Kansas / Miracles Out Of Nowhere
Miracles Out Of Nowhere Spielzeit: 79:28 (CD), 78 Min. (DVD)
Medium: CD & DVD
Label: Sony Music, 2015
Stil: Progressive Rock

Review vom 10.05.2015


Boris Theobald
Fünf langhaarige Jungs stehen auf einem Hügel und die langen Mähnen flattern im Sturm ... das ist das berühmte Bandfoto von Kansas auf der Rückseite des Debütalbums. Und es ziert auch das Cover dieser Band-Doku: "Miracles Out Of Nowhere", benannt nach dem herrlichen Song von "Point Of Know Return". Und auf der Innenseite: dasselbe Bandfoto - 40 Jahre später. Die sechs Gründungsmitglieder der Band sind zum runden Jubiläum des ersten Albums zurück zu diesem Ort gegangen und auf jenen Hügel gestiegen. Die Szenen dazu gibt es auf dieser DVD, genauso wie eine Fahrt im 'Tourbus' übers Land - wie damals, als die Band daheim in Kansas Abend für Abend in Bars spielte, um über die Runden zu kommen und davon träumte, im Niemandsland der Musikindustrie mitten zwischen Ost- und Westküste einmal groß rauszukommen. Und natürlich erzählen sie ... Steve Walsh, Kerry Livgren, Rich Williams, Phil Ehart, Robby Steinhardt und Dave Hope.
In Ausschnitten aus Einzelinterviews erzählen sie, wo sie herkommen. Wir sehen Weizenfelder, ein paar Geburtshäuser der Jungs und ihr 'Band house', in dem sie als junge Gruppe geprobt und sogar gewohnt haben. Es wird einem richtig bewusst, WIE weit ab vom Schuss man in Topeka aufwachsen konnte, was für Kansas offenbar nicht von Nachteil war: »So, it's that expansive nothingness that lends itself to pretty much doing stuff indoors«, sagt Drummer Phil Ehart. Wir lernen, dass er es war, der die entscheidenden Anrufe getätigt hat, um die Band zusammenzubringen - eine Band, die durch Steve Walshs Wundergesang, Kerry Livgrens tiefgehende Kompositionen und nicht zuletzt Robby Steinhardts Violine so 'anders' war als alle anderen.
Dass die Welt die Chance bekam, sich von dieser Magie ergreifen zu lassen, lag an einem Zufall: Man kannte einen, der einen kennt ... der das Demo-Tape in New York zur richtigen Stelle brachte. Und es lag an einem genialen Einfall - und das ist es, was diese 78 Minuten lange Dokumentation so wertvoll macht: Als eingefleischte Fans erfahren wir zwar kaum etwas Neues, aber all die Anekdoten zur Bandgeschichte aus dem Mund der Jungs und aus heutiger Sicht zu hören, ist einfach genial. Der Trick war folgender: Nachdem sich Wally Gold, die 'rechte Hand' von Hit-Produzent Don Kirshner ankündigte, in zwei Wochen nach Kansas zu kommen und live schauen zu wollen, ob diese Band wirklich so gut ist, folgten auf die Begeisterung Sorgen: Da kann die Band so toll spielen, wie sie will - mit einer Hand voll Hanseln vor der Bühne würde man tödlich provinziell wirken. Und so kam es zum Freibiertrick und einem Plakat an gefühlt jedem zweiten Telefonmasten:
»the Opera House in Elinwood, Kansas

FREE BEER

BOOGIE this weekend to
**** Kansas ****

Friday and Saturday night - March 2 & 3
Dancing 9 - 12 pm. - admission $ .25 per person«
Zum Freibierevent kamen mehr als 500 - die Leute waren dann auch entsprechend angeheitert und jubelten als gäbe es kein Morgen. Gute Idee. Oder wie Rich Williams es ausdrückt: »Being young and dumb we did have a moment of brilliance.« Es klappte, man wurde nach New York eingeladen, um ein Album aufzunehmen, und der Rest ist Geschichte. Teil des neuerlichen Erzählens dieser Geschichte sind auch Aufnahmen dieses legendären Konzerts und sogar ein Foto des berüchtigten Freibier-Plakats. Zum Teil wurde für "Miracles Out Of Nowhere" auch auf Fan-Material zurückgegriffen.
Als Fans äußern sich in dem emotionalen und kurzweiligen Film unter anderem auch Leute wie Garth Brooks und Brian May - für Queen traten Kansas 1975 schließlich als Opening Act auf. Die Anekdoten dazu werden aber überboten zu denen über die Shows mit Aerosmith. Breitmaul Steven Tyler konnte es partout nicht verknusen, wenn eine Vorband allzu viel Applaus bekam. Und tatsächlich hatte er es sich angewöhnt, schon mal eigenmächtig die Stecker der Amps und Anlagen rauszuziehen. Aber darauf waren Kansas vorbereitet! Wir bräuchten einen Spoiler-Alarm für mehr Details - ein bisschen Spaß und Spannung sollten für die 'Wheatheads' noch bleiben, denen "Miracles Out Of Nowhere" bedingungslos zu empfehlen ist! Auch Leute, die bislang wenig mit der Band am Hut hatten, sollten gut mitkommen - schließlich geht es auch um die Storys hinter Megahits wie "Carry On Wayward Son" und "Dust In The Wind".
Wichtig zu wissen ist: Die Dokumentation hört 1977 mit "Point Of Know Return" auf; sie beschäftigt sich nur mit den Anfängen der Band und den ersten vier Alben. Damit ist zwar die große Klassiker-Phase abgedeckt, aber nicht einmal die komplette Lebensdauer der Ur-Besetzung, die noch zwei weitere, weniger beachtete Platten, zusammen aufnahm. Damit hat man eine Zeit zunehmender Spannungen und beginnender Zerwürfnisse ausgespart, was die dokumentarische Arbeit erleichtert haben dürfte, wodurch aber die Doku die Band natürlich auch ein Stück weit glorifiziert. Trotzdem - nachdem inzwischen ja sogar Steve Walsh die Band verlassen hat, tut es einfach so gut, die Originale wieder beisammen zu haben und mit dem 'Sixpack' diese Zeitreise zu machen!
Die passende Zeitreise für die Ohren gibt es per randvoll gepackter CD. In 80 Minuten gibt es eine ansprechende Auswahl an Meilensteinen aus der Kansas-Diskografie - in Anlehnung an die Doku ebenfalls bis zum Album "Point Of Know Return". Nix Neues - das is klar. Zusätzlichen Unterhaltungswert erhält die Zusammenstellung aber durch die Interview-Schnipsel zwischen den Stücken - es sind Auszüge aus der DVD - welche die Songs in die Band-Karriere einordnen und ein paar Anekdoten beinhalten. Da erzählt Kerry Livgren, wie die Idee zum "Song For America" beim Blick aus dem Flugzeugfenster kam; oder wir werden daran erinnert, wie wichtig die TV-Sendung "Don Kirshner's Rock Concert" für die Promotion der Gruppe war. Passend dazu noch ein Live-Schmankerl: Die hier zu hörende Version von "Can I Tell You" ist ein Mitschnitt aus der Show - qualitativ mittelprächtig, aber 'historisch' interessant.
Das DVD-/CD-Paket enthält ein außerdem ein sehr ansprechendes, mehr als 20 Seiten starkes Hochglanz-Booklet, in dem die Story der frühen Kansas abermals umrissen wird. Garniert wird das Ganze mit einem Bandfoto bei McDonald's (!) - einem Foto aus der ursprünglichen allerersten Fotosession mit der Band, das schließlich (zum Glück) verworfen wurde. Denn am selben Tag zog plötzlich der berühmte Sturm auf, und der Fotograf trieb die Herren rauf auf den Hügel .. und auf der Rückseite des Booklets gibt es ein weiteres Mal das alte Foto, überblendet mit dem neuen. Dieselben Herren auf demselben Hügel, mehr als 40 Jahre später. Bei denen hat es Gänsehaut ausgelöst - beim Fan klappt das auch.
Kansas:
Phil Ehart (drums)
Dave Hope (bass)
Kerry Livgren (guitar, keyboards)
Robby Steinhardt (violin, vocals)
Steve Walsh (vocals, keyboards)
Richard Williams (guitar)
Tracklist
CD:
01:Intro: Dialogue (0:45)
02:The Pilgrimage (3:06)
03:Rock Concert: Dialogue (0:34)
04:Can I Tell You [Live] (4:40)
05:The First Album: Dialogue (0:36)
06:Journey From Mariabronn (7:57)
07:The Second Album: Dialogue (0:46)
08:Song For America (10:01)
09:Down The Road (3:44)
10:Masque: Dialogue (0:46)
11:Icarus [Borne On Wings Of Steel] (5:43)
12:The Pinnacle (9:34)
13:Leftoverture: Dialogue (0:41)
14:The Wall (4:48)
15:Wayward Son: Dialogue (0:44)
16:Carry On Wayward Son (5:23)
17:Kerry The Songwriter: Dialogue (0:05)
18:Miracles Out Of Nowhere (6:26)
19:Time For A New Records: Dialogue (0:08)
20:Point Of Know Return (3:11)
21:Finger Exercise: Dialogue (0:16)
22:Dust In The Wind (3:26)
23:The Miracle: Dialogue (1:10)
24:Nobody's Home (4:39)
DVD:
Miracles Out Of Nowhere - A Documentary Film
Externe Links: