Hat eigentlich schon mal jemand von euch eine Mick Jagger-Biografie gelesen, die ihr nach der letzten Seite zufrieden nickend auf einen gesonderten Platz im heimischen Regal abgestellt habt? Nein? Wundert mich nicht, denn mir geht es genauso. Ist aber nicht wirklich schlimm, denn das liegt weder an euch, noch an mir. Und der simple Grund dafür ist, dass es solch eine Jagger-Biografie höchstwahrscheinlich niemals geben wird. Jaja, schon richtig vermutet, auch der vorliegende Versuch von Marc Spitz kommt in den seltensten Momenten darüber hinaus, ein eben solcher zu sein.
Und woran liegt's? In allererster Linie natürlich daran, dass der mittlerweile von den Royals geadelte, vor Jahrzehnten noch von den Landes-Offiziellen verteufelte und in den Knast gesteckte Frontmann der Rolling Stones natürlich nullkommanix mit diesem Buch zu tun hatte. Mick Jagger hat - wie mittlerweile bereits des Öfteren von engeren Vertrauten bzw. langjährigen Bekannten (wie etwa Charlie Watts) deutlich gemacht wurde - weder den Nerv, noch auch nur einen Funken an Interesse, sich mit der (eigenen) Vergangenheit zu beschäftigen. Das spricht auf der einen Seite unbedingt für ihn, auf der anderen lässt es aber auch auf einen rast- wie ruhelosen Geist schließen, der nach wie vor nicht wirklich zu einer komfortablen inneren Ruhe gefunden hat.
»...you always said the highway is your home, but we both know that ain't true... it's just the only place a man can go, when he don't know where he's travellin' to...« hat Steve Earle mal in einem Song ("Forth Worth Blues") in Gedenken an seinen verstorbenen Freund und Mentor Townes Van Zandt gesungen. Und immer wieder tauchen diese Zeilen auch vor dem geistigen Auge des Rezensenten beim Studieren der hier zu besprechenden Lektüre auf.
Eines muss man Marc Spitz lassen: Er hat für dieses Buch einen wirklich sehr guten wie interessanten Prolog geschrieben, der u. a. mit der direkt an den Leser gerichteten Frage 'Wer wärst du lieber, Mick Jagger oder Keith Richards?' nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern sogar dazu animiert, die ganz eigene und persönliche Geschichte des Lesers zu dieser Band nochmal per Zeitraffer ablaufen zu lassen. Leider kann das Buch im weiteren Verlauf kaum halten, was es im erwähnten Prolog verspricht. Im Prinzip folgt nochmal ein Abriss der Karriere der Rolling Stones, zugegebenermaßen mit einem leichten Fokus auf Sir Jagger.
Dass dabei andere Bandmitglieder erwähnt werden, ist eher Zufall und obwohl der Autor im Vorwort noch einmal ausdrücklich ausführt, dass er kein Anti-Keith-Buch schreiben wollte, wird an Mr. Richards kaum ein gutes Haar gelassen (falls er überhaupt mal erwähnt wird). Nee, kommt nicht wirklich gut, denn selbst wenn dieses Buch ein ausdrückliches Pro-Jagger-Buch ist (was ja durchaus legitim und dem Autor vorbehalten ist), so wird hier doch so einiges durch schlichtes Totschweigen unter den Teppich gekehrt. Die Festellung von Spitz, dass Keith' Leitspruch »...gut ist, was zeitlos ist...« zumindestens ein Fünkchen Wahrheit enthält, ist das höchste der Gefühle und dann doch schon ziemlich frech!
Wie interessant dieses Buch für den potentiellen Käufer ist, hängt wie immer davon ab, wie belesen er bezüglich der Geschichte dieser Band bereits ist. Mir persönlich (der zugegebenermaßen schon viele Stones-Bücher gelesen hat) hat es kaum neue Informationen geliefert. Eine der wirklich spannenden wie interessanten Passagen ist die, wo und wann es (so nachvollziehbar wie nochmal augenöffnend) tatsächlich zum für immer unkittbaren Bruch der einst so extrem engen Männerfreundschaft zwischen Jagger und Richards kam.
Eher bemüht, wenn nicht gar angestrengt kommen dagegen die Versuche rüber, Jagger als einen guten Schauspieler zu verkaufen. "Ned Kelly"? "Freejack"?? Ich bin der Meinung, dass um diese Streifen nach wie vor besser der Mantel des Schweigens gehüllt werden sollte. Mick Jagger war ein einziges Mal richtig gut, aber da spielte er sich (inbegriffen Studien aus dem realen Leben mit Brian Jones) selbst in dem Film "Performance" (gedreht 1968), der wirklich stark ist, vorausgesetzt, dass man ihn auch versteht. Auch, dass der Autor sich über eine erschreckend hohe Seitenzahl über die (zugegebenermaßen von Jagger geförderte Band) Living Colour auslässt, erhöht den Lesespaß - gerade, wenn man über eigentliche Bandkollegen oder andere sehr wichtige Mitarbeiter kaum etwas erfährt - nicht unbedingt.
"Mick Jagger - Rebell und Rockstar" ist letzten Endes gar keine Jagger-, sondern vielmehr eine weitere Stones-Biografie mit dem Fokus auf den Frontmann. Auch, wenn dies lediglich dadurch bewirkt wird, die anderen Musiker außen vor und Keith Richards bestenfalls als Drogenwrack in Erscheinung treten zu lassen.
Marc Spitz wollte einen Gegenpol zu der Keith Richards-Autobiografie "Life" setzen, aber eine zufriedenstellende Mick Jagger-Biografie ist ihm deshalb - wie er gegen Ende des Buches sogar selbst etwas verschlüsselt zugibt - trotzdem nicht gelungen.
Nein, eine gute Mick Jagger-Biografie wird es niemals geben. Die einzige reale Chance für ein solches Unterfangen wäre, dass der Protagonist aktiv daran mitarbeiten würde. Aber Mick Jagger doesn't give a flying fuck bzgl. seiner Vergangenheit. Vielleicht gut für ihn, ganz sicher gut für seine Fans, die auf neue Projekte warten, aber irgendwo auch ein bisschen schade für die vielen, vielen Anhänger der Rolling Stones, die ihn gerne eine bisschen besser verstehen wollen würden.
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