Wenn man so durchliest, wie Jonny Kaplan sich selbst und sein Leben beschreibt, dann wird schnell klar, dass man es hier mit einem echten Rock'n'Roll-Zigeuner zu hat, dessen kompletter Lebensinhalt und -sinn die Musik ist. Nein, er hat noch keinen großen Namen. Und das, obwohl er bereits zwei eigene Scheiben raus gebracht und mit solchen Koriphäen wie Keith Richards, Shane MacGowan oder Dee Dee Ramone zusammengearbeitet hat. Offen gibt er in seiner Selbstdefinition auch zu ein riesen großer Anhänger der Rolling Stones und Bob Dylan zu sein. Eine Tatsache, die sich bereits beim ersten Hördurchlauf des nun vorliegenden, dritten Silberlings "Seasons" von Meister Kaplan kaum verbergen lässt.
Mit einem typischen Stones-Riff und feinem Honky Tonk-Piano startet "Smoking Tar" den Silberling in geilster Rock'n'Roll-Manier. Kaplan & The Lazy Stars bringen das Stück zum Kochen und Jonny verleiht ihm mit seiner vom Leben gezeichneten Stimme den letzten Drive. Ganz sicherlich nicht die Neuerfindung des Rades, dafür aber ein saustarker Rock-Song, wie man ihn einfach lieben muss. Das Adrenalin, der Drive und eine gewisse abgefuckte Coolheit bestimmen das Bild. Sauber! Die Strophen des darauf folgenden Titelsongs sind schon fast frivol-frech an Bob Dylans "Mr. Tambourine Man" angelehnt, inklusive Harmonika und im Besonderen bezüglich der Gesangsmelodie.
Wenn man sich davon aber befreien kann, dann hat man einen weiteren starken, wenn auch nicht sonderlich originellen Song im Sack, der dem Zuhörer recht schnell ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Das Gitarrenriff zu "Still Lonely" ist relativ offensichtlich von Lou Reeds "Dirty Boulevard" ausgeliehen. Der Track an sich ist aber dennoch ein echter Kaplan. Irgendwie schafft der gute Jonny mit seinen Kompositionen originelle Adaptionen zu bereits Dagewesenem zu schaffen, die man einfach mögen muss, da er jeweils auch immer noch was ganz Eigenes mit einbringt und das Ganze dann so schmissig und überzeugend bringt, dass er selbst das kritische Rockerherz auf seine Seite zieht.
Großen Anteil hierzu hat natürlich auch die Band, The Lazy Stars. Zum einen hat Jonny mit RK Sanchez einen sowohl versierten wie auch vor Feeling nur so strotzenden Lead-Gitarristen zur Verfügung, zum Zweiten mit John Salaberria (Bass) und Joey Galvan (Schlagzeug) eine Hintermannschaft am Start, die es nicht nur versteht mächtig Gas zu geben, sondern auch höllisch grooven und ganz eigene Atmosphären entstehen lassen kann.
Ein sehr geiler Rocker ist auch "Keep Rollin'", der sofort in die Beine geht und einfach nur gute Stimmung verbreitet. Mann, kann Musik hören schön sein! Partytauglich bis zum Haaransatz und soundmäßig sehr warm sowie spielerisch zum mit der Zunge schnalzend umgesetzt. Dabei klingt Kaplan jederzeit authentisch und mittendrin im Geschehen, da ist nichts Aufgesetztes, das ist alles so echt wie der Dreck unter seinen Fingernägeln. "Golden Years" ist nachdenklicher, aber bei Weitem nicht schlechter, als die rockigen Stücke. Die Hammond brutzelt ihr ganz eigenes Süppchen, während die Nummer eine ganz spezielle Atmosphäre kreiert und einmal mehr ein wohliges Gefühl zurücklässt.
"Miracle Mile Madonna" ist wieder Dylan etwa zu "Highway 61 Revisited"-Zeiten, selbstverständlich erneut mit der ganz eigenen Kaplan-Note versehen. Egal wie viel sich da von dem alten Meister geliehen wurde, auch dieser Song geht runter wie Öl. Eine klasse Piano- und Akustikgitarren-Ballade ist "Together In The Morning", bei der die Slide und die Ladies vom Background-Gesang richtig fett punkten können. Die Geschichte eines ewig Reisenden, der ruhelos nicht länger als nur begrenzte Zeit an einem bestimmten Ort oder mit einer bestimmten Geliebten verbringen kann und sich, trotz sich seinem Verlangen nach Liebe und einem gemütlichen Heim bewusst zu sein, nicht selbst helfen kann und immer weiter muss.
"Long Rain" und "Sunflower Hair" beschließen letztlich ein mit knapp 36 Minuten relativ kurzes Album. Wobei das relativ ist, denn für mich stellt das in diesem Fall eine perfekte Spiellänge dar. Und diese Scheibe hört man dann dafür auch sehr gerne zwei- oder dreimal hintereinander an.
"Seasons" ist ein astreines Rockalbum im altmodischen, sprich siebziger Jahre-Stil geworden, das mit sehr vielen Vorteilen wie starken Songs, erstklassiger Umsetzung, viel Feeling und einem warmen Sound, aber auch, was das Songwriting betrifft, nicht gerade durch Eigenständigkeit bzw. Originalität glänzen kann. Die Tracks sind zeitlos und machen einfach einen Riesenspaß beim Anhören. Wenn Jonny Kaplan die vielen Andeutungen auf seine eigenen Helden etwas zurückschrauben und mehr auf seine ganz eigenen Sachen (wie hier z.B. speziell die drei letzten Songs) vertrauen würde, wären auch noch mehr als 7 von 10 RockTimes-Uhren dringewesen.
Ich kann nur sagen: Mir persönlich gefällt "Seasons" einwandfrei und die Scheibe rotiert hier in meinem Player schon seit Wochen immer wieder.
Line-up:
Jonny Kaplan (vocals, guitars)
RK Sanchez (guitars)
John Salaberria (bass)
Joey Galvan (drums)
Tracklist |
01:Smoking Tar
02:Seasons
03:Still Lonely
04:Keep Rollin'
05:Golden Years
06:Miracle Mile Madonna
07:Together In The Morning
08:Long Rain
09:Sunflower Hair
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