auch nicht so recht verstehen, wie das hier gutgeheißen werden kann. An dieser Stelle 'wie auch immer' zu sagen, wäre falsch. Somit bekommt die Band für diese negative Einlage auch eine negative Bewertung von mir. Andere mögen das ja toll finden...
Musikalisch sind sie als Vorprogramm auf jeden Fall eine sehr gute Wahl. Ihre Musik bewegt sich zwischen Cross-Over über Dark- bis zum klassischen Heavy Metal. Herausragendes Stück ist eindeutig "Burn MF (Motherfucker)", bei dem der Saal völlig am Auskreisen ist. Ich stehe am Rand eines Moshpits und muss so manchen Seitenhieb einstecken, aber irgendwie reißt mich die Musik ebenso mit wie die anwesenden, gut fünftausend Leute. Leicht unverständlich ist mir die Cover-Einlage Bad Company der gleichnamigen Band. In der Litanei von Five Finger Death Punch befinden sich doch wahrlich genug Songs aus der eigenen Feder. Immerhin haben sie seit ihrer Gründung reichlich Singles mit anständigen Chartplatzierungen veröffentlicht. Muss man also etwas aufwärmen, was stilistisch nicht zum Rest ihrer Darbietung passt? Trotzdem ist ihre Show sehens- und vor allem hörenswert und ich kann nur jedem empfehlen, dem die Band bislang unbekannt war, ein Auge und ein Ohr darauf zu werfen.
Hinter einem Riesenvorhang wird in der Pause das Set für die Stars des Abends vorbereitet und pünktlich auf die Sekunde fällt dieser, nachdem das Intro "War Pigs" von Black Sabbath gelaufen ist. Bei diesem Titel ist der Einfluss von Sabbath auf Priest unüberhörbar. Denkt man an die ersten Scheiben der Priester, so findet man sehr viele Parallelen, die auch mich damals dazu bewogen haben, die Band zu meinen Favoriten zu zählen und deren Musik zu kaufen.
Die Band spielt sich mit "Dragonaut" von der neuen CD "Redeemer Of Souls" schon einmal warm und mit seinem Einsatz schleicht sich Rob Halford, gestützt auf einem Stock und schwer atmend, auf die Bühne. Klar, nur Show, aber es zeigt seine Wirkung. Von nun an spult Judas Priest für mein Empfinden ein Programm ab, das ebenso gut aus der Konserve kommen könnte. Halford wandert ständig mit gleichgültig gesenktem Blick über die Bühne und ohne die geringste Kommunikation mit dem Publikum werden die ersten sieben Songs performt. Damit wäre dann auch schon die Hälfte des Hauptprogramms beendet, wären darin nicht ein paar Highlights enthalten. Neben dem Klamottentausch von Rob zu jedem Song, ist es hauptsächlich Gitarrist Richie Faulkner, der die Augen auf sich zieht. Er ist der einzige in der Band, der die Nähe zu den Fans sucht und dabei ständig in Bewegung ist. Seine Geschenke, neben brillanten Soli: natürlich ein Regen von Plektren, dankbar von der Menge angenommen, die sich zum Teil darum prügelt. Er ist der eigentliche Aktivposten und mutiert langsam aber sicher zum Star der Band. Blickt man zu den alten Haudegen Glenn Tipton und Ian Hill, so könnte man vermuten, dass sie ein imaginäres Schild um den Hals tragen, auf dem 'Bitte nicht stören' steht. Tipton bewegt sich ja wenigstens ab und zu mal wenn es darum geht, mit Faulkner im Duett zu spielen, aber auch nur dann, wenn der zu ihm wandert.
Um etwas von der Show abzulenken, laufen auf einer großen Leinwand Einspieler der LP- bzw. CD-Cover, damit auch der letzte Unwissende im Saal erkennt, auf welchem Tonträger der Song zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Vielleicht ist die Sicht aus der Ferne etwas besser, aber vorne kommt alles nur extrem verpixelt rüber. Bei den heutigen Möglichkeiten somit ein kleines Armutszeugnis...
Mein Favorit in der ersten Hälfte des Konzertes ist mit Abstand "Victim Of Changes", das mich sofort zu den Anfängen und für mich beste Schaffensphase der Band katapultiert. Ich liebe diese langen Werke, mit ihren Tempowechseln, Breaks und ausufernden Soli. Das sind die Priester in ihrer Urform, als sie ihre Musik noch in die Menge geprügelt haben und die Fans vor ihnen auf die Knie gesunken sind. Spätestens seit "British Steel" haben sie sich mit der Rasierklinge des Covers das Herz aus dem Leib geschnitten und es dem Kommerz übergeben. Gassenhauer wie "Turbo Lover" und "Breaking The Law" runden somit das Programm ab.
Sicher kommt auch ihre neue CD einige Male zum Zug, sonst wäre ja das Thema "Redeemer Of Souls"-Tour völlig verfehlt. Somit wird neben "March Of The Damned" und "Halls Of Walhalla" der vierte und gleichzeitige Titel-Track gespielt und erinnert mich zum Glück an alte Zeiten. Selbstverständlich darf auch die alte Harley nicht auf der Bühne fehlen. Für den letzten Song, "Hell Bent For Leather", wird das gute, komplett verchromte Stück zum Leben erweckt und von Rob erst geritten und dann ordentlich mit der Peitsche traktiert. Wenn das die Herren aus Milwaukee wüssten...
Reibungslos geht es in die Zugaben über. "Electric Eye" bringt die Pixel-Leinwand noch einmal in Wallung. "You've Got Another Thing Comin'" erreicht das gleiche mit den Musikern. So kurz vor Schluss kommt endlich ein Hauch von Euphorie unter den Protagonisten auf. Allen voran noch immer Halford, dessen Stimme heute mühelos die höchsten Höhen erreicht, und Vorzeigegitarrist Faulkner, der mir mit Abstand am besten auf der Bühne gefällt. Da Songansagen und Unterhaltungen jeglicher Art Mangelware sind, übernimmt nun Drummer Scott Travis diese Aufgabe, der bis zum Schluss erstaunlicherweise keinen einzigen Tropfen Schweiß verliert. Seine Aufforderung zum Wunschkonzert wird einstimmig mit "Painkiller" beantwortet, einem weiteren Highlight, bevor mit "Living After Midnight" die Fans gen Heimat geschickt werden. Mein Blick auf die Uhr offenbart mir einen viel zu kurzen Konzertabend. Gerade neunzig Minuten, inklusive der Zugaben, haben sich Judas Priest abgerungen. Viel zu wenig, wie ich finde, und im Vergleich zum letzten Gastspiel auch eine volle Stunde kürzer, bei gleichem Preis. Nicht nur ich hätte mir mehr gewünscht, aber alle weiteren Rufe nach Zugaben entschwinden wie der Rauch auf der Bühne.
Trotz allen Widrigkeiten, die bei objektiver Betrachtung zu Tage gefördert werden, kann man sagen, dass es ein vernünftiges Konzert war. Das Vorprogramm hat richtig gut eingeheizt und zur Ausstrahlung eines Rob Halford muss man nicht viel sagen. Er ist halt der Hohepriester und wird immer seine Jünger um sich scharen.
Vielen Dank an Susanne Dobs von Red Carpet für die Akkreditierung und freundliche Unterstützung.
Line-up:
Rob Halford (vocals)
Glenn Tipton (guitar)
Richie Faulkner (guitar)
Ian Hill (bass)
Scott Travis (drums)
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