Zu ihrem 30-jährigen Bestehen haben die Brandenburger Keimzeit, die 1982 aus dem Quartett Jogger der Geschwister Leisegang hervorgegangen sind, ihr neues Werk "Kolumbus" - das zehnte Studioalbum - herausgebracht. Ich muss gestehen, dass mir die bisherigen Werke der Leisegang-Familie irgendwie durch die Lappen gegangen waren und ich mich deshalb auf das vorliegende Album beschränken muss, doch der (Familien-)Name ist wohl Programm, denn sie sind eindeutig Vertreter der leisen Gangart.
Eine, mit der ich mich zugegebenermaßen erstmal ziemlich schwer getan habe (und immer noch tue). Beim ersten reinen Zuhören erscheint mir (als bestimmt sehr subjektive Sichtweise) "Kolumbus" recht belanglos und leicht vor sich hinplätschernd. Hervorgerufen wird dieser Eindruck bei mir von diesem ganz entspannten und sehr leichten Sound. Ein etwas poppig angehauchter Liedermacher schnipst und pfeift so vor sich hin und zaubert relaxte Stimmung um sich herum. Angenehm, nett, aber irgendwie bleibt bei mir erstmal ein 'und was soll das jetzt?' – Gefühl zurück.
Erst beim reinen Lesen offenbaren die Texte mir dann aber doch eine überraschende Tiefe, die für mich (subjektiv!) nicht so recht zu dieser relaxten Stimmung passen will.
Sie erzählen Geschichten, wie die des Simeon Podomkin, der mit dem "Nachtzug nach Sofia" unterwegs ist zu seinen drei Töchtern oder über den "Kettenhund", der sich nach langen Jahren der Unterwerfung losreißt und wegläuft.
In aneinandergereihten Fragmenten streifen sie – zum Beispiel im Titelsong "Kolumbus" - Themen wie Halbwahrheiten und Lügen, Jugenderinnerungen und Weltuntergangsprophezeiungen. Auch sehr kurze Szenen finden bei Keimzeit ihren Platz, wie in "Das gute Beispiel" die des Tim, der nach Außen Verständnis für die Trennung seiner Eltern zeigt, während er innerlich darunter leidet oder Tante Gloria, die ihr gesamtes Vermögen verspielt und den anschließenden Prozess gegen das Kasino verliert.
Auch Beziehungen und die darin verbreiteten Missstände des Unverständnisses, einander Erziehen-Wollens, Nebeneinanderherlebens in "Du verstehst mich nicht" und als Steigerung in "Kein zurück" gegenseitige (vorsätzliche) Verletzungen, liefern Norbert Leisegang Inspiration für seine Lyrics.
Ein edel aufgemachtes DigiPak mit 12-seitigem Booklet und CD im Vinyl-Look bietet den würdigen Rahmen für das Jubiläumswerk. Aufgenommen wurde es im spanischen Motril in den Gismo7-Studios, die finale Abmischung erfolgte in den Berliner Ballsaalstudios.
Ein Fazit zu ziehen fällt mir noch immer schwer. Technisch und musikalisch ist die Scheibe absolut einwandfrei, mein Problemchen mit ihr wahrscheinlich ein sehr individuelles, das die zahlreiche Fangemeinde nicht abschrecken soll. Und dem Rest der Welt sei ein Reinhören und dann selbst entscheiden ans Herz gelegt.
Line-up:
Norbert Leisegang (Gesang, Gitarre)
Hartmut Leisegang (Bass)
Roland Leisegang (Schlagzeug)
Andreas 'Spatz' Sperling (Keyboard)
Tracklist |
01:Kolumbus
02:Nachtzug nach Sofia
03:Du verstehst mich nicht
04:Das gute Beispiel
05:Schlangenherz 1
06:Streik
07:Kein zurück
08:Kettenhund
09:Einmalig
10:Mitten im Fluss
11:Schlangenherz 2
12:Aquarium
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