...eine Band ist dann progressiv,
wenn sie schwer einzuordnen ist.
Rocktimes Interview Keine Kamelot-Tour ohne Abstecher nach Deutschland! Vor dem Gig in Saarbrücken am 10. April 2008 hat Keyboarder Oliver Palotai die Tür des Tourbusses für RockTimes geöffnet und über Tourleben, Songwriting und seine eigene neue Band geplaudert. Und darüber gebrütet, ob Kamelot eigentlich 'progressiv' sind...


Interview vom 24.04.2008


Boris Theobald
RockTimes: Hi Oliver, erst einmal vielen Dank dafür, dass du Dir Zeit für RockTimes nimmst! Wie läuft die Tour bis jetzt?
Oliver: Also bisher sind wir super zufrieden. England war super, Antwerpen... Amsterdam haben wir auch bisher gespielt. Saarbrücken ist jetzt, glaub' ich, das fünfte Konzert. Und von den Zuschauerzahlen her könnten wir nicht zufriedener sein.
RockTimes: Das heißt, die Zahlen sind besser als auf den vergangenen Touren?
Oliver: Ja! Mit Kamelot gibt es ja auch eine Art konstante Steigerung von Album zu Album und von Tour zu Tour. Das ist jetzt, glaube ich, schon die dritte Tour, die wir zu der Scheibe [Ghost Opera, die Redaktion] machen, wenn man dann die Ami- und Japan-Touren dazu zählt, sogar noch mehr. Und die Leute kommen! Ich glaub' heute in Saarbrücken ist das erste Konzert, bei dem die Vorverkaufszahlen nicht so toll aussehen. Aber für die nächsten Konzerte, auch die in Deutschland, sieht es richtig gut aus. Deutschland ist immer ein bisschen schwieriger ... .
RockTimes: Mit Dir ist ja seit der "Black Halo"-Tour ein Deutscher in der Band. Haben Kamelot seitdem einen besseren Draht zu den deutschen Fans, als früher?
Oliver: Viele wissen erstmal gar nicht, dass ich aus Deutschland bin, weil mein Familienname das jetzt nicht vermuten lässt. Der kommt aus Ungarn. Aber warum der deutsche Markt jetzt plötzlich läuft und die meisten Jahre nicht gelaufen ist ... ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass es an mir liegt.
RockTimes: Du verstärkst Kamelot ja jetzt seit 2005 und bist zu zwei Alben mit der Band getourt. Ist bei Dir in Sachen Kamelot schon Routine eingekehrt? Ist die Tour für Dich anders als die "Black Halo"-Tour?
Oliver: Nun, ich kenne die Leute jetzt viel besser als ganz am Anfang! Ansonsten ist nichts viel anders als mit Kamelot oder mit anderen Bands vorher. Ansonsten gilt: Tour ist irgendwie Tour. Nur, dass die mit Kamelot ein bisschen komfortabler ist als mit anderen. Ich bin schon recht viele Male um die Welt getourt.
RockTimes: Und wie ist das Tourleben heutzutage? Wohnst du noch in Deutschland, oder bist du schon wohnhaft im Tourbus?
Oliver: Also ich war nach der Musikhochschule rund sieben Jahre ständig auf Tour. Und es wurde mir dann auch irgendwann mal zu viel. Ich war 'ne Zeit lang mit fünf internationalen Bands auf Tour. Das waren Blaze, Circle II Circle, Doro, Uli Jon Roth... und damals hat es mit Kamelot dann angefangen. Und dann habe ich nebenher auch noch diverse andere Sachen gemacht. Das wurde irgendwann mal zu viel. Das viele Reisen geht manchmal sehr an die Substanz. Ich bin mehr so der Schwabe, der um 8:00 Uhr aufsteht, und abends dann um 9:00 Uhr Feierabend hat. Das ist auf Tour nicht möglich, und damit habe ich zumindest in den ersten Tagen immer so meine Probleme. Aber das geht den anderen ganz ähnlich. Es gibt zwar auch mal Partys am Abend, aber jeder von der Band hat auf der Tour auch abseits der Bühne viel zu tun; und wir könnten nicht erst morgens um 5:00 Uhr mit einem Kater aus dem Bett.
RockTimes: Um zur aktuellen Tour zu kommen... Von Kamelot ist man es ja gewohnt, dass ein paar Mal pro Gig eine Sängerin mit geheimnisvollem Auftritt in opulenter Verhüllung auf die Bühne tritt. Wen habt ihr denn dieses Mal dabei?
Oliver: Ihr Name ist Anne-Catrin Märzke! Sie kommt aus Berlin und ist eigentlich eine Musical-Darstellerin. Wir hatten vor Beginn der ersten "Ghost Opera"-Tournee noch jemanden gesucht. Es hatten sich diverse Damen beworben, und wir haben uns für sie entschieden.
RockTimes: Ihr habt weniger als ein Jahr nach "Ghost Opera" schon wieder ein Re-Release namens "The Second Coming" rausgebracht. Ist es nicht ein bisschen gemein, dass sich die Fans, die die Scheibe wegen des, zugegebenermaßen reichlich vorhandenen Bonusmaterials, haben wollen, damit auch das eigentliche Album ein zweites Mal kaufen müssen?
Oliver: Also wir haben ja eine Menge an Material draufgepackt. Es ist ein ganzes Live-Konzert drauf, es sind Videos drauf, es gibt neue Fotos im Booklet... und wir glauben, dass die reine Menge an Bonusmaterial auf jeden Fall noch mal ein Re-Release rechtfertigt. Für eine ganze Live-Platte hätte das Audiomaterial wahrscheinlich nicht gereicht. Wir dachten einfach, dass es im Verbund mit einem Re-Release die sinnvollste Möglichkeit ist, dieses Material aus Serbien rauszubringen.
RockTimes: Seit einigen Jahren veröffentlichten Kamelot ja im Zwei-Jahres-Rhythmus ein großartiges Album nach dem anderen. Ein Jahr ist fast vorbei. Ist das nächste Album schon wieder halb zu Papier gebracht?
Oliver: Nein, das nicht. Ideen sind sicher schon gesammelt. Man fängt so ganz allmählich mal an, sich über komplette Songs Gedanken zu machen. Aber das eigentliche Songwriting heben wir uns für nach der Tour auf.
RockTimes: Wie schreibt ihr Eure Songs? Immerhin lebt ihr in den USA, in Norwegen und in Deutschland? Führt man da zwangsweise eine Art musikalische Fernbeziehung und schickt einander Soundfiles per Email?
Oliver: Das ist auf jeden Fall auch eine Möglichkeit, die ihre Vor- und ihre Nachteile hat. Das 'File-Swapping' muss ja nicht unbedingt unkreativ sein. Nur ist es kein gemeinsamer Prozess, sondern die Leute arbeiten dabei unabhängig voneinander. Deshalb treffen wir uns auf jeden Fall persönlich, um unsere Ideen zusammenzubringen, denn wir sind als Band wirklich eine kreative Einheit. Wir fliegen zum Beispiel mal alle nach Norwegen, wo Roy lebt. Und jeder kommt dann mit Ideen an, die er für sich gesammelt hat. Tom und Roy nehmen beim Songwriting wegen ihrer Position in der Band als Gitarrist und Leadsänger natürlich eine besondere Rolle ein. Aber es kommt schon von jedem viel Input. Wenn zum Beispiel ein Song geschrieben wird, und dann später Drums drauf gespielt werden, verändert das den Song schon immens.
RockTimes: Eure Alben kriegen seit Jahren sehr gute Reviews. Bei "Ghost Opera" sind mir aber auch ein paar kritische Stimmen aufgefallen. Da heißt es »wie immer super, aber auch nix Neues.« Besteht die Gefahr, dass ihr auf hohem Niveau stagniert?
Oliver: Die Gefahr besteht natürlich bei jeder Band nach ein paar Jahren und einigen Alben. Aber ich finde, dass gerade bei "Ghost Opera" sogar eine Art Bruch stattfindet und eine neue Richtung eingeschlagen wird. Die Sounds und der ganze Spirit dieses Albums sind anders. Ich glaube, dass die Linie von "Black Halo" zum Beispiel hier nicht fortgesetzt wurde und stattdessen was Neues probiert wurde.
RockTimes: Mir ist aufgefallen, dass auf Eurer MySpace-Seite beim Musikstil als erstes das Wort 'Progressive' steht. Der Begriff 'Progressive' ist ja immer schwer zu definieren. Ist für Dich Kamelot eine Prog Metal-Band?
Oliver: Gut, wie definiert man das Ganze? Wir sind Prog-, Symphonic Metal vielleicht, wenn man denn unbedingt eine Definition braucht. Wenn man sagt, man hat Prog Metal, sobald ein ungerader Takt auftaucht... in dem Fall ja, dann ist Kamelot definitiv eine Prog Metal-Band. Ich tue mich mit Kategorien aber immer sehr schwer. Ich glaube, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich finde eine Band ist dann progressiv, wenn sie schwer einzuordnen ist. Wenn zum Beispiel aus allen Stilrichtungen Elemente herangezogen werden, was auch bei Kamelot der Fall ist. Als Keyboarder kann ich zum Beispiel auch sagen, dass viele der Akkorde erweiterte Akkorde sind, die man teilweise durchaus auch im Jazz oder in der moderneren Klassik ansiedeln könnte. Dann sind Folk-Elemente dabei, reine Klassik-Elemente. Ich glaube, dann passt der Begriff 'Progressive' durchaus.
RockTimes: Oliver, in der Vergangenheit warst Du ja für zahlreiche Bands aktiv. Planst Du denn auch aktuell noch was anderes außer mit Kamelot? Wenn ja, immer als Keyboarder?
Oliver: Ich bin ja auch genauso Gitarrist und Songwriter, ich orchestriere, ich arrangiere und ich produziere. Und ich habe jetzt auch meine eigene Band, Sons Of Seasons. Das ist für mich eine Spielwiese, in der ich mich völlig frei austoben kann. Gerade bin ich am Verhandeln mit Labels.
RockTimes: Was kann man von Deiner Band Sons Of Seasons musikalisch erwarten, und wer ist außer dir noch dabei?
Oliver: Es wird auch ein Mix sein! Natürlich sind wir auf jeden Fall im Heavy-Bereich anzusiedeln, aber ich werde mich dabei austoben. Ich habe Jazz und Klassik studiert, und das will ich einfach auch mit unterbringen. Aber der Kernbereich bleibt Metal. Ich spiele dabei Gitarre, ich spiele Keyboards... und mit dabei sind viele andere Musiker, die ich sehr hoch schätze. Henning Basse ist der Sänger, der hat unter anderem bei Brainstorm und Metallium gesungen. Jürgen Steinmetz spielt Bass und spielt unter anderem auch bei Silent Force. Luca Princiotta ist der andere Gitarrist außer mir, der spielt bei Doro und wir kennen uns von Blaze. Unser Drummer, Daniel Schild, der macht 'ne ganze Menge vor allem aus jazzigen Bereichen. Außerdem habe ich gerade für Epica orchestriert, die machen eine Orchestershow, da muss die ganze Musik für Symphonieorchester umgeschrieben werden.
RockTimes: Und zu alle dem hast du zusätzlich für Kamelot Zeit?
Oliver: Kamelot touren ja eigentlich gar nicht sooo viel. Dieses Jahr sind es zwei Touren, dann so ein paar kleinere Festivals, Wacken... (lacht), gut, klein ist das nicht... ich meinte, ein paar Auftritte auf Festivals. Und dann wird wahrscheinlich nächstes Jahr weniger stattfinden, weil wir in den vergangenen Jahren doch immer mindestens, eine, zwei größere Touren gemacht haben. Und weil die neue Platte ansteht. Das hoffe ich zumindest. Ich bin immer heiß auf neues Material.
RockTimes: Das sind wir alle! Oliver, vielen Dank für das Interview mit RockTimes, und noch viel Spaß auf der Tour!
Externe Links: