Kellner / Hey Dude
Hey Dude Spielzeit: 47:56
Medium: CD
Label: Südpol Music, 2010
Stil: Singer/Songwriter, Rock

Review vom 20.06.2010


Boris Theobald
Ein Mann, ein Plan, ein zweites Album. Die 'Popmusik-Ich-AG', so nennt der Regensburger Matthias Kellner selbst das, was da mit ihm passiert (ist). Vergangenes Jahr startete er durch, aus der Arbeitslosigkeit rein in den Plattenvertrag, packte es mit seinem Debütalbum "This Ocean Life" zum 'Newcomer des Monats' auf Bayern3 und eröffnete plötzlich Shows für Leute wie Roger Chapman und Manfred Mann. Diesen Herbst geht's im Schlepptau von Tito & Tarantula durch die Lande, und zwar schon mit dem zweiten Album "Hey Dude" im Gepäck.
Darauf präsentiert sich Kellner als Oberpfälzer Singer/ Songwriter. Gesungen wird allerdings nicht auf Bayrisch. Und die Musik klingt auch sehr viel weniger bayrisch als nordamerikanisch. Matthias Kellner singt mit markanter, aber trotzdem recht sanfter, angebluester Stimme und einem nicht übertriebenen Slang zu (natürlich) selbst geschriebenen Stücken, die meisten davon in einer eher ruhigen, von Akustik- oder Clean-Gitarren getriebenen Grundstimmung mit atmosphärischem, elektrisch verstärkten Refrain.
"Diasappear", "The Devil" und "Pidgeons" sind gut gemachter und mit Tiefgang interpretierter, aber nicht schwerer Singer/ Songwriter-Pop Rock, dem man zu jeder Sekunde anhört, dass die Worte von dem stammen, der sie auch singt, und bei denen man auch die Gitarre in der Hand des Songschreibers unweigerlich vor Augen hat. "Cotton Candy Lies" ist gut gemachter Jack Johnson-'Pop'; "Play" rockt dagegen deutlich härter, bleibt trotzdem nachdenklich - leider kommt hier gesangstechnisch in Matthias Kellner ein bisschen der James Blunt durch, aber das bleibt glücklicherweise die Ausnahme.
Mit "Blooz" liefert Kellner einen zurückhaltenden, leicht Folk Rock-getränkten Akustik-Blues ab - starkes Stück! - mit dem an Neil Young erinnernden "For Friedl" eine Klassiker-Hommage in organischem Retro-Gitarren-Sound, der über die gesamte Scheibe hinweg immer wieder angenehm durchschimmert. Und mit dem "iSong" ist noch ein potenzieller 'Hit' vorhanden. Der textliche 'Egoismus' wird mit einem coolen Drive aus funkig groovender Orgel, 'Hands-Clapping' und dynamischem Akustikgitarrengeschrubbe nach vorn getrieben; dazu kommt eine von Kellners vielen eingängigen, von ganz tief innen kommenden, wenn auch gänzlich kantenfreien und unspektakulären Gesangsmelodien.
Er besingt in seinen Stücken all 'die verrückten Dinge in der Welt', wie er selbst sagt. Das reicht vom leichten Nichtstun, liegend in der Wiese - in der unbeschwerten Ballade "And The Clouds" - bis hin zu den schweren Gedanken über den Selbstmord zweier Bekannter - im traurigen Stück "Biographies", das nur aus Akustikgitarre und ein paar Streichern besteht. Abseits schwerer Thematiken verfällt Kellner gern dem etwas Abgedrehten, Verrückten. Werwölfe im Supermarkt werden da besungen ("Werewolves"), oder auch den (hoffentlich nicht wörtlich zu nehmenden) Hang zur karnivoren Lebensweise der spezielleren Art ("Last Cannibal"):
»I am a cannibal sitting in my cave, nothing to eat
I ate all o' my friends in the neighborhood and my family
I really got to get off of this island
really got to get off of this island
Last cannibal, I'm starving ohooo,
Ain't got nothing to eat and nowhere to go...«
Ob das wirklich 'nur' ulkiger Klamauk ist, oder doch was dahinter steckt... frei nach dem Motto 'Wenn du alle um dich herum zerfleischt hast, bist du irgendwann alleine' - es wäre beim 'Nachdenker' Kellner nicht verwunderlich. Sein Album "Hey Dude" ist unterm Strich ziemlich amerikanisch, teils folk- und blues-rockig. Die Songs sind sehr persönlich, strahlen einen gewissen Charme aus; und man kann sich auch bestens vorstellen, dass sie ein tolles Futter für Unplugged-Shows wären, denn das ist ehrliche, gute, handwerkliche Musik. Ob sie allerdings die Langzeitwirkung hat, um sich dauerhaft in persönliche Playlisten zu mogeln, diese Frage wird nicht jeder gleich beantworten. Kreativ, gewitzt und sympathisch kommt Kellner aber auf jeden Fall rüber.
Line-up:
Matthias Kellner (vocals, guitar)
Florian Sprenger (guitar, vocals)
Johannes Molz (bass, vocals)
Andy Schechinger (drums, vocals)
Tracklist
01:Blooz (3:06)
02:Disappear (3:27)
03:Cotton Candy Lies (4:00)
04:iSong (3:44)
05:The Devil (2:52)
06:For Friedl (3:45)
07:And The Clouds (3:18)
08:Play (4:58)
09:Last Cannibal (3:00)
10:Pidgeons (2:31)
11:Biographies (3:13)
12:Werewolves (3:07)
13:The Golden Thread (6:46)
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